[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Elfter Gesang. Simeon, ach den weis er noch nicht. Sie haben dem Greise,Daß er lebe, die schreckenvolle Geschichte verborgen. Siehe so stirbt er, o Seraph, so bald er sie hört. Doch ich sagte Ja auch ihm, es würde dieß Schwert durch die Seele der Mutter Gehen! .. Jndem sie so redeten, setzte sich Simeons Bruder Mit dem Knaben ans Grab. Die aschebedeckten Gebeine Simeons sonderte jetzt der Engel vom Staube der Erde Zu der Unsterblichkeit ab. Sie rauschten, und regten sich, sichtbar Nur für Engel, nur hörbar für euch, die fern in den Himmeln Preise der Sterne vernehmen. Jndem sein Schimmer, des neuen Werdenden Leibes Verklärung, auf diesen wallend herabsank, Daucht es der hohen Seele, daß ihre Gedanken sich ferne, Wie auf Flügeln entzückender Harmonieen getragen, Jmmer ferner verlören. Doch kamen sie eilend zurücke, Da der unsterbliche Leib der neuen Schöpfung vollendet, Und die Seele des Todten mit jeder innigen Freude Seiner Auferstehung erfüllt war. Ein Pilger des Festes Lief im Wege daher, und eilte nach Bethlehems Hütten. Warum eilest du so, du Pilger? ... Sollt' ich nicht eilen, Und die bange Geschichte des Todes den Meinen erzählen? Welches Todes? so rief der Bruder des Auferstandnen. Bist du der einige, der nicht wisse, daß unsre Beherrscher Jesus, den göttlichen Mann, am Kreuze tödteten? ... Sprachlos Sank der Alte zurück. Nach langem Mühen brachten Endlich der Pilger und Boa den Leidenden über den Kidron Weg von den Gräbern. Er flehte zurückgeleitet zu werden; Aber umsonst, sie leiteten ihn zu Jerusalems Thoren. Wollen
Elfter Geſang. Simeon, ach den weis er noch nicht. Sie haben dem Greiſe,Daß er lebe, die ſchreckenvolle Geſchichte verborgen. Siehe ſo ſtirbt er, o Seraph, ſo bald er ſie hoͤrt. Doch ich ſagte Ja auch ihm, es wuͤrde dieß Schwert durch die Seele der Mutter Gehen! .. Jndem ſie ſo redeten, ſetzte ſich Simeons Bruder Mit dem Knaben ans Grab. Die aſchebedeckten Gebeine Simeons ſonderte jetzt der Engel vom Staube der Erde Zu der Unſterblichkeit ab. Sie rauſchten, und regten ſich, ſichtbar Nur fuͤr Engel, nur hoͤrbar fuͤr euch, die fern in den Himmeln Preiſe der Sterne vernehmen. Jndem ſein Schimmer, des neuen Werdenden Leibes Verklaͤrung, auf dieſen wallend herabſank, Daucht es der hohen Seele, daß ihre Gedanken ſich ferne, Wie auf Fluͤgeln entzuͤckender Harmonieen getragen, Jmmer ferner verloͤren. Doch kamen ſie eilend zuruͤcke, Da der unſterbliche Leib der neuen Schoͤpfung vollendet, Und die Seele des Todten mit jeder innigen Freude Seiner Auferſtehung erfuͤllt war. Ein Pilger des Feſtes Lief im Wege daher, und eilte nach Bethlehems Huͤtten. Warum eileſt du ſo, du Pilger? … Sollt’ ich nicht eilen, Und die bange Geſchichte des Todes den Meinen erzaͤhlen? Welches Todes? ſo rief der Bruder des Auferſtandnen. Biſt du der einige, der nicht wiſſe, daß unſre Beherrſcher Jeſus, den goͤttlichen Mann, am Kreuze toͤdteten? … Sprachlos Sank der Alte zuruͤck. Nach langem Muͤhen brachten Endlich der Pilger und Boa den Leidenden uͤber den Kidron Weg von den Graͤbern. Er flehte zuruͤckgeleitet zu werden; Aber umſonſt, ſie leiteten ihn zu Jeruſalems Thoren. Wollen
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Elfter Geſang.
Simeon, ach den weis er noch nicht. Sie haben dem Greiſe,
Daß er lebe, die ſchreckenvolle Geſchichte verborgen.
Siehe ſo ſtirbt er, o Seraph, ſo bald er ſie hoͤrt. Doch ich ſagte
Ja auch ihm, es wuͤrde dieß Schwert durch die Seele der Mutter
Gehen! .. Jndem ſie ſo redeten, ſetzte ſich Simeons Bruder
Mit dem Knaben ans Grab. Die aſchebedeckten Gebeine
Simeons ſonderte jetzt der Engel vom Staube der Erde
Zu der Unſterblichkeit ab. Sie rauſchten, und regten ſich, ſichtbar
Nur fuͤr Engel, nur hoͤrbar fuͤr euch, die fern in den Himmeln
Preiſe der Sterne vernehmen. Jndem ſein Schimmer, des neuen
Werdenden Leibes Verklaͤrung, auf dieſen wallend herabſank,
Daucht es der hohen Seele, daß ihre Gedanken ſich ferne,
Wie auf Fluͤgeln entzuͤckender Harmonieen getragen,
Jmmer ferner verloͤren. Doch kamen ſie eilend zuruͤcke,
Da der unſterbliche Leib der neuen Schoͤpfung vollendet,
Und die Seele des Todten mit jeder innigen Freude
Seiner Auferſtehung erfuͤllt war. Ein Pilger des Feſtes
Lief im Wege daher, und eilte nach Bethlehems Huͤtten.
Warum eileſt du ſo, du Pilger? … Sollt’ ich nicht eilen,
Und die bange Geſchichte des Todes den Meinen erzaͤhlen?
Welches Todes? ſo rief der Bruder des Auferſtandnen.
Biſt du der einige, der nicht wiſſe, daß unſre Beherrſcher
Jeſus, den goͤttlichen Mann, am Kreuze toͤdteten? … Sprachlos
Sank der Alte zuruͤck. Nach langem Muͤhen brachten
Endlich der Pilger und Boa den Leidenden uͤber den Kidron
Weg von den Graͤbern. Er flehte zuruͤckgeleitet zu werden;
Aber umſonſt, ſie leiteten ihn zu Jeruſalems Thoren.
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