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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Elfter Gesang.
Mir zurückriefst, als du dadurch die Freuden des Himmels
Mir vermehrtest, so sehr vermehrtest, daß ich dem Geber
Jener Seligkeit wieder mit neuem Danke, mit stärkerm,
Als ich auf Erden zu bringen vermocht, anbetete. ... Danken
Will ich, Joseph, von dir auch lernen, aber o sage:
Warum ist es ein Grab, wo du weilst? ... Unsterblicher, weis er
Schon des Göttlichen Tod? ... Der Seraph wollte jetzt reden,
Aber schnell rief Samed: Jch weis, ich weis des Versöhners
Tod! ... So weist du denn auch, daß uns von ihm ein Befehl ward,
Uns, die das Kreuz umgaben, hinab zu den Gräbern zu wallen.
Zeugen seiner Erduldungen waren wir, bis ihm sein Haupt sank,
Und er starb. ... Dieß wußt ich noch nicht. Von dem Todten zu sprechen
Bin ich noch nicht selig genung. So bald ich so hoch mich
Heb', und nicht mehr verstummen muß; ists Joseph, mit dem ich
Von dem Göttlichen rede. Jetzt, Benjamins Bruder, und meiner,
Sage mir, wessen Gebein deckt dieses Grab? ... Das meine,
Samed. ... Sollte denn jeder zu seinem Grabe sich wenden?
Oder hast du deins nur gewählt? ... Des Engels Botschaft
War: Wir sollten uns jeder zu seinem Grabe sich wenden.

Was ist dieses, mein Hüter, und Joseph, ihr Engel Gottes?
Und der niemals Sterbliche lächelt, und Joseph erwiedert:
Dieses vielleicht: Wir sollen uns mit dem todten Messias
Bis zu dem Grab' erniedrigen; und, wovon er uns frey macht,
Unter Gebeinen mit stillen Betrachtungen überdenken.
Denn, daß er starb, und aufersteht, das freyt uns vom Tode,
Das erweckt uns dereinst am letzten Tage der Erde.
Hier
B 3

Elfter Geſang.
Mir zuruͤckriefſt, als du dadurch die Freuden des Himmels
Mir vermehrteſt, ſo ſehr vermehrteſt, daß ich dem Geber
Jener Seligkeit wieder mit neuem Danke, mit ſtaͤrkerm,
Als ich auf Erden zu bringen vermocht, anbetete. … Danken
Will ich, Joſeph, von dir auch lernen, aber o ſage:
Warum iſt es ein Grab, wo du weilſt? … Unſterblicher, weis er
Schon des Goͤttlichen Tod? … Der Seraph wollte jetzt reden,
Aber ſchnell rief Samed: Jch weis, ich weis des Verſoͤhners
Tod! … So weiſt du denn auch, daß uns von ihm ein Befehl ward,
Uns, die das Kreuz umgaben, hinab zu den Graͤbern zu wallen.
Zeugen ſeiner Erduldungen waren wir, bis ihm ſein Haupt ſank,
Und er ſtarb. … Dieß wußt ich noch nicht. Von dem Todten zu ſprechen
Bin ich noch nicht ſelig genung. So bald ich ſo hoch mich
Heb’, und nicht mehr verſtummen muß; iſts Joſeph, mit dem ich
Von dem Goͤttlichen rede. Jetzt, Benjamins Bruder, und meiner,
Sage mir, weſſen Gebein deckt dieſes Grab? … Das meine,
Samed. … Sollte denn jeder zu ſeinem Grabe ſich wenden?
Oder haſt du deins nur gewaͤhlt? … Des Engels Botſchaft
War: Wir ſollten uns jeder zu ſeinem Grabe ſich wenden.

Was iſt dieſes, mein Huͤter, und Joſeph, ihr Engel Gottes?
Und der niemals Sterbliche laͤchelt, und Joſeph erwiedert:
Dieſes vielleicht: Wir ſollen uns mit dem todten Meſſias
Bis zu dem Grab’ erniedrigen; und, wovon er uns frey macht,
Unter Gebeinen mit ſtillen Betrachtungen uͤberdenken.
Denn, daß er ſtarb, und auferſteht, das freyt uns vom Tode,
Das erweckt uns dereinſt am letzten Tage der Erde.
Hier
B 3
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[21/0037] Elfter Geſang. Mir zuruͤckriefſt, als du dadurch die Freuden des Himmels Mir vermehrteſt, ſo ſehr vermehrteſt, daß ich dem Geber Jener Seligkeit wieder mit neuem Danke, mit ſtaͤrkerm, Als ich auf Erden zu bringen vermocht, anbetete. … Danken Will ich, Joſeph, von dir auch lernen, aber o ſage: Warum iſt es ein Grab, wo du weilſt? … Unſterblicher, weis er Schon des Goͤttlichen Tod? … Der Seraph wollte jetzt reden, Aber ſchnell rief Samed: Jch weis, ich weis des Verſoͤhners Tod! … So weiſt du denn auch, daß uns von ihm ein Befehl ward, Uns, die das Kreuz umgaben, hinab zu den Graͤbern zu wallen. Zeugen ſeiner Erduldungen waren wir, bis ihm ſein Haupt ſank, Und er ſtarb. … Dieß wußt ich noch nicht. Von dem Todten zu ſprechen Bin ich noch nicht ſelig genung. So bald ich ſo hoch mich Heb’, und nicht mehr verſtummen muß; iſts Joſeph, mit dem ich Von dem Goͤttlichen rede. Jetzt, Benjamins Bruder, und meiner, Sage mir, weſſen Gebein deckt dieſes Grab? … Das meine, Samed. … Sollte denn jeder zu ſeinem Grabe ſich wenden? Oder haſt du deins nur gewaͤhlt? … Des Engels Botſchaft War: Wir ſollten uns jeder zu ſeinem Grabe ſich wenden. Was iſt dieſes, mein Huͤter, und Joſeph, ihr Engel Gottes? Und der niemals Sterbliche laͤchelt, und Joſeph erwiedert: Dieſes vielleicht: Wir ſollen uns mit dem todten Meſſias Bis zu dem Grab’ erniedrigen; und, wovon er uns frey macht, Unter Gebeinen mit ſtillen Betrachtungen uͤberdenken. Denn, daß er ſtarb, und auferſteht, das freyt uns vom Tode, Das erweckt uns dereinſt am letzten Tage der Erde. Hier B 3

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/37>, abgerufen am 21.11.2024.