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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Achtzehnter Gesang.
Eurer glühenden Götzen, den jauchzenden Schall der Drommete,
Der das geheime Geschrey des Gefühls vergebens betäubte!
Siehe dem Hörenden wurd' es lauter, je mehr es die Mütter
Bleich im brechenden Herzen erstickten, unmenschlich gezwungen,
Ohne die Gnade des deckenden Schleyers in Blute zu stehen,
Und dem Tode der Knaben zu lächeln! Nun fodert ers wieder
Jhr hinströmendes Blut, nun werden die Sünden gerochen,
Welch' ihr mit euren Göttern erfandet, und jeder verlorne,
Bessere That, die sie hätten gethan, wenn ihr sie zum Unsinn
Nicht verführet, und unter sich selbst erniedriget hättet!

Als er redete, ward zusehends sein Angesicht heller;
Und es sahn's die Todten in seiner Herrlichkeit stralen,
Ohne Hülle. Nach ihm erhub sich Henoch, und siehe
Eine Morgenröthe mit ihm. Der Göttliche sagte:
Als ich das kleine Leben noch lebte, da noch die Stunde
Meiner neuen Herrlichkeit säumte, da saß ich oft einsam
Unter der Ceder im Haine; dann rauschten wallende Lüfte
Jn der Ceder ihr Leben; es fühlten sich alle Naturen
Um mich herum, ich aber empfand die unsterbliche Seele!
Damals, o da schon ergriff mich in Stunden, welch' ich noch segne,
Oft mit so unaussprechlicher Neuheit und Wonne der beste
Aller Gedanken, der große Gedanke, vom Ersten der Wesen,
Daß die Seele zur tiefsten Bewundrung vor seinem Anschaun
Schauernd hinunter sank; so neu, so niemals empfunden
War sein Gefühl mir; ich rief, der zitternde Mund nicht, der starrte!
Jede Stimme war todt! kaum hauchte der Athem! das Leben
Stuzt', hielt inne! die Zeit stand still! doch laut aus der Tiefe,
Laut

Achtzehnter Geſang.
Eurer gluͤhenden Goͤtzen, den jauchzenden Schall der Drommete,
Der das geheime Geſchrey des Gefuͤhls vergebens betaͤubte!
Siehe dem Hoͤrenden wurd’ es lauter, je mehr es die Muͤtter
Bleich im brechenden Herzen erſtickten, unmenſchlich gezwungen,
Ohne die Gnade des deckenden Schleyers in Blute zu ſtehen,
Und dem Tode der Knaben zu laͤcheln! Nun fodert ers wieder
Jhr hinſtroͤmendes Blut, nun werden die Suͤnden gerochen,
Welch’ ihr mit euren Goͤttern erfandet, und jeder verlorne,
Beſſere That, die ſie haͤtten gethan, wenn ihr ſie zum Unſinn
Nicht verfuͤhret, und unter ſich ſelbſt erniedriget haͤttet!

Als er redete, ward zuſehends ſein Angeſicht heller;
Und es ſahn’s die Todten in ſeiner Herrlichkeit ſtralen,
Ohne Huͤlle. Nach ihm erhub ſich Henoch, und ſiehe
Eine Morgenroͤthe mit ihm. Der Goͤttliche ſagte:
Als ich das kleine Leben noch lebte, da noch die Stunde
Meiner neuen Herrlichkeit ſaͤumte, da ſaß ich oft einſam
Unter der Ceder im Haine; dann rauſchten wallende Luͤfte
Jn der Ceder ihr Leben; es fuͤhlten ſich alle Naturen
Um mich herum, ich aber empfand die unſterbliche Seele!
Damals, o da ſchon ergriff mich in Stunden, welch’ ich noch ſegne,
Oft mit ſo unausſprechlicher Neuheit und Wonne der beſte
Aller Gedanken, der große Gedanke, vom Erſten der Weſen,
Daß die Seele zur tiefſten Bewundrung vor ſeinem Anſchaun
Schauernd hinunter ſank; ſo neu, ſo niemals empfunden
War ſein Gefuͤhl mir; ich rief, der zitternde Mund nicht, der ſtarrte!
Jede Stimme war todt! kaum hauchte der Athem! das Leben
Stuzt’, hielt inne! die Zeit ſtand ſtill! doch laut aus der Tiefe,
Laut
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[107/0107] Achtzehnter Geſang. Eurer gluͤhenden Goͤtzen, den jauchzenden Schall der Drommete, Der das geheime Geſchrey des Gefuͤhls vergebens betaͤubte! Siehe dem Hoͤrenden wurd’ es lauter, je mehr es die Muͤtter Bleich im brechenden Herzen erſtickten, unmenſchlich gezwungen, Ohne die Gnade des deckenden Schleyers in Blute zu ſtehen, Und dem Tode der Knaben zu laͤcheln! Nun fodert ers wieder Jhr hinſtroͤmendes Blut, nun werden die Suͤnden gerochen, Welch’ ihr mit euren Goͤttern erfandet, und jeder verlorne, Beſſere That, die ſie haͤtten gethan, wenn ihr ſie zum Unſinn Nicht verfuͤhret, und unter ſich ſelbſt erniedriget haͤttet! Als er redete, ward zuſehends ſein Angeſicht heller; Und es ſahn’s die Todten in ſeiner Herrlichkeit ſtralen, Ohne Huͤlle. Nach ihm erhub ſich Henoch, und ſiehe Eine Morgenroͤthe mit ihm. Der Goͤttliche ſagte: Als ich das kleine Leben noch lebte, da noch die Stunde Meiner neuen Herrlichkeit ſaͤumte, da ſaß ich oft einſam Unter der Ceder im Haine; dann rauſchten wallende Luͤfte Jn der Ceder ihr Leben; es fuͤhlten ſich alle Naturen Um mich herum, ich aber empfand die unſterbliche Seele! Damals, o da ſchon ergriff mich in Stunden, welch’ ich noch ſegne, Oft mit ſo unausſprechlicher Neuheit und Wonne der beſte Aller Gedanken, der große Gedanke, vom Erſten der Weſen, Daß die Seele zur tiefſten Bewundrung vor ſeinem Anſchaun Schauernd hinunter ſank; ſo neu, ſo niemals empfunden War ſein Gefuͤhl mir; ich rief, der zitternde Mund nicht, der ſtarrte! Jede Stimme war todt! kaum hauchte der Athem! das Leben Stuzt’, hielt inne! die Zeit ſtand ſtill! doch laut aus der Tiefe, Laut

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/107>, abgerufen am 24.11.2024.