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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Der Messias.
Jn das dunkle Thal uns führet. Jhn tröstete kindlich
Boa, der Knabe, des Gleitenden Stab. O trockne dein Auge
Endlich wieder, du redlicher Vater, und weine nicht immer.

Lang schon sah mein Auge nicht mehr; so laß es denn das thun,
Was es allein noch vermag. Jch werde den säumenden Tod doch
Endlich erweinen, und nieder aus dieser Nacht des Lebens,
Jn die bessere Nacht, mich neigen. Doch sage mir, Boa:
Sind wir von dem Gebein des heiligen Alten noch ferne?
Nein, nicht ferne, mein Vater .. Jst schon mit Moose der Grabstein
Wie mit ihrem Epheu die öde Trümmer, bewachsen?
Zeuget schon der gesunkene Stein von des frommen Entschlafnen
Langen Ruh? Ha blühender Knabe, mein starrendes Herz fliegt
Freudig empor, wenn ich, ihr alternden Gräber, wie rührend,
Wie ehrwürdig ihr seyd, mir denke. Mein Simeon legte
Sich in sein Grab so lange nun schon! Zwar lang' ist mein Grab auch
Jn den Felsen gehaun; doch stets noch fehlt ihm der Todte!
Also sagt' er, und stand, und lehnt' in der bitteren Wehmuth
Sich auf Boa. Mein Sohn, für den die Sonne nicht auslosch,
Dessen Auge der Sommernacht sanftschimmerndes Licht sieht,
Jst der Himmel heiter? Mir wehte liebliche Kühle,
Und erfrischte den Müden ... Die Luft ist heiter, mein Vater,
Und verschönt den sprossenden Frühling im weiten Gefilde.
Wär er auch in Wolken gehüllt, und dunkel von Wettern,
Boa, mein Sohn; soll doch der Tag, an welchem ich sterbe,
Mir wie ein Tag des Frühlinges seyn! .. Er dürstet zu sterben
Sagte Simeons Seele zu ihrem Begleiter, dem Engel,
Weil er den trüben Gedanken von Jesus Tode nicht aushält.
Simeon,

Der Meſſias.
Jn das dunkle Thal uns fuͤhret. Jhn troͤſtete kindlich
Boa, der Knabe, des Gleitenden Stab. O trockne dein Auge
Endlich wieder, du redlicher Vater, und weine nicht immer.

Lang ſchon ſah mein Auge nicht mehr; ſo laß es denn das thun,
Was es allein noch vermag. Jch werde den ſaͤumenden Tod doch
Endlich erweinen, und nieder aus dieſer Nacht des Lebens,
Jn die beſſere Nacht, mich neigen. Doch ſage mir, Boa:
Sind wir von dem Gebein des heiligen Alten noch ferne?
Nein, nicht ferne, mein Vater .. Jſt ſchon mit Mooſe der Grabſtein
Wie mit ihrem Epheu die oͤde Truͤmmer, bewachſen?
Zeuget ſchon der geſunkene Stein von des frommen Entſchlafnen
Langen Ruh? Ha bluͤhender Knabe, mein ſtarrendes Herz fliegt
Freudig empor, wenn ich, ihr alternden Graͤber, wie ruͤhrend,
Wie ehrwuͤrdig ihr ſeyd, mir denke. Mein Simeon legte
Sich in ſein Grab ſo lange nun ſchon! Zwar lang’ iſt mein Grab auch
Jn den Felſen gehaun; doch ſtets noch fehlt ihm der Todte!
Alſo ſagt’ er, und ſtand, und lehnt’ in der bitteren Wehmuth
Sich auf Boa. Mein Sohn, fuͤr den die Sonne nicht ausloſch,
Deſſen Auge der Sommernacht ſanftſchimmerndes Licht ſieht,
Jſt der Himmel heiter? Mir wehte liebliche Kuͤhle,
Und erfriſchte den Muͤden … Die Luft iſt heiter, mein Vater,
Und verſchoͤnt den ſproſſenden Fruͤhling im weiten Gefilde.
Waͤr er auch in Wolken gehuͤllt, und dunkel von Wettern,
Boa, mein Sohn; ſoll doch der Tag, an welchem ich ſterbe,
Mir wie ein Tag des Fruͤhlinges ſeyn! .. Er duͤrſtet zu ſterben
Sagte Simeons Seele zu ihrem Begleiter, dem Engel,
Weil er den truͤben Gedanken von Jeſus Tode nicht aushaͤlt.
Simeon,
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[58/0074] Der Meſſias. Jn das dunkle Thal uns fuͤhret. Jhn troͤſtete kindlich Boa, der Knabe, des Gleitenden Stab. O trockne dein Auge Endlich wieder, du redlicher Vater, und weine nicht immer. Lang ſchon ſah mein Auge nicht mehr; ſo laß es denn das thun, Was es allein noch vermag. Jch werde den ſaͤumenden Tod doch Endlich erweinen, und nieder aus dieſer Nacht des Lebens, Jn die beſſere Nacht, mich neigen. Doch ſage mir, Boa: Sind wir von dem Gebein des heiligen Alten noch ferne? Nein, nicht ferne, mein Vater .. Jſt ſchon mit Mooſe der Grabſtein Wie mit ihrem Epheu die oͤde Truͤmmer, bewachſen? Zeuget ſchon der geſunkene Stein von des frommen Entſchlafnen Langen Ruh? Ha bluͤhender Knabe, mein ſtarrendes Herz fliegt Freudig empor, wenn ich, ihr alternden Graͤber, wie ruͤhrend, Wie ehrwuͤrdig ihr ſeyd, mir denke. Mein Simeon legte Sich in ſein Grab ſo lange nun ſchon! Zwar lang’ iſt mein Grab auch Jn den Felſen gehaun; doch ſtets noch fehlt ihm der Todte! Alſo ſagt’ er, und ſtand, und lehnt’ in der bitteren Wehmuth Sich auf Boa. Mein Sohn, fuͤr den die Sonne nicht ausloſch, Deſſen Auge der Sommernacht ſanftſchimmerndes Licht ſieht, Jſt der Himmel heiter? Mir wehte liebliche Kuͤhle, Und erfriſchte den Muͤden … Die Luft iſt heiter, mein Vater, Und verſchoͤnt den ſproſſenden Fruͤhling im weiten Gefilde. Waͤr er auch in Wolken gehuͤllt, und dunkel von Wettern, Boa, mein Sohn; ſoll doch der Tag, an welchem ich ſterbe, Mir wie ein Tag des Fruͤhlinges ſeyn! .. Er duͤrſtet zu ſterben Sagte Simeons Seele zu ihrem Begleiter, dem Engel, Weil er den truͤben Gedanken von Jeſus Tode nicht aushaͤlt. Simeon,

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/74>, abgerufen am 22.11.2024.