[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Er ihn lebend erblickt', und nicht zu erreichen vermochte,Halberwachend, das dunklere Bild des Freundes noch suchet, Klagt, nicht weis, ob er schlafe, nicht, ob er wache, das Herz schlägt Hoch ihm empor, und Flammen durchströmen ihm die Gebeine, Also waren noch Viele der thränenvollen Versammlung. Aber der Seraphim, die zu ihnen eilten, der Väter, Die mit den jauchzenden Engeln zu ihnen eileten, wurden Jmmer mehr! ... Und Simon Johanna blickt die Versammlung Liebend an. Da sieht er es schimmern! Er hielt vor Entzückung Eine beginnende Thräne zurück, und betete schweigend: O du Verborgner, und doch stets Gnädiger, ewig, und ewig Gnädiger! nun, o mein Erbarmer, erbarmst du dich ihrer! Kephas dankt', und betete noch, da trat der Gottmensch Jn die Versammlung. ... Wie Felsen, Ein Erstaunen, standen, Starrten sie All um ihn. Der Auferstandene sagte: Friede sey mit euch! ... Sie sahn ihn, und sahn ihn nicht, standen, Blickten ihn an. Von Strömen zu vieler Gedanken ergriffen, Wie in Meeren des Lichts, in denen Unsterbliche sänken, Sanken sie, konnten sich nicht herausarbeiten, und wähnten, Einen Engel zu sehn! Mit der Liebe Stimme, mit seiner, Sprach der Erstandne: Vor mir seyd ihr erschrocken, ihr Lieben? Warum kommen diese Gedanken in eure Herzen? Sehet meine Hände, und meine Füsse, Geliebte! Denn kein Engel hat Fleisch und Gebein, wie ihr seht, daß ich habe. Und sie bebten herzu. Maria sank vor ihm nieder, Hielt die Füsse des Auferstandnen, und sahe die Wunden, Faßt ihn bey der Rechten, und sah die Wunde der Rechten, Dann
Der Meſſias. Er ihn lebend erblickt’, und nicht zu erreichen vermochte,Halberwachend, das dunklere Bild des Freundes noch ſuchet, Klagt, nicht weis, ob er ſchlafe, nicht, ob er wache, das Herz ſchlaͤgt Hoch ihm empor, und Flammen durchſtroͤmen ihm die Gebeine, Alſo waren noch Viele der thraͤnenvollen Verſammlung. Aber der Seraphim, die zu ihnen eilten, der Vaͤter, Die mit den jauchzenden Engeln zu ihnen eileten, wurden Jmmer mehr! … Und Simon Johanna blickt die Verſammlung Liebend an. Da ſieht er es ſchimmern! Er hielt vor Entzuͤckung Eine beginnende Thraͤne zuruͤck, und betete ſchweigend: O du Verborgner, und doch ſtets Gnaͤdiger, ewig, und ewig Gnaͤdiger! nun, o mein Erbarmer, erbarmſt du dich ihrer! Kephas dankt’, und betete noch, da trat der Gottmenſch Jn die Verſammlung. … Wie Felſen, Ein Erſtaunen, ſtanden, Starrten ſie All um ihn. Der Auferſtandene ſagte: Friede ſey mit euch! … Sie ſahn ihn, und ſahn ihn nicht, ſtanden, Blickten ihn an. Von Stroͤmen zu vieler Gedanken ergriffen, Wie in Meeren des Lichts, in denen Unſterbliche ſaͤnken, Sanken ſie, konnten ſich nicht herausarbeiten, und waͤhnten, Einen Engel zu ſehn! Mit der Liebe Stimme, mit ſeiner, Sprach der Erſtandne: Vor mir ſeyd ihr erſchrocken, ihr Lieben? Warum kommen dieſe Gedanken in eure Herzen? Sehet meine Haͤnde, und meine Fuͤſſe, Geliebte! Denn kein Engel hat Fleiſch und Gebein, wie ihr ſeht, daß ich habe. Und ſie bebten herzu. Maria ſank vor ihm nieder, Hielt die Fuͤſſe des Auferſtandnen, und ſahe die Wunden, Faßt ihn bey der Rechten, und ſah die Wunde der Rechten, Dann
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Der Meſſias.
Er ihn lebend erblickt’, und nicht zu erreichen vermochte,
Halberwachend, das dunklere Bild des Freundes noch ſuchet,
Klagt, nicht weis, ob er ſchlafe, nicht, ob er wache, das Herz ſchlaͤgt
Hoch ihm empor, und Flammen durchſtroͤmen ihm die Gebeine,
Alſo waren noch Viele der thraͤnenvollen Verſammlung.
Aber der Seraphim, die zu ihnen eilten, der Vaͤter,
Die mit den jauchzenden Engeln zu ihnen eileten, wurden
Jmmer mehr! … Und Simon Johanna blickt die Verſammlung
Liebend an. Da ſieht er es ſchimmern! Er hielt vor Entzuͤckung
Eine beginnende Thraͤne zuruͤck, und betete ſchweigend:
O du Verborgner, und doch ſtets Gnaͤdiger, ewig, und ewig
Gnaͤdiger! nun, o mein Erbarmer, erbarmſt du dich ihrer!
Kephas dankt’, und betete noch, da trat der Gottmenſch
Jn die Verſammlung. … Wie Felſen, Ein Erſtaunen, ſtanden,
Starrten ſie All um ihn. Der Auferſtandene ſagte:
Friede ſey mit euch! … Sie ſahn ihn, und ſahn ihn nicht, ſtanden,
Blickten ihn an. Von Stroͤmen zu vieler Gedanken ergriffen,
Wie in Meeren des Lichts, in denen Unſterbliche ſaͤnken,
Sanken ſie, konnten ſich nicht herausarbeiten, und waͤhnten,
Einen Engel zu ſehn! Mit der Liebe Stimme, mit ſeiner,
Sprach der Erſtandne: Vor mir ſeyd ihr erſchrocken, ihr Lieben?
Warum kommen dieſe Gedanken in eure Herzen?
Sehet meine Haͤnde, und meine Fuͤſſe, Geliebte!
Denn kein Engel hat Fleiſch und Gebein, wie ihr ſeht, daß ich habe.
Und ſie bebten herzu. Maria ſank vor ihm nieder,
Hielt die Fuͤſſe des Auferſtandnen, und ſahe die Wunden,
Faßt ihn bey der Rechten, und ſah die Wunde der Rechten,
Dann
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