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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Neunzehnter Gesang.
Und dein Arm sich meiner erbarm, vor dir mich zu tödten!
Mittler! ich sinke betäubt in des Abgrunds furchtbarste Tiefe;
Und mein bebender Geist entflieht der Ewigkeit Schauplatz,
Stürzt sich hinab, und rufet dem Tode, so oft ich es denke,
Daß du mich schufst! und ich es nicht werth war, geschaffen zu werden!
Schau, wo du richtest, herab, und sieh, du Erbarmer, mein Elend!
Laß mich Einmal nur noch den großen Gedanken denken,
Daß du mich schufst! daß auch ich von dem besten der Wesen gemacht ward!
Und dann tilg' auf ewig mich weg vom Antlitz der Schöpfung!
Sey mir, Gedanke, gegrüßt, vor dem nahen Abschied von allen
Die Gott schuf, und dem Unerschafnen der letzte Gedanke!
Da der vollendete Himmel in seinen Kreisen heraufkam,
Und der erste Jubelgesang die Unendlichkeit füllte;
Da mit Einer großen Empfindung, die von dem Schöpfer
All' auf Einmal ergriff, die werdenden Engel sich fühlten;
Da der Einsame sich vor tausendmal tausend enthüllte,
Wie er von Ewigkeit war; und zuerst der höchste Gedanke
Nicht allein von Gott mehr gedacht ward: da schuf mich mein Richter!
Damals kannt' ich kein Elend, kein Schmerz entweihte die Hoheit
Meines Geistes. Vor allen die ich, sie zu lieben, mir auskohr;
War mir der Liebenswürdigste Gott! Mit schattendem Flügel
Deckte mich ewiges Heil! Jn jeder Aussicht sah ich
Seligkeiten um mich! Mir jauchzt' ich in meiner Entzückung,
Daß ich geschaffen war, zu. Jch war, geliebet zu werden
Von dem besten der Wesen! Jch maß mein daurendes Leben
Nach der Ewigkeit ab, und zählte die seligen Tage
Nach der Zahl der Erbarmungen Gottes!.. Nun muß ich vergehen!

Nicht

Neunzehnter Geſang.
Und dein Arm ſich meiner erbarm, vor dir mich zu toͤdten!
Mittler! ich ſinke betaͤubt in des Abgrunds furchtbarſte Tiefe;
Und mein bebender Geiſt entflieht der Ewigkeit Schauplatz,
Stuͤrzt ſich hinab, und rufet dem Tode, ſo oft ich es denke,
Daß du mich ſchufſt! und ich es nicht werth war, geſchaffen zu werden!
Schau, wo du richteſt, herab, und ſieh, du Erbarmer, mein Elend!
Laß mich Einmal nur noch den großen Gedanken denken,
Daß du mich ſchufſt! daß auch ich von dem beſten der Weſen gemacht ward!
Und dann tilg’ auf ewig mich weg vom Antlitz der Schoͤpfung!
Sey mir, Gedanke, gegruͤßt, vor dem nahen Abſchied von allen
Die Gott ſchuf, und dem Unerſchafnen der letzte Gedanke!
Da der vollendete Himmel in ſeinen Kreiſen heraufkam,
Und der erſte Jubelgeſang die Unendlichkeit fuͤllte;
Da mit Einer großen Empfindung, die von dem Schoͤpfer
All’ auf Einmal ergriff, die werdenden Engel ſich fuͤhlten;
Da der Einſame ſich vor tauſendmal tauſend enthuͤllte,
Wie er von Ewigkeit war; und zuerſt der hoͤchſte Gedanke
Nicht allein von Gott mehr gedacht ward: da ſchuf mich mein Richter!
Damals kannt’ ich kein Elend, kein Schmerz entweihte die Hoheit
Meines Geiſtes. Vor allen die ich, ſie zu lieben, mir auskohr;
War mir der Liebenswuͤrdigſte Gott! Mit ſchattendem Fluͤgel
Deckte mich ewiges Heil! Jn jeder Ausſicht ſah ich
Seligkeiten um mich! Mir jauchzt’ ich in meiner Entzuͤckung,
Daß ich geſchaffen war, zu. Jch war, geliebet zu werden
Von dem beſten der Weſen! Jch maß mein daurendes Leben
Nach der Ewigkeit ab, und zaͤhlte die ſeligen Tage
Nach der Zahl der Erbarmungen Gottes!.. Nun muß ich vergehen!

Nicht
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[123/0123] Neunzehnter Geſang. Und dein Arm ſich meiner erbarm, vor dir mich zu toͤdten! Mittler! ich ſinke betaͤubt in des Abgrunds furchtbarſte Tiefe; Und mein bebender Geiſt entflieht der Ewigkeit Schauplatz, Stuͤrzt ſich hinab, und rufet dem Tode, ſo oft ich es denke, Daß du mich ſchufſt! und ich es nicht werth war, geſchaffen zu werden! Schau, wo du richteſt, herab, und ſieh, du Erbarmer, mein Elend! Laß mich Einmal nur noch den großen Gedanken denken, Daß du mich ſchufſt! daß auch ich von dem beſten der Weſen gemacht ward! Und dann tilg’ auf ewig mich weg vom Antlitz der Schoͤpfung! Sey mir, Gedanke, gegruͤßt, vor dem nahen Abſchied von allen Die Gott ſchuf, und dem Unerſchafnen der letzte Gedanke! Da der vollendete Himmel in ſeinen Kreiſen heraufkam, Und der erſte Jubelgeſang die Unendlichkeit fuͤllte; Da mit Einer großen Empfindung, die von dem Schoͤpfer All’ auf Einmal ergriff, die werdenden Engel ſich fuͤhlten; Da der Einſame ſich vor tauſendmal tauſend enthuͤllte, Wie er von Ewigkeit war; und zuerſt der hoͤchſte Gedanke Nicht allein von Gott mehr gedacht ward: da ſchuf mich mein Richter! Damals kannt’ ich kein Elend, kein Schmerz entweihte die Hoheit Meines Geiſtes. Vor allen die ich, ſie zu lieben, mir auskohr; War mir der Liebenswuͤrdigſte Gott! Mit ſchattendem Fluͤgel Deckte mich ewiges Heil! Jn jeder Ausſicht ſah ich Seligkeiten um mich! Mir jauchzt’ ich in meiner Entzuͤckung, Daß ich geſchaffen war, zu. Jch war, geliebet zu werden Von dem beſten der Weſen! Jch maß mein daurendes Leben Nach der Ewigkeit ab, und zaͤhlte die ſeligen Tage Nach der Zahl der Erbarmungen Gottes!.. Nun muß ich vergehen! Nicht

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/123>, abgerufen am 05.12.2024.