[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Funfzehnter Gesang. Eine lichte Jünglingsgestalt, die unter Benoni's Bäumen wandelt, und gegen uns lächelt! ... Erscheinung, Erscheinung! Rief Elkanan, wer bist du? Melodisch erscholls in der Laube: Einer Seligkeit Bote, die grösser, als ihr vermuthet, Viel entzückender ist. ... Ach! wessen Stimm' ist die Stimme? Rief jetzt Joel, und wessen Antlitz des Nahenden Antlitz? Gott der Götter! Benoni! ... Er sank. Schon hielt ihn Benoni's Helfender Arm, und richtet' ihn auf. Mein Bruder! ... Benoni Riefs in der Wonne. ... Mein himmlischer Bruder! stammelte Joel. Samma mein Vater! ... und sank ihm ans Herz, und erhielt ihm das Leben, Daß der Greis in der stürmischen unnennbaren Empfindung Nicht entschlummerte, nicht in der thränenlosen Entzückung Jn die Nacht des Todes sein Aug' hinstarrte. Nun leitet Er den verstummenden Alten zu einem moosigem Sitze. Bring Elkanan zu mir, sprach er zu Boa, damit er Näher mich höre. ... Nun wall' ich hinab mit Ruhe zum Grabe! Sprach Elkanan, denn ob mein Auge dich gleich nicht gesehn hat, Hat dich mein Ohr doch gehört, Unsterblicher! Rede denn, lehr' uns, Bote von Gott! ... Euch wird ein Grösserer lehren, so bald ihr Ruhiger seyd, und zu tragen vermögt des Erscheinenden Ankunft! Joel hatt', indeß da er sprach, sich stille genähert, Blumen geküßt, und sie in des Bruders Tritte gestreuet. Sagt, vermögt ihr (er sah mit dankenden Blicken auf Joel) Auszuhalten, daß Simeon komme? ... Simeons Seele, Rief Elkanan, schwebet um mich? ach! laß sie erscheinen, Bote der Wonne! Seyd stark, du, Samma, und Joel, und Boa, Hindert sie nicht. Schon hört dir mein Ohr, mein Bruder, entgegen. Simeon,
Funfzehnter Geſang. Eine lichte Juͤnglingsgeſtalt, die unter Benoni’s Baͤumen wandelt, und gegen uns laͤchelt! … Erſcheinung, Erſcheinung! Rief Elkanan, wer biſt du? Melodiſch erſcholls in der Laube: Einer Seligkeit Bote, die groͤſſer, als ihr vermuthet, Viel entzuͤckender iſt. … Ach! weſſen Stimm’ iſt die Stimme? Rief jetzt Joel, und weſſen Antlitz des Nahenden Antlitz? Gott der Goͤtter! Benoni! … Er ſank. Schon hielt ihn Benoni’s Helfender Arm, und richtet’ ihn auf. Mein Bruder! … Benoni Riefs in der Wonne. … Mein himmliſcher Bruder! ſtammelte Joel. Sam̃a mein Vater! … und ſank ihm ans Herz, und erhielt ihm das Leben, Daß der Greis in der ſtuͤrmiſchen unnennbaren Empfindung Nicht entſchlummerte, nicht in der thraͤnenloſen Entzuͤckung Jn die Nacht des Todes ſein Aug’ hinſtarrte. Nun leitet Er den verſtummenden Alten zu einem mooſigem Sitze. Bring Elkanan zu mir, ſprach er zu Boa, damit er Naͤher mich hoͤre. … Nun wall’ ich hinab mit Ruhe zum Grabe! Sprach Elkanan, denn ob mein Auge dich gleich nicht geſehn hat, Hat dich mein Ohr doch gehoͤrt, Unſterblicher! Rede denn, lehr’ uns, Bote von Gott! … Euch wird ein Groͤſſerer lehren, ſo bald ihr Ruhiger ſeyd, und zu tragen vermoͤgt des Erſcheinenden Ankunft! Joel hatt’, indeß da er ſprach, ſich ſtille genaͤhert, Blumen gekuͤßt, und ſie in des Bruders Tritte geſtreuet. Sagt, vermoͤgt ihr (er ſah mit dankenden Blicken auf Joel) Auszuhalten, daß Simeon komme? … Simeons Seele, Rief Elkanan, ſchwebet um mich? ach! laß ſie erſcheinen, Bote der Wonne! Seyd ſtark, du, Samma, und Joel, und Boa, Hindert ſie nicht. Schon hoͤrt dir mein Ohr, mein Bruder, entgegen. Simeon,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0255" n="239"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Funfzehnter Geſang.</hi> </fw><lb/> <lg n="110"> <l>Eine lichte Juͤnglingsgeſtalt, die unter Benoni’s</l><lb/> <l>Baͤumen wandelt, und gegen uns laͤchelt! … Erſcheinung, Erſcheinung!</l><lb/> <l>Rief Elkanan, wer biſt du? Melodiſch erſcholls in der Laube:</l> </lg><lb/> <lg n="111"> <l>Einer Seligkeit Bote, die groͤſſer, als ihr vermuthet,</l><lb/> <l>Viel entzuͤckender iſt. … Ach! weſſen Stimm’ iſt die Stimme?</l><lb/> <l>Rief jetzt Joel, und weſſen Antlitz des Nahenden Antlitz?</l><lb/> <l>Gott der Goͤtter! Benoni! … Er ſank. Schon hielt ihn Benoni’s</l><lb/> <l>Helfender Arm, und richtet’ ihn auf. Mein Bruder! … Benoni</l><lb/> <l>Riefs in der Wonne. … Mein himmliſcher Bruder! ſtammelte Joel.</l> </lg><lb/> <lg n="112"> <l>Sam̃a mein Vater! … und ſank ihm ans Herz, und erhielt ihm das Leben,</l><lb/> <l>Daß der Greis in der ſtuͤrmiſchen unnennbaren Empfindung</l><lb/> <l>Nicht entſchlummerte, nicht in der thraͤnenloſen Entzuͤckung</l><lb/> <l>Jn die Nacht des Todes ſein Aug’ hinſtarrte. Nun leitet</l><lb/> <l>Er den verſtummenden Alten zu einem mooſigem Sitze.</l> </lg><lb/> <lg n="113"> <l>Bring Elkanan zu mir, ſprach er zu Boa, damit er</l><lb/> <l>Naͤher mich hoͤre. … Nun wall’ ich hinab mit Ruhe zum Grabe!</l><lb/> <l>Sprach Elkanan, denn ob mein Auge dich gleich nicht geſehn hat,</l><lb/> <l>Hat dich mein Ohr doch gehoͤrt, Unſterblicher! Rede denn, lehr’ uns,</l><lb/> <l>Bote von Gott! … Euch wird ein Groͤſſerer lehren, ſo bald ihr</l><lb/> <l>Ruhiger ſeyd, und zu tragen vermoͤgt des Erſcheinenden Ankunft!</l> </lg><lb/> <lg n="114"> <l>Joel hatt’, indeß da er ſprach, ſich ſtille genaͤhert,</l><lb/> <l>Blumen gekuͤßt, und ſie in des Bruders Tritte geſtreuet.</l> </lg><lb/> <lg n="115"> <l>Sagt, vermoͤgt ihr (er ſah mit dankenden Blicken auf Joel)</l><lb/> <l>Auszuhalten, daß Simeon komme? … Simeons Seele,</l><lb/> <l>Rief Elkanan, ſchwebet um mich? ach! laß ſie erſcheinen,</l><lb/> <l>Bote der Wonne! Seyd ſtark, du, Samma, und Joel, und Boa,</l><lb/> <l>Hindert ſie nicht. Schon hoͤrt dir mein Ohr, mein Bruder, entgegen.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Simeon,</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [239/0255]
Funfzehnter Geſang.
Eine lichte Juͤnglingsgeſtalt, die unter Benoni’s
Baͤumen wandelt, und gegen uns laͤchelt! … Erſcheinung, Erſcheinung!
Rief Elkanan, wer biſt du? Melodiſch erſcholls in der Laube:
Einer Seligkeit Bote, die groͤſſer, als ihr vermuthet,
Viel entzuͤckender iſt. … Ach! weſſen Stimm’ iſt die Stimme?
Rief jetzt Joel, und weſſen Antlitz des Nahenden Antlitz?
Gott der Goͤtter! Benoni! … Er ſank. Schon hielt ihn Benoni’s
Helfender Arm, und richtet’ ihn auf. Mein Bruder! … Benoni
Riefs in der Wonne. … Mein himmliſcher Bruder! ſtammelte Joel.
Sam̃a mein Vater! … und ſank ihm ans Herz, und erhielt ihm das Leben,
Daß der Greis in der ſtuͤrmiſchen unnennbaren Empfindung
Nicht entſchlummerte, nicht in der thraͤnenloſen Entzuͤckung
Jn die Nacht des Todes ſein Aug’ hinſtarrte. Nun leitet
Er den verſtummenden Alten zu einem mooſigem Sitze.
Bring Elkanan zu mir, ſprach er zu Boa, damit er
Naͤher mich hoͤre. … Nun wall’ ich hinab mit Ruhe zum Grabe!
Sprach Elkanan, denn ob mein Auge dich gleich nicht geſehn hat,
Hat dich mein Ohr doch gehoͤrt, Unſterblicher! Rede denn, lehr’ uns,
Bote von Gott! … Euch wird ein Groͤſſerer lehren, ſo bald ihr
Ruhiger ſeyd, und zu tragen vermoͤgt des Erſcheinenden Ankunft!
Joel hatt’, indeß da er ſprach, ſich ſtille genaͤhert,
Blumen gekuͤßt, und ſie in des Bruders Tritte geſtreuet.
Sagt, vermoͤgt ihr (er ſah mit dankenden Blicken auf Joel)
Auszuhalten, daß Simeon komme? … Simeons Seele,
Rief Elkanan, ſchwebet um mich? ach! laß ſie erſcheinen,
Bote der Wonne! Seyd ſtark, du, Samma, und Joel, und Boa,
Hindert ſie nicht. Schon hoͤrt dir mein Ohr, mein Bruder, entgegen.
Simeon,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |