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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Achtzehnter Gesang.
Kamen, und fliehend verschwanden. Nun hört' ich Donner, nun
Harfen,
Nun die Stimme der Rufer am Thron; doch der Stimme Gedanken
Kont' ich nicht fassen: denn einzelne Halle nur hört' ich vernehmlich,
Und die andern versanken im rauschenden Strome der Donner.
Jmmer noch neue Gestalten, nie ganz enthüllet, Entstehung
Stets noch, und Untergang! Mir entflog bald schnelleres Fluges,
Bald entschlich mir säumend die Zeit. Es dauchte mir Jahre,
Was mir also verschwand. Ein Auftritt ward mir enthüllet:

Leidende sah ich belohnt! der großen, unschuldigen, edlen
Leidenden waren's, die Last auf Last das Elend ertrugen,
Ganze Leben durch erduldeten, göttliche Männer!
Kronen aus Urlicht kröneten sie, sie geleiteten Engel.
Endlich waren vor mir die bewölkten Erscheinungen alle
Weggesunken, und sieh, ich sahe wieder Gesichte.
Ach auf Einmal erhub sich vor mir des ewigen Todes
Fürchterlichste Gestalt. So hat kein Gedanke den Umkreis
Eines unsterblichen Geistes, und jede geheimere Tiefe
Seiner Empfindung erschüttert, als dieses Grauen mein Herz traf!
Denn die entehrtesten aller Gefallnen, der kriechenden Menschheit
Erste Schande, die tiefsten des Staubs (Gott schwur ihm in Zorne,
Daß er Staub sey!) die bösen Könige kamen, das Urtheil
Jhres Todes zu hören. Sie riefen nicht Donner vom Throne
Jn das Gericht, nicht Hall der Posaune! Röchelndes Jammern,
Wie von dem Schlachtfeld her, noch sterbendes Seufzen der Sünder,
Die sie, ins Elend hinunter gestürzt, zu sündigen zwangen!
Rief sie mit tausendmaltausend Stimmen, vor Gott zu erscheinen!
Und

Achtzehnter Geſang.
Kamen, und fliehend verſchwanden. Nun hoͤrt’ ich Donner, nun
Harfen,
Nun die Stimme der Rufer am Thron; doch der Stimme Gedanken
Kont’ ich nicht faſſen: denn einzelne Halle nur hoͤrt’ ich vernehmlich,
Und die andern verſanken im rauſchenden Strome der Donner.
Jmmer noch neue Geſtalten, nie ganz enthuͤllet, Entſtehung
Stets noch, und Untergang! Mir entflog bald ſchnelleres Fluges,
Bald entſchlich mir ſaͤumend die Zeit. Es dauchte mir Jahre,
Was mir alſo verſchwand. Ein Auftritt ward mir enthuͤllet:

Leidende ſah ich belohnt! der großen, unſchuldigen, edlen
Leidenden waren’s, die Laſt auf Laſt das Elend ertrugen,
Ganze Leben durch erduldeten, goͤttliche Maͤnner!
Kronen aus Urlicht kroͤneten ſie, ſie geleiteten Engel.
Endlich waren vor mir die bewoͤlkten Erſcheinungen alle
Weggeſunken, und ſieh, ich ſahe wieder Geſichte.
Ach auf Einmal erhub ſich vor mir des ewigen Todes
Fuͤrchterlichſte Geſtalt. So hat kein Gedanke den Umkreis
Eines unſterblichen Geiſtes, und jede geheimere Tiefe
Seiner Empfindung erſchuͤttert, als dieſes Grauen mein Herz traf!
Denn die entehrteſten aller Gefallnen, der kriechenden Menſchheit
Erſte Schande, die tiefſten des Staubs (Gott ſchwur ihm in Zorne,
Daß er Staub ſey!) die boͤſen Koͤnige kamen, das Urtheil
Jhres Todes zu hoͤren. Sie riefen nicht Donner vom Throne
Jn das Gericht, nicht Hall der Poſaune! Roͤchelndes Jammern,
Wie von dem Schlachtfeld her, noch ſterbendes Seufzen der Suͤnder,
Die ſie, ins Elend hinunter geſtuͤrzt, zu ſuͤndigen zwangen!
Rief ſie mit tauſendmaltauſend Stimmen, vor Gott zu erſcheinen!
Und
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[109/0109] Achtzehnter Geſang. Kamen, und fliehend verſchwanden. Nun hoͤrt’ ich Donner, nun Harfen, Nun die Stimme der Rufer am Thron; doch der Stimme Gedanken Kont’ ich nicht faſſen: denn einzelne Halle nur hoͤrt’ ich vernehmlich, Und die andern verſanken im rauſchenden Strome der Donner. Jmmer noch neue Geſtalten, nie ganz enthuͤllet, Entſtehung Stets noch, und Untergang! Mir entflog bald ſchnelleres Fluges, Bald entſchlich mir ſaͤumend die Zeit. Es dauchte mir Jahre, Was mir alſo verſchwand. Ein Auftritt ward mir enthuͤllet: Leidende ſah ich belohnt! der großen, unſchuldigen, edlen Leidenden waren’s, die Laſt auf Laſt das Elend ertrugen, Ganze Leben durch erduldeten, goͤttliche Maͤnner! Kronen aus Urlicht kroͤneten ſie, ſie geleiteten Engel. Endlich waren vor mir die bewoͤlkten Erſcheinungen alle Weggeſunken, und ſieh, ich ſahe wieder Geſichte. Ach auf Einmal erhub ſich vor mir des ewigen Todes Fuͤrchterlichſte Geſtalt. So hat kein Gedanke den Umkreis Eines unſterblichen Geiſtes, und jede geheimere Tiefe Seiner Empfindung erſchuͤttert, als dieſes Grauen mein Herz traf! Denn die entehrteſten aller Gefallnen, der kriechenden Menſchheit Erſte Schande, die tiefſten des Staubs (Gott ſchwur ihm in Zorne, Daß er Staub ſey!) die boͤſen Koͤnige kamen, das Urtheil Jhres Todes zu hoͤren. Sie riefen nicht Donner vom Throne Jn das Gericht, nicht Hall der Poſaune! Roͤchelndes Jammern, Wie von dem Schlachtfeld her, noch ſterbendes Seufzen der Suͤnder, Die ſie, ins Elend hinunter geſtuͤrzt, zu ſuͤndigen zwangen! Rief ſie mit tauſendmaltauſend Stimmen, vor Gott zu erſcheinen! Und

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/109>, abgerufen am 24.11.2024.