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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Funfzehnter Gesang.
Mit dem Worte verschwand die erhabne Thirza. Jhm deucht es,
Als ob er dreyer Unsterblichen Rauschen von ferne vernähme.
Und er kam der Sonne, die jetzt aufging, aus der Höhle
Freudeweinend, entgegen. Noch blieb er dankend am Eingang,
Daß du ihm Fülle der Herrlichkeit gabst, und des Himmels Vorschmack,
Ewiger Quell des ewigen Lichts, da er durstet' im Elend!
Daß du ihm halfst, da ihm Menschen nicht mehr zu helfen vermochten.
Mit nachahmender Hand Gemälde von Seide zu sticken,
Saß an einem tyrischen Purpurteppich erfindend
Tabitha. Frühwegblühende Mutter Benoni's, dein Grabmaal
War ihr ernster Geschäfft, als sonst vielfarbige Faden
Unter weiblicher Hand. Sie dachte beym Spiele der Nadel.
Auf dem Grabe ruhte die bleiche Rahel. Benoni
Kniete bey ihr, und stieß mit weggewendetem Auge
Einen Dolch ihr ins Herz. Jetzt eben rannen am Dolche
Blutige Tropfen herab, da vom Purpur Tabitha aufsprang,
Eilet', und, die Ermattete lief zu empfangen, die ankam.
Jn dem Gewande der Leichengefolge, mit blässerer Wange,
Trat die Unbekannte zu ihr. Doch die Leiden der Freundschaft
Hatten nicht jede Schönheit der jugendlichen Debora
Auszulöschen vermocht. Gleich einem trüben Morgen
War sie, doch einem Morgen des Frühlings. Jch komme, so sagte
Sie zu Tabitha, hier von dem schweren Gange zu ruhen;
Denn ich vermochte nicht weiter zu gehn. Ach meine Geliebte
Ruht nun besser, als ich, die Geliebteste meiner Geliebten.
Bleib du bey deinem Geschäfft; laß mich nur ruhen, und weinen.
Und
III Band. O
Funfzehnter Geſang.
Mit dem Worte verſchwand die erhabne Thirza. Jhm deucht es,
Als ob er dreyer Unſterblichen Rauſchen von ferne vernaͤhme.
Und er kam der Sonne, die jetzt aufging, aus der Hoͤhle
Freudeweinend, entgegen. Noch blieb er dankend am Eingang,
Daß du ihm Fuͤlle der Herrlichkeit gabſt, und des Himmels Vorſchmack,
Ewiger Quell des ewigen Lichts, da er durſtet’ im Elend!
Daß du ihm halfſt, da ihm Menſchen nicht mehr zu helfen vermochten.
Mit nachahmender Hand Gemaͤlde von Seide zu ſticken,
Saß an einem tyriſchen Purpurteppich erfindend
Tabitha. Fruͤhwegbluͤhende Mutter Benoni’s, dein Grabmaal
War ihr ernſter Geſchaͤfft, als ſonſt vielfarbige Faden
Unter weiblicher Hand. Sie dachte beym Spiele der Nadel.
Auf dem Grabe ruhte die bleiche Rahel. Benoni
Kniete bey ihr, und ſtieß mit weggewendetem Auge
Einen Dolch ihr ins Herz. Jetzt eben rannen am Dolche
Blutige Tropfen herab, da vom Purpur Tabitha aufſprang,
Eilet’, und, die Ermattete lief zu empfangen, die ankam.
Jn dem Gewande der Leichengefolge, mit blaͤſſerer Wange,
Trat die Unbekannte zu ihr. Doch die Leiden der Freundſchaft
Hatten nicht jede Schoͤnheit der jugendlichen Debora
Auszuloͤſchen vermocht. Gleich einem truͤben Morgen
War ſie, doch einem Morgen des Fruͤhlings. Jch komme, ſo ſagte
Sie zu Tabitha, hier von dem ſchweren Gange zu ruhen;
Denn ich vermochte nicht weiter zu gehn. Ach meine Geliebte
Ruht nun beſſer, als ich, die Geliebteſte meiner Geliebten.
Bleib du bey deinem Geſchaͤfft; laß mich nur ruhen, und weinen.
Und
III Band. O
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[209/0225] Funfzehnter Geſang. Mit dem Worte verſchwand die erhabne Thirza. Jhm deucht es, Als ob er dreyer Unſterblichen Rauſchen von ferne vernaͤhme. Und er kam der Sonne, die jetzt aufging, aus der Hoͤhle Freudeweinend, entgegen. Noch blieb er dankend am Eingang, Daß du ihm Fuͤlle der Herrlichkeit gabſt, und des Himmels Vorſchmack, Ewiger Quell des ewigen Lichts, da er durſtet’ im Elend! Daß du ihm halfſt, da ihm Menſchen nicht mehr zu helfen vermochten. Mit nachahmender Hand Gemaͤlde von Seide zu ſticken, Saß an einem tyriſchen Purpurteppich erfindend Tabitha. Fruͤhwegbluͤhende Mutter Benoni’s, dein Grabmaal War ihr ernſter Geſchaͤfft, als ſonſt vielfarbige Faden Unter weiblicher Hand. Sie dachte beym Spiele der Nadel. Auf dem Grabe ruhte die bleiche Rahel. Benoni Kniete bey ihr, und ſtieß mit weggewendetem Auge Einen Dolch ihr ins Herz. Jetzt eben rannen am Dolche Blutige Tropfen herab, da vom Purpur Tabitha aufſprang, Eilet’, und, die Ermattete lief zu empfangen, die ankam. Jn dem Gewande der Leichengefolge, mit blaͤſſerer Wange, Trat die Unbekannte zu ihr. Doch die Leiden der Freundſchaft Hatten nicht jede Schoͤnheit der jugendlichen Debora Auszuloͤſchen vermocht. Gleich einem truͤben Morgen War ſie, doch einem Morgen des Fruͤhlings. Jch komme, ſo ſagte Sie zu Tabitha, hier von dem ſchweren Gange zu ruhen; Denn ich vermochte nicht weiter zu gehn. Ach meine Geliebte Ruht nun beſſer, als ich, die Geliebteſte meiner Geliebten. Bleib du bey deinem Geſchaͤfft; laß mich nur ruhen, und weinen. Und III Band. O

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/225>, abgerufen am 22.11.2024.