[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Vom deutschen Hexameter. fange unsrer Unterredung über die Declamation des jambi-schen Verses anmerkten. Auch der kürzeste Beweis meiner Antwort wäre für Werthing und Minna zu lang. Sie kön- nen also nichts dawider haben, daß ich ihn weglasse. Der Hexameter, wie ihn Kleist machte, ist ein schöner ana- pästischer Vers, der im Frühling noch schöner seyn würde, wenn der Jambus den Anapäst öfter unterbräche. Es wür- de einer der glücklichsten Gedanken einiger unser Dichter ge- wesen seyn, diesen Vers zum lyrischen aufgenommen zu ha- ben, wenn er nicht, seltne Ausnahmen zugestanden, für die Ode zu lang wäre. Der mehr homerische Hexameter hat, außer dem, was ich schon angeführt habe, noch dieses, daß sein erster Fuß beständig mit einer langen Sylbe anfängt, ein Gang, der demjenigen Verse angemessen ist, welcher dem epischen Gedicht vornäm- lich zugehört. Dem Hexameter, sagt Aristides, ein neuerer Grieche, aber der diese Sachen verstand, geben Schönheit und Würde sein weiter Umfang, sein Anfang mit der Länge, und sein volltöniger Schluß. Der
Vom deutſchen Hexameter. fange unſrer Unterredung uͤber die Declamation des jambi-ſchen Verſes anmerkten. Auch der kuͤrzeſte Beweis meiner Antwort waͤre fuͤr Werthing und Minna zu lang. Sie koͤn- nen alſo nichts dawider haben, daß ich ihn weglaſſe. Der Hexameter, wie ihn Kleiſt machte, iſt ein ſchoͤner ana- paͤſtiſcher Vers, der im Fruͤhling noch ſchoͤner ſeyn wuͤrde, wenn der Jambus den Anapaͤſt oͤfter unterbraͤche. Es wuͤr- de einer der gluͤcklichſten Gedanken einiger unſer Dichter ge- weſen ſeyn, dieſen Vers zum lyriſchen aufgenommen zu ha- ben, wenn er nicht, ſeltne Ausnahmen zugeſtanden, fuͤr die Ode zu lang waͤre. Der mehr homeriſche Hexameter hat, außer dem, was ich ſchon angefuͤhrt habe, noch dieſes, daß ſein erſter Fuß beſtaͤndig mit einer langen Sylbe anfaͤngt, ein Gang, der demjenigen Verſe angemeſſen iſt, welcher dem epiſchen Gedicht vornaͤm- lich zugehoͤrt. Dem Hexameter, ſagt Ariſtides, ein neuerer Grieche, aber der dieſe Sachen verſtand, geben Schoͤnheit und Wuͤrde ſein weiter Umfang, ſein Anfang mit der Laͤnge, und ſein volltoͤniger Schluß. Der
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Vom deutſchen Hexameter.
fange unſrer Unterredung uͤber die Declamation des jambi-
ſchen Verſes anmerkten. Auch der kuͤrzeſte Beweis meiner
Antwort waͤre fuͤr Werthing und Minna zu lang. Sie koͤn-
nen alſo nichts dawider haben, daß ich ihn weglaſſe.
Der Hexameter, wie ihn Kleiſt machte, iſt ein ſchoͤner ana-
paͤſtiſcher Vers, der im Fruͤhling noch ſchoͤner ſeyn wuͤrde,
wenn der Jambus den Anapaͤſt oͤfter unterbraͤche. Es wuͤr-
de einer der gluͤcklichſten Gedanken einiger unſer Dichter ge-
weſen ſeyn, dieſen Vers zum lyriſchen aufgenommen zu ha-
ben, wenn er nicht, ſeltne Ausnahmen zugeſtanden, fuͤr die
Ode zu lang waͤre.
Der mehr homeriſche Hexameter hat, außer dem, was ich
ſchon angefuͤhrt habe, noch dieſes, daß ſein erſter Fuß beſtaͤndig
mit einer langen Sylbe anfaͤngt, ein Gang, der demjenigen
Verſe angemeſſen iſt, welcher dem epiſchen Gedicht vornaͤm-
lich zugehoͤrt. Dem Hexameter, ſagt Ariſtides, ein neuerer
Grieche, aber der dieſe Sachen verſtand, geben Schoͤnheit
und Wuͤrde ſein weiter Umfang, ſein Anfang mit der Laͤnge,
und ſein volltoͤniger Schluß.
Der
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