[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Neunzehnter Gesang. Eigne Seligkeit, aber sie mit Verleugnung, mit heisser,Jnniger Sorge für's Heil der gottgewählten Gemeinen! Dürsteten zwar, bey Christus zu seyn; doch gerne, geböt' es Also der Wille des Herrn, nach vieler langsamer Jahre Säumen erst, erst dann, wenn vor uns hinüber in Schaaren Brüder wären gegangen, die wir erwecket, gelehret Hätten, gestärkt, mit Labsal gelabt im Leben, und Tode! Fertige Wandrer hinauf zu gehn zur Heimath im Himmel Waren wir jezo nicht mehr; wir standen gegürtet, erhoben War der Wanderer Stab, umher auf der Erde zu wallen; Dort mit Arbeit, und Schweiß, und vielen Thränen, zu wachen Ueber der Seligkeit derer, die unsre Sendung erkenten: Aber uns auch, wo sie des ewigen Lebens sich unwerth Hielten, zu wenden, und weichend den Staub von den Füssen zu schütteln! Also sagte Johannes, und füllte, durch die Erzählung Seines Gesichts, der Mutter des Herrn mit Wonne die Seele. Jezo wandte die Leyer mit ihren lichtesten Sternen Gegen die lichtesten sich des Altars. Dieß that's in den Himmeln Kund, daß der Mitler sich nun zu der Rechte Gottes erhübe! Dunkles Gefühl, und was er, bey seiner lezten Erscheinung, Nicht verbarg, weissagten schon lange den Jüngern, es werde Jesus nun bald sie verlassen! er hin zur Herlichkeit gehen; Sie zur Fessel und Schmach, die aber zur Herlichkeit führten. Dennoch weineten sie. Lebbäus erwehrte sich lange Seiner Klagen; es wölkte sich lang' in des Leidenden Seele, Eh es herunterströmte. Ja, bitter ist doch vom Geliebten Jam- K 5
Neunzehnter Geſang. Eigne Seligkeit, aber ſie mit Verleugnung, mit heiſſer,Jnniger Sorge fuͤr’s Heil der gottgewaͤhlten Gemeinen! Duͤrſteten zwar, bey Chriſtus zu ſeyn; doch gerne, geboͤt’ es Alſo der Wille des Herrn, nach vieler langſamer Jahre Saͤumen erſt, erſt dann, wenn vor uns hinuͤber in Schaaren Bruͤder waͤren gegangen, die wir erwecket, gelehret Haͤtten, geſtaͤrkt, mit Labſal gelabt im Leben, und Tode! Fertige Wandrer hinauf zu gehn zur Heimath im Himmel Waren wir jezo nicht mehr; wir ſtanden geguͤrtet, erhoben War der Wanderer Stab, umher auf der Erde zu wallen; Dort mit Arbeit, und Schweiß, und vielen Thraͤnen, zu wachen Ueber der Seligkeit derer, die unſre Sendung erkenten: Aber uns auch, wo ſie des ewigen Lebens ſich unwerth Hielten, zu wenden, und weichend den Staub von den Fuͤſſen zu ſchuͤtteln! Alſo ſagte Johannes, und fuͤllte, durch die Erzaͤhlung Seines Geſichts, der Mutter des Herrn mit Wonne die Seele. Jezo wandte die Leyer mit ihren lichteſten Sternen Gegen die lichteſten ſich des Altars. Dieß that’s in den Himmeln Kund, daß der Mitler ſich nun zu der Rechte Gottes erhuͤbe! Dunkles Gefuͤhl, und was er, bey ſeiner lezten Erſcheinung, Nicht verbarg, weiſſagten ſchon lange den Juͤngern, es werde Jeſus nun bald ſie verlaſſen! er hin zur Herlichkeit gehen; Sie zur Feſſel und Schmach, die aber zur Herlichkeit fuͤhrten. Dennoch weineten ſie. Lebbaͤus erwehrte ſich lange Seiner Klagen; es woͤlkte ſich lang’ in des Leidenden Seele, Eh es herunterſtroͤmte. Ja, bitter iſt doch vom Geliebten Jam- K 5
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Neunzehnter Geſang.
Eigne Seligkeit, aber ſie mit Verleugnung, mit heiſſer,
Jnniger Sorge fuͤr’s Heil der gottgewaͤhlten Gemeinen!
Duͤrſteten zwar, bey Chriſtus zu ſeyn; doch gerne, geboͤt’ es
Alſo der Wille des Herrn, nach vieler langſamer Jahre
Saͤumen erſt, erſt dann, wenn vor uns hinuͤber in Schaaren
Bruͤder waͤren gegangen, die wir erwecket, gelehret
Haͤtten, geſtaͤrkt, mit Labſal gelabt im Leben, und Tode!
Fertige Wandrer hinauf zu gehn zur Heimath im Himmel
Waren wir jezo nicht mehr; wir ſtanden geguͤrtet, erhoben
War der Wanderer Stab, umher auf der Erde zu wallen;
Dort mit Arbeit, und Schweiß, und vielen Thraͤnen, zu wachen
Ueber der Seligkeit derer, die unſre Sendung erkenten:
Aber uns auch, wo ſie des ewigen Lebens ſich unwerth
Hielten, zu wenden, und weichend den Staub von den Fuͤſſen zu ſchuͤtteln!
Alſo ſagte Johannes, und fuͤllte, durch die Erzaͤhlung
Seines Geſichts, der Mutter des Herrn mit Wonne die Seele.
Jezo wandte die Leyer mit ihren lichteſten Sternen
Gegen die lichteſten ſich des Altars. Dieß that’s in den Himmeln
Kund, daß der Mitler ſich nun zu der Rechte Gottes erhuͤbe!
Dunkles Gefuͤhl, und was er, bey ſeiner lezten Erſcheinung,
Nicht verbarg, weiſſagten ſchon lange den Juͤngern, es werde
Jeſus nun bald ſie verlaſſen! er hin zur Herlichkeit gehen;
Sie zur Feſſel und Schmach, die aber zur Herlichkeit fuͤhrten.
Dennoch weineten ſie. Lebbaͤus erwehrte ſich lange
Seiner Klagen; es woͤlkte ſich lang’ in des Leidenden Seele,
Eh es herunterſtroͤmte. Ja, bitter iſt doch vom Geliebten
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