Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Freudeglänzenden Blicke der Zwilling; mit heitrer Gebehrde
Selbst Nathanael; sassen die Zebedäiden, Jakobus
Mit den Gedanken im Himmel; Johannes an Christus auf Erden.

Da sie näher heran zu dem Ufer kommen, erblicken
Sie den Mittler, allein sie erkennen ihn nicht; doch verehren
Sie den ernsten Fremdling, der dort des Morgens, in heitre
Ruhe versenkt, und seiner Gedanken sich freut. Von den Pilgern
Allen, die Griechenlandes Götzen, oder die Bilder
Jenes Stromes der sieben Mündungen liessen, des Passah
Feyer mit uns zu begehn, und des Tempels Psalme zu hören,
Sah ich keinen so voll von Hoheit der Seele! Jakobus
Sagt' es, und Didymus sprach: O wär, den wir sehen, der Pilger
Einer der Auferstehung, und jezt mit dem Morgen gekommen,
Strahlender uns zu erscheinen, als leuchten Tage der Erde
Können, Sonnen es können!.. Mit scharfem Blicke, Lebbäus,
Siehst du ihn an, mit unabwendbarem Auge des Forschers.
Ach die Gebehrde des Sterblichen, der ein Himmlischer ist, die
Die betracht' ich, o Thomas, erwarte den Flug, den die Wandlung
Nehmen wird, so eilend vielleicht, daß mein Aug' ihn nicht siehet.
Aber der Fremdling redet mit ihnen: Habet ihr Speise,
Meine Kinder? Sie hatten die Nacht vergebens gefischet,
Hatten keine Speise. Da sagte der Unbekannte:
Werfet das Netz zur Rechte des Schiffs; so werdet ihr finden.
Und sie warfen es aus, und konnten's nicht ziehn vor der Fische
Menge. Mit mehr Erwartungen, richtete jezo Lebbäus,
Richtete Thomas den forschenden Blick auf den Unbekannten.
Aber

Der Meſſias.
Freudeglaͤnzenden Blicke der Zwilling; mit heitrer Gebehrde
Selbſt Nathanael; ſaſſen die Zebedaͤiden, Jakobus
Mit den Gedanken im Himmel; Johannes an Chriſtus auf Erden.

Da ſie naͤher heran zu dem Ufer kommen, erblicken
Sie den Mittler, allein ſie erkennen ihn nicht; doch verehren
Sie den ernſten Fremdling, der dort des Morgens, in heitre
Ruhe verſenkt, und ſeiner Gedanken ſich freut. Von den Pilgern
Allen, die Griechenlandes Goͤtzen, oder die Bilder
Jenes Stromes der ſieben Muͤndungen lieſſen, des Paſſah
Feyer mit uns zu begehn, und des Tempels Pſalme zu hoͤren,
Sah ich keinen ſo voll von Hoheit der Seele! Jakobus
Sagt’ es, und Didymus ſprach: O waͤr, den wir ſehen, der Pilger
Einer der Auferſtehung, und jezt mit dem Morgen gekommen,
Strahlender uns zu erſcheinen, als leuchten Tage der Erde
Koͤnnen, Sonnen es koͤnnen!.. Mit ſcharfem Blicke, Lebbaͤus,
Siehſt du ihn an, mit unabwendbarem Auge des Forſchers.
Ach die Gebehrde des Sterblichen, der ein Himmliſcher iſt, die
Die betracht’ ich, o Thomas, erwarte den Flug, den die Wandlung
Nehmen wird, ſo eilend vielleicht, daß mein Aug’ ihn nicht ſiehet.
Aber der Fremdling redet mit ihnen: Habet ihr Speiſe,
Meine Kinder? Sie hatten die Nacht vergebens gefiſchet,
Hatten keine Speiſe. Da ſagte der Unbekannte:
Werfet das Netz zur Rechte des Schiffs; ſo werdet ihr finden.
Und ſie warfen es aus, und konnten’s nicht ziehn vor der Fiſche
Menge. Mit mehr Erwartungen, richtete jezo Lebbaͤus,
Richtete Thomas den forſchenden Blick auf den Unbekannten.
Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="17">
              <pb facs="#f0128" n="128"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
              <l>Freudegla&#x0364;nzenden Blicke der Zwilling; mit heitrer Gebehrde</l><lb/>
              <l>Selb&#x017F;t Nathanael; &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en die Zebeda&#x0364;iden, Jakobus</l><lb/>
              <l>Mit den Gedanken im Himmel; Johannes an Chri&#x017F;tus auf Erden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Da &#x017F;ie na&#x0364;her heran zu dem Ufer kommen, erblicken</l><lb/>
              <l>Sie den Mittler, allein &#x017F;ie erkennen ihn nicht; doch verehren</l><lb/>
              <l>Sie den ern&#x017F;ten Fremdling, der dort des Morgens, in heitre</l><lb/>
              <l>Ruhe ver&#x017F;enkt, und &#x017F;einer Gedanken &#x017F;ich freut. Von den Pilgern</l><lb/>
              <l>Allen, die Griechenlandes Go&#x0364;tzen, oder die Bilder</l><lb/>
              <l>Jenes Stromes der &#x017F;ieben Mu&#x0364;ndungen lie&#x017F;&#x017F;en, des Pa&#x017F;&#x017F;ah</l><lb/>
              <l>Feyer mit uns zu begehn, und des Tempels P&#x017F;alme zu ho&#x0364;ren,</l><lb/>
              <l>Sah ich keinen &#x017F;o voll von Hoheit der Seele! Jakobus</l><lb/>
              <l>Sagt&#x2019; es, und Didymus &#x017F;prach: O wa&#x0364;r, den wir &#x017F;ehen, der Pilger</l><lb/>
              <l>Einer der Aufer&#x017F;tehung, und jezt mit dem Morgen gekommen,</l><lb/>
              <l>Strahlender uns zu er&#x017F;cheinen, als leuchten Tage der Erde</l><lb/>
              <l>Ko&#x0364;nnen, Sonnen es ko&#x0364;nnen!.. Mit &#x017F;charfem Blicke, Lebba&#x0364;us,</l><lb/>
              <l>Sieh&#x017F;t du ihn an, mit unabwendbarem Auge des For&#x017F;chers.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Ach die Gebehrde des Sterblichen, der ein Himmli&#x017F;cher i&#x017F;t, die</l><lb/>
              <l>Die betracht&#x2019; ich, o Thomas, erwarte den Flug, den die Wandlung</l><lb/>
              <l>Nehmen wird, &#x017F;o eilend vielleicht, daß mein Aug&#x2019; ihn nicht &#x017F;iehet.</l><lb/>
              <l>Aber der Fremdling redet mit ihnen: Habet ihr Spei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Meine Kinder? Sie hatten die Nacht vergebens gefi&#x017F;chet,</l><lb/>
              <l>Hatten keine Spei&#x017F;e. Da &#x017F;agte der Unbekannte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="20">
              <l>Werfet das Netz zur Rechte des Schiffs; &#x017F;o werdet ihr finden.</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie warfen es aus, und konnten&#x2019;s nicht ziehn vor der Fi&#x017F;che</l><lb/>
              <l>Menge. Mit mehr Erwartungen, richtete jezo Lebba&#x0364;us,</l><lb/>
              <l>Richtete Thomas den for&#x017F;chenden Blick auf den Unbekannten.</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0128] Der Meſſias. Freudeglaͤnzenden Blicke der Zwilling; mit heitrer Gebehrde Selbſt Nathanael; ſaſſen die Zebedaͤiden, Jakobus Mit den Gedanken im Himmel; Johannes an Chriſtus auf Erden. Da ſie naͤher heran zu dem Ufer kommen, erblicken Sie den Mittler, allein ſie erkennen ihn nicht; doch verehren Sie den ernſten Fremdling, der dort des Morgens, in heitre Ruhe verſenkt, und ſeiner Gedanken ſich freut. Von den Pilgern Allen, die Griechenlandes Goͤtzen, oder die Bilder Jenes Stromes der ſieben Muͤndungen lieſſen, des Paſſah Feyer mit uns zu begehn, und des Tempels Pſalme zu hoͤren, Sah ich keinen ſo voll von Hoheit der Seele! Jakobus Sagt’ es, und Didymus ſprach: O waͤr, den wir ſehen, der Pilger Einer der Auferſtehung, und jezt mit dem Morgen gekommen, Strahlender uns zu erſcheinen, als leuchten Tage der Erde Koͤnnen, Sonnen es koͤnnen!.. Mit ſcharfem Blicke, Lebbaͤus, Siehſt du ihn an, mit unabwendbarem Auge des Forſchers. Ach die Gebehrde des Sterblichen, der ein Himmliſcher iſt, die Die betracht’ ich, o Thomas, erwarte den Flug, den die Wandlung Nehmen wird, ſo eilend vielleicht, daß mein Aug’ ihn nicht ſiehet. Aber der Fremdling redet mit ihnen: Habet ihr Speiſe, Meine Kinder? Sie hatten die Nacht vergebens gefiſchet, Hatten keine Speiſe. Da ſagte der Unbekannte: Werfet das Netz zur Rechte des Schiffs; ſo werdet ihr finden. Und ſie warfen es aus, und konnten’s nicht ziehn vor der Fiſche Menge. Mit mehr Erwartungen, richtete jezo Lebbaͤus, Richtete Thomas den forſchenden Blick auf den Unbekannten. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/128
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/128>, abgerufen am 05.12.2024.