[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Zwanzigster Gesang. Rauschten Ströme! den andern BäumenSendet' er Bäch' ins Gefild! Darum erhub höher er sich, wie die andern Bäum' im Gefild! und es ward ihm, zu der Aeste Vollem Spross' und der Zweige, Wassers, Sie zu verbreiten, genung! Nisteten nicht Vögel auf ihm, und das Staubthier Lag's nicht um ihn, wie unzählbar? Jn des hohen, Quellentrunkenen Baumes Schatten Wohneten Völker umher! Ceder des Herrn, warst du wie er? und o Tanne, Du wie sein Ast? und du Ahorn, wie sein langer Schöner Zweig? Vor der Bäume Schaaren Prangt' er im Haine des Herrn! Hatt' ihn nicht Gott also geschmükt, und mit dichtem Aesten erhöht, daß die Bäum' ihn in dem Garten Gottes neideten? Weil sein Wipfel Also gen Himmel erwuchs, Hob sich sein Herz schwellend empor, daß so hoch er Stünde! Du gabst ihn dem Stärksten der Tyrannen, Rächer nun, in die Hand, daß ers ihm, Wie er verdiente, vergalt! Fremder Gewalt rottet' ihn aus, und zerstreut' ihn! Auf dem Gebirg', in den Thalen, an den Bächen, Lagen niedergestürzt, zerschmettert, Aest' ihm, und Zweig' ihm umher! Schatten
Zwanzigſter Geſang. Rauſchten Stroͤme! den andern BaͤumenSendet’ er Baͤch’ ins Gefild! Darum erhub hoͤher er ſich, wie die andern Baͤum’ im Gefild! und es ward ihm, zu der Aeſte Vollem Sproſſ’ und der Zweige, Waſſers, Sie zu verbreiten, genung! Niſteten nicht Voͤgel auf ihm, und das Staubthier Lag’s nicht um ihn, wie unzaͤhlbar? Jn des hohen, Quellentrunkenen Baumes Schatten Wohneten Voͤlker umher! Ceder des Herrn, warſt du wie er? und o Tanne, Du wie ſein Aſt? und du Ahorn, wie ſein langer Schoͤner Zweig? Vor der Baͤume Schaaren Prangt’ er im Haine des Herrn! Hatt’ ihn nicht Gott alſo geſchmuͤkt, und mit dichtem Aeſten erhoͤht, daß die Baͤum’ ihn in dem Garten Gottes neideten? Weil ſein Wipfel Alſo gen Himmel erwuchs, Hob ſich ſein Herz ſchwellend empor, daß ſo hoch er Stuͤnde! Du gabſt ihn dem Staͤrkſten der Tyrannen, Raͤcher nun, in die Hand, daß ers ihm, Wie er verdiente, vergalt! Fremder Gewalt rottet’ ihn aus, und zerſtreut’ ihn! Auf dem Gebirg’, in den Thalen, an den Baͤchen, Lagen niedergeſtuͤrzt, zerſchmettert, Aeſt’ ihm, und Zweig’ ihm umher! Schatten
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Zwanzigſter Geſang.
Rauſchten Stroͤme! den andern Baͤumen
Sendet’ er Baͤch’ ins Gefild!
Darum erhub hoͤher er ſich, wie die andern
Baͤum’ im Gefild! und es ward ihm, zu der Aeſte
Vollem Sproſſ’ und der Zweige, Waſſers,
Sie zu verbreiten, genung!
Niſteten nicht Voͤgel auf ihm, und das Staubthier
Lag’s nicht um ihn, wie unzaͤhlbar? Jn des hohen,
Quellentrunkenen Baumes Schatten
Wohneten Voͤlker umher!
Ceder des Herrn, warſt du wie er? und o Tanne,
Du wie ſein Aſt? und du Ahorn, wie ſein langer
Schoͤner Zweig? Vor der Baͤume Schaaren
Prangt’ er im Haine des Herrn!
Hatt’ ihn nicht Gott alſo geſchmuͤkt, und mit dichtem
Aeſten erhoͤht, daß die Baͤum’ ihn in dem Garten
Gottes neideten? Weil ſein Wipfel
Alſo gen Himmel erwuchs,
Hob ſich ſein Herz ſchwellend empor, daß ſo hoch er
Stuͤnde! Du gabſt ihn dem Staͤrkſten der Tyrannen,
Raͤcher nun, in die Hand, daß ers ihm,
Wie er verdiente, vergalt!
Fremder Gewalt rottet’ ihn aus, und zerſtreut’ ihn!
Auf dem Gebirg’, in den Thalen, an den Baͤchen,
Lagen niedergeſtuͤrzt, zerſchmettert,
Aeſt’ ihm, und Zweig’ ihm umher!
Schatten
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