[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Purpurstrahlend hervor, er allein ein Morgen des Frühlings.Einst, da weiß zu werden des Sehers Gebeine begannen, Trugen sie einen Todten hinaus, und legten ihn nieder Jn sein Grab, ein jugendlich Weib, die Wonne des Mannes, Welchem sie einen Sohn der Schmerzen entschlummernd geboren. Lange hatten sie sich geliebt, und besaßen sich endlich; Doch sie starb! Er weint' ihr nicht nach. Jn stummer Betäubung Ging er voran in dem Todtengefolge. Der Klagenden Eine Trug der Gebährerinn Tod, den Knaben, der, schön wie der Rosen Frühe Knospe, zu blühen begann. Jetzt legten die Träger Auf Elisa Gebein die Mutter des lächelnden Knabens. Schleunig entstand ein Rufen des Freudenschreckens, und bleicher Ward auf Einmal der Weinenden Antlitz, und schneller ihr Athem! Denn die Mutter erhub sich, sprang hin, und riß aus den Armen Jener Fremden ihr Kind, und bracht' es bebend dem Vater. Und sie, deren Wange, da sie ins Leben zurückkam, Glühete, ward jetzt auch vor Entzückungen bleich. Jhr Geliebter, Der Erscheinungen sah, und in den Armen des Schattens Seines Kindes Gestalt, betrachtete lächelnd die beyden, Mehr glückselig als je! Jch folg', ihr winket, ich folge! Aber da sie nun wirklich es war, die Zeugen es riefen, Und sie selber es rief, wards um sein Angesicht dunkel! Und sie reichte das Kind den Weibern, und führt' ihn zur Hütte Wie, so freuet' er sich, ihn Dämmrung des Todes umschwebte. Und an dem Grabe Debora bewegten auf Einmal die Palmen Jhre Wipfel, und schnell stand unter den rauschenden Palmen Auferweckt die Prophetinn, und pries des Lebens Erschaffer! Mirjam
Der Meſſias. Purpurſtrahlend hervor, er allein ein Morgen des Fruͤhlings.Einſt, da weiß zu werden des Sehers Gebeine begannen, Trugen ſie einen Todten hinaus, und legten ihn nieder Jn ſein Grab, ein jugendlich Weib, die Wonne des Mannes, Welchem ſie einen Sohn der Schmerzen entſchlummernd geboren. Lange hatten ſie ſich geliebt, und beſaßen ſich endlich; Doch ſie ſtarb! Er weint’ ihr nicht nach. Jn ſtummer Betaͤubung Ging er voran in dem Todtengefolge. Der Klagenden Eine Trug der Gebaͤhrerinn Tod, den Knaben, der, ſchoͤn wie der Roſen Fruͤhe Knoſpe, zu bluͤhen begann. Jetzt legten die Traͤger Auf Eliſa Gebein die Mutter des laͤchelnden Knabens. Schleunig entſtand ein Rufen des Freudenſchreckens, und bleicher Ward auf Einmal der Weinenden Antlitz, und ſchneller ihr Athem! Denn die Mutter erhub ſich, ſprang hin, und riß aus den Armen Jener Fremden ihr Kind, und bracht’ es bebend dem Vater. Und ſie, deren Wange, da ſie ins Leben zuruͤckkam, Gluͤhete, ward jetzt auch vor Entzuͤckungen bleich. Jhr Geliebter, Der Erſcheinungen ſah, und in den Armen des Schattens Seines Kindes Geſtalt, betrachtete laͤchelnd die beyden, Mehr gluͤckſelig als je! Jch folg’, ihr winket, ich folge! Aber da ſie nun wirklich es war, die Zeugen es riefen, Und ſie ſelber es rief, wards um ſein Angeſicht dunkel! Und ſie reichte das Kind den Weibern, und fuͤhrt’ ihn zur Huͤtte Wie, ſo freuet’ er ſich, ihn Daͤmmrung des Todes umſchwebte. Und an dem Grabe Debora bewegten auf Einmal die Palmen Jhre Wipfel, und ſchnell ſtand unter den rauſchenden Palmen Auferweckt die Prophetinn, und pries des Lebens Erſchaffer! Mirjam
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Der Meſſias.
Purpurſtrahlend hervor, er allein ein Morgen des Fruͤhlings.
Einſt, da weiß zu werden des Sehers Gebeine begannen,
Trugen ſie einen Todten hinaus, und legten ihn nieder
Jn ſein Grab, ein jugendlich Weib, die Wonne des Mannes,
Welchem ſie einen Sohn der Schmerzen entſchlummernd geboren.
Lange hatten ſie ſich geliebt, und beſaßen ſich endlich;
Doch ſie ſtarb! Er weint’ ihr nicht nach. Jn ſtummer Betaͤubung
Ging er voran in dem Todtengefolge. Der Klagenden Eine
Trug der Gebaͤhrerinn Tod, den Knaben, der, ſchoͤn wie der Roſen
Fruͤhe Knoſpe, zu bluͤhen begann. Jetzt legten die Traͤger
Auf Eliſa Gebein die Mutter des laͤchelnden Knabens.
Schleunig entſtand ein Rufen des Freudenſchreckens, und bleicher
Ward auf Einmal der Weinenden Antlitz, und ſchneller ihr Athem!
Denn die Mutter erhub ſich, ſprang hin, und riß aus den Armen
Jener Fremden ihr Kind, und bracht’ es bebend dem Vater.
Und ſie, deren Wange, da ſie ins Leben zuruͤckkam,
Gluͤhete, ward jetzt auch vor Entzuͤckungen bleich. Jhr Geliebter,
Der Erſcheinungen ſah, und in den Armen des Schattens
Seines Kindes Geſtalt, betrachtete laͤchelnd die beyden,
Mehr gluͤckſelig als je! Jch folg’, ihr winket, ich folge!
Aber da ſie nun wirklich es war, die Zeugen es riefen,
Und ſie ſelber es rief, wards um ſein Angeſicht dunkel!
Und ſie reichte das Kind den Weibern, und fuͤhrt’ ihn zur Huͤtte
Wie, ſo freuet’ er ſich, ihn Daͤmmrung des Todes umſchwebte.
Und an dem Grabe Debora bewegten auf Einmal die Palmen
Jhre Wipfel, und ſchnell ſtand unter den rauſchenden Palmen
Auferweckt die Prophetinn, und pries des Lebens Erſchaffer!
Mirjam
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