[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Nur mit fliegenden Worten, ihr Männer von Jsrael, kann ich Heut zu euch reden. Jhr kennt mich. Jch hasse Moses Verächter! Und dem fluch ich, der ihm, ob gleich die süssere Lippe Anders spricht, durch sein Leben doch flucht. Mit dieser Gesinnung, Zeig ich euch heut Verderben, und Heil. Wählt, Jsraeliten! Barrabam, oder Jesum! Er ist, ihr wißt es, ich weis es, Barrabas ist ein Mörder! Auch Pontius weis es. Er hätt ihn, Wollt er euch nicht zum Mitleid herunter erniedern, mit Jesus, Der so täuschend der Unschuld, auch hier ein Zauberer, nachahmt, Nicht vor euch, ihr Männer, gestellt. Doch ich lasse die Absicht, Die vielleicht Pontius hat. Wir sind Besiegte! Wir schweigen! Aber davon kann Philo nicht schweigen, ihr Jsraeliten, Daß ihr am Hange des Abgrunds, vielleicht schon hingeneigt, schwindelt, Euer Verderben zu wählen! Jch rede mit Angst; doch red ich. Denn so tief soll der Enkel der grossen Väter nicht sinken! Dieser
Nur mit fliegenden Worten, ihr Maͤnner von Jſrael, kann ich Heut zu euch reden. Jhr kennt mich. Jch haſſe Moſes Veraͤchter! Und dem fluch ich, der ihm, ob gleich die ſuͤſſere Lippe Anders ſpricht, durch ſein Leben doch flucht. Mit dieſer Geſinnung, Zeig ich euch heut Verderben, und Heil. Waͤhlt, Jſraeliten! Barrabam, oder Jeſum! Er iſt, ihr wißt es, ich weis es, Barrabas iſt ein Moͤrder! Auch Pontius weis es. Er haͤtt ihn, Wollt er euch nicht zum Mitleid herunter erniedern, mit Jeſus, Der ſo taͤuſchend der Unſchuld, auch hier ein Zauberer, nachahmt, Nicht vor euch, ihr Maͤnner, geſtellt. Doch ich laſſe die Abſicht, Die vielleicht Pontius hat. Wir ſind Beſiegte! Wir ſchweigen! Aber davon kann Philo nicht ſchweigen, ihr Jſraeliten, Daß ihr am Hange des Abgrunds, vielleicht ſchon hingeneigt, ſchwindelt, Euer Verderben zu waͤhlen! Jch rede mit Angſt; doch red ich. Denn ſo tief ſoll der Enkel der groſſen Vaͤter nicht ſinken! Dieſer
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Der Meſſias.
So wird durch den Sturmwind im tiefen Walde das Rufen
Eines huͤlfloſen Kindes, zum leiſen Laute. So ſchwinden,
Vor den rauſchenden Thaten der Hohen, des Weiſen beſcheidne.
Philo entdekt die Gefahr, er weis, was Pontius meine
Mit dem Moͤrder, welchen er, bey dem Propheten, dem Volk zeigt.
Doch verlaͤßt er den Roͤmer mit hoher Mine. Voll Stolzes
Auf die Feſſel, die er, durch eine Rede, dem Volke
Auszulegen gedenkt, geht er auf Gabbatha vorwaͤrts,
Seines Poͤbels Bewundrung! Pilatus ſah ihn vom Richtſtul
Mit halbzuͤrnendem Spott nach. Und Philo winkte dem Volke,
Und ſie ſchwiegen vor ihm. Er ſprach mit geheftetem Blicke:
Nur mit fliegenden Worten, ihr Maͤnner von Jſrael, kann ich
Heut zu euch reden. Jhr kennt mich. Jch haſſe Moſes Veraͤchter!
Und dem fluch ich, der ihm, ob gleich die ſuͤſſere Lippe
Anders ſpricht, durch ſein Leben doch flucht. Mit dieſer Geſinnung,
Zeig ich euch heut Verderben, und Heil. Waͤhlt, Jſraeliten!
Barrabam, oder Jeſum! Er iſt, ihr wißt es, ich weis es,
Barrabas iſt ein Moͤrder! Auch Pontius weis es. Er haͤtt ihn,
Wollt er euch nicht zum Mitleid herunter erniedern, mit Jeſus,
Der ſo taͤuſchend der Unſchuld, auch hier ein Zauberer, nachahmt,
Nicht vor euch, ihr Maͤnner, geſtellt. Doch ich laſſe die Abſicht,
Die vielleicht Pontius hat. Wir ſind Beſiegte! Wir ſchweigen!
Aber davon kann Philo nicht ſchweigen, ihr Jſraeliten,
Daß ihr am Hange des Abgrunds, vielleicht ſchon hingeneigt, ſchwindelt,
Euer Verderben zu waͤhlen! Jch rede mit Angſt; doch red ich.
Denn ſo tief ſoll der Enkel der groſſen Vaͤter nicht ſinken!
Dieſer
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