Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Funfzehnter Gesang.
Siehe, der Jünglinge Füsse, die deinen Mann begruben,
Sind vor der Thür', und bereit, auch dich zum Grabe zu tragen.

Sterbend sank sie vor Kephas nieder. Die Jünglinge kamen,
Fanden sie todt, und trugen sie weg, daß sie neben dem Manne
Sie begrüben. Entsetzen befiel die ganze Gemeine,
Und wem sonst die Geschichte der ernsten Gerechtigkeit kund ward.
Joses hatte sich jetzt von seinen Gefährten gesondert.
Und er eilte zurück nach seinem Hause. Johannes
Kam in Gehen zu ihm. Woher bringt, Joses, dein Weg dich?
Von den Saaten am Jordan. Jch habe dort Acker. Sie traten
Mit den Worten ins Haus, Und an des kommenden Vaters
Hals' und Armen hingen die Kinder. Auf, segne die Meinen!
Sprach der Vater zum Fremdling, und bracht ihm die freudigen Knaben.
Dieser wendete sich zu den Knaben mit einer Hoheit,
Die mit Bewundrung das Herz des ernsten Vaters erfüllte.
Seyd auch Zeugen des Herrn, ihr Kinder Joses! Dein Acker
Wird von jetzt noch weniger Garben der Erndte dir geben!
Wird mich der Herr denn verlassen? und diese Waisen verlassen? ..
Das ist ferne von Gott, der mehr, wie das sterbliche Leben
Nur erhält. Er giebt, und nimmt von dem Jrdischen! nimmt nicht,
Ewiger Theil, von dir. Der Täufer sprachs, und erhabner
Wurde stets sein Ansehn. Joses hatte noch Blicke
Nie, wie diese, gesehn, noch keine Stimme vernommen,
Die mit dieser Feyerlichkeit von Gott sprach. Schweigend
Hört er ihn reden. Und also begann von neuem Johannes:
Der, du kanntest ihn doch? zu dessen Füssen Maria,
Lazarus Schwester, den besseren Theil, die Ewigkeit wählte!
Der

Funfzehnter Geſang.
Siehe, der Juͤnglinge Fuͤſſe, die deinen Mann begruben,
Sind vor der Thuͤr’, und bereit, auch dich zum Grabe zu tragen.

Sterbend ſank ſie vor Kephas nieder. Die Juͤnglinge kamen,
Fanden ſie todt, und trugen ſie weg, daß ſie neben dem Manne
Sie begruͤben. Entſetzen befiel die ganze Gemeine,
Und wem ſonſt die Geſchichte der ernſten Gerechtigkeit kund ward.
Joſes hatte ſich jetzt von ſeinen Gefaͤhrten geſondert.
Und er eilte zuruͤck nach ſeinem Hauſe. Johannes
Kam in Gehen zu ihm. Woher bringt, Joſes, dein Weg dich?
Von den Saaten am Jordan. Jch habe dort Acker. Sie traten
Mit den Worten ins Haus, Und an des kommenden Vaters
Halſ’ und Armen hingen die Kinder. Auf, ſegne die Meinen!
Sprach der Vater zum Fremdling, und bracht ihm die freudigen Knaben.
Dieſer wendete ſich zu den Knaben mit einer Hoheit,
Die mit Bewundrung das Herz des ernſten Vaters erfuͤllte.
Seyd auch Zeugen des Herrn, ihr Kinder Joſes! Dein Acker
Wird von jetzt noch weniger Garben der Erndte dir geben!
Wird mich der Herr denn verlaſſen? und dieſe Waiſen verlaſſen? ..
Das iſt ferne von Gott, der mehr, wie das ſterbliche Leben
Nur erhaͤlt. Er giebt, und nimmt von dem Jrdiſchen! nimmt nicht,
Ewiger Theil, von dir. Der Taͤufer ſprachs, und erhabner
Wurde ſtets ſein Anſehn. Joſes hatte noch Blicke
Nie, wie dieſe, geſehn, noch keine Stimme vernommen,
Die mit dieſer Feyerlichkeit von Gott ſprach. Schweigend
Hoͤrt er ihn reden. Und alſo begann von neuem Johannes:
Der, du kannteſt ihn doch? zu deſſen Fuͤſſen Maria,
Lazarus Schweſter, den beſſeren Theil, die Ewigkeit waͤhlte!
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="62">
            <pb facs="#f0237" n="221"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Funfzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Siehe, der Ju&#x0364;nglinge Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, die deinen Mann begruben,</l><lb/>
            <l>Sind vor der Thu&#x0364;r&#x2019;, und bereit, auch dich zum Grabe zu tragen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="63">
            <l>Sterbend &#x017F;ank &#x017F;ie vor Kephas nieder. Die Ju&#x0364;nglinge kamen,</l><lb/>
            <l>Fanden &#x017F;ie todt, und trugen &#x017F;ie weg, daß &#x017F;ie neben dem Manne</l><lb/>
            <l>Sie begru&#x0364;ben. Ent&#x017F;etzen befiel die ganze Gemeine,</l><lb/>
            <l>Und wem &#x017F;on&#x017F;t die Ge&#x017F;chichte der ern&#x017F;ten Gerechtigkeit kund ward.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="64">
            <l>Jo&#x017F;es hatte &#x017F;ich jetzt von &#x017F;einen Gefa&#x0364;hrten ge&#x017F;ondert.</l><lb/>
            <l>Und er eilte zuru&#x0364;ck nach &#x017F;einem Hau&#x017F;e. Johannes</l><lb/>
            <l>Kam in Gehen zu ihm. Woher bringt, Jo&#x017F;es, dein Weg dich?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="65">
            <l>Von den Saaten am Jordan. Jch habe dort Acker. Sie traten</l><lb/>
            <l>Mit den Worten ins Haus, Und an des kommenden Vaters</l><lb/>
            <l>Hal&#x017F;&#x2019; und Armen hingen die Kinder. Auf, &#x017F;egne die Meinen!</l><lb/>
            <l>Sprach der Vater zum Fremdling, und bracht ihm die freudigen Knaben.</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;er wendete &#x017F;ich zu den Knaben mit einer Hoheit,</l><lb/>
            <l>Die mit Bewundrung das Herz des ern&#x017F;ten Vaters erfu&#x0364;llte.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="66">
            <l>Seyd auch Zeugen des Herrn, ihr Kinder Jo&#x017F;es! Dein Acker</l><lb/>
            <l>Wird von jetzt noch weniger Garben der Erndte dir geben!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="67">
            <l>Wird mich der Herr denn verla&#x017F;&#x017F;en? und die&#x017F;e Wai&#x017F;en verla&#x017F;&#x017F;en? ..</l><lb/>
            <l>Das i&#x017F;t ferne von Gott, der mehr, wie das &#x017F;terbliche Leben</l><lb/>
            <l>Nur erha&#x0364;lt. Er giebt, und nimmt von dem Jrdi&#x017F;chen! nimmt nicht,</l><lb/>
            <l>Ewiger Theil, von dir. Der Ta&#x0364;ufer &#x017F;prachs, und erhabner</l><lb/>
            <l>Wurde &#x017F;tets &#x017F;ein An&#x017F;ehn. Jo&#x017F;es hatte noch Blicke</l><lb/>
            <l>Nie, wie die&#x017F;e, ge&#x017F;ehn, noch keine Stimme vernommen,</l><lb/>
            <l>Die mit die&#x017F;er Feyerlichkeit von Gott &#x017F;prach. Schweigend</l><lb/>
            <l>Ho&#x0364;rt er ihn reden. Und al&#x017F;o begann von neuem Johannes:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="68">
            <l>Der, du kannte&#x017F;t ihn doch? zu de&#x017F;&#x017F;en Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Maria,</l><lb/>
            <l>Lazarus Schwe&#x017F;ter, den be&#x017F;&#x017F;eren Theil, die Ewigkeit wa&#x0364;hlte!</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0237] Funfzehnter Geſang. Siehe, der Juͤnglinge Fuͤſſe, die deinen Mann begruben, Sind vor der Thuͤr’, und bereit, auch dich zum Grabe zu tragen. Sterbend ſank ſie vor Kephas nieder. Die Juͤnglinge kamen, Fanden ſie todt, und trugen ſie weg, daß ſie neben dem Manne Sie begruͤben. Entſetzen befiel die ganze Gemeine, Und wem ſonſt die Geſchichte der ernſten Gerechtigkeit kund ward. Joſes hatte ſich jetzt von ſeinen Gefaͤhrten geſondert. Und er eilte zuruͤck nach ſeinem Hauſe. Johannes Kam in Gehen zu ihm. Woher bringt, Joſes, dein Weg dich? Von den Saaten am Jordan. Jch habe dort Acker. Sie traten Mit den Worten ins Haus, Und an des kommenden Vaters Halſ’ und Armen hingen die Kinder. Auf, ſegne die Meinen! Sprach der Vater zum Fremdling, und bracht ihm die freudigen Knaben. Dieſer wendete ſich zu den Knaben mit einer Hoheit, Die mit Bewundrung das Herz des ernſten Vaters erfuͤllte. Seyd auch Zeugen des Herrn, ihr Kinder Joſes! Dein Acker Wird von jetzt noch weniger Garben der Erndte dir geben! Wird mich der Herr denn verlaſſen? und dieſe Waiſen verlaſſen? .. Das iſt ferne von Gott, der mehr, wie das ſterbliche Leben Nur erhaͤlt. Er giebt, und nimmt von dem Jrdiſchen! nimmt nicht, Ewiger Theil, von dir. Der Taͤufer ſprachs, und erhabner Wurde ſtets ſein Anſehn. Joſes hatte noch Blicke Nie, wie dieſe, geſehn, noch keine Stimme vernommen, Die mit dieſer Feyerlichkeit von Gott ſprach. Schweigend Hoͤrt er ihn reden. Und alſo begann von neuem Johannes: Der, du kannteſt ihn doch? zu deſſen Fuͤſſen Maria, Lazarus Schweſter, den beſſeren Theil, die Ewigkeit waͤhlte! Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/237
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/237>, abgerufen am 22.11.2024.