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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Der Messias.

Siehe, der Priester Gottes verklagt ihn! und sandte den Gott uns,
Den er verläßt? Er verläßt ihn! Jhr seht ihn in Ketten! Die Heiden
Richten ihn, doch zu gelinde! Sie kennen nicht ganz den Empörer!
Bittet heut um keinen Gefangnen, die blinden Bewundrer
Seiner Thaten, sie möchten für ihn den Römer erbitten:
Und ihr hättet die Bitte veranlaßt, euch träfe die Sünde!
Männer! ihr seyd das heilige Volk! Euch schimmert der Tempel!
Euch nur flammen vom hohen Altare die Opfer gen Himmel!
Rächt, euch ruft der Staub der Propheten! sein heilig Gebein ruft,
Abrams Gebein, auf, rächt den größten unter den Vätern!

Also rotteten sie zu ihren Rotten die Menge,
Tausende rissen Tausende fort; der Zweifelnden waren
Wenige; weniger noch der Tugendhaften und Treuen!
So stehn, wenn der geschmetterte Wald vor dem wilden Orkane,
Auf vielmeiligten Bergen die langen Rücken herunter
Liegt, noch einsame Cedern, und tragen die bebende Wolke.
Unterdeß hatte Pilatus, für Jesum das Volk zu bewegen,
Einen berufnen Gefangnen, von dem viel Sagens im Lande,
Eh die Kett ihn bändigte, ging, insgeheim in das Richthaus
Führen lassen. Jzt kamen das Volk und die Priester zurücke.
So wie sie gegen Gabbatha gingen, so ward der Gefangne
Gegen sie her, auf der Höhe, geführt. Sein glühendes Auge
Schweifte seitwärts herum, er hielt den schnaubenden Athem.
Nicht die Reue, die Wut, bog ihm den sträubenden Nacken.
Also stand er gebückt, und schluckte zornigen Schaum ein,
Und

Der Meſſias.

Siehe, der Prieſter Gottes verklagt ihn! und ſandte den Gott uns,
Den er verlaͤßt? Er verlaͤßt ihn! Jhr ſeht ihn in Ketten! Die Heiden
Richten ihn, doch zu gelinde! Sie kennen nicht ganz den Empoͤrer!
Bittet heut um keinen Gefangnen, die blinden Bewundrer
Seiner Thaten, ſie moͤchten fuͤr ihn den Roͤmer erbitten:
Und ihr haͤttet die Bitte veranlaßt, euch traͤfe die Suͤnde!
Maͤnner! ihr ſeyd das heilige Volk! Euch ſchimmert der Tempel!
Euch nur flammen vom hohen Altare die Opfer gen Himmel!
Raͤcht, euch ruft der Staub der Propheten! ſein heilig Gebein ruft,
Abrams Gebein, auf, raͤcht den groͤßten unter den Vaͤtern!

Alſo rotteten ſie zu ihren Rotten die Menge,
Tauſende riſſen Tauſende fort; der Zweifelnden waren
Wenige; weniger noch der Tugendhaften und Treuen!
So ſtehn, wenn der geſchmetterte Wald vor dem wilden Orkane,
Auf vielmeiligten Bergen die langen Ruͤcken herunter
Liegt, noch einſame Cedern, und tragen die bebende Wolke.
Unterdeß hatte Pilatus, fuͤr Jeſum das Volk zu bewegen,
Einen berufnen Gefangnen, von dem viel Sagens im Lande,
Eh die Kett ihn baͤndigte, ging, insgeheim in das Richthaus
Fuͤhren laſſen. Jzt kamen das Volk und die Prieſter zuruͤcke.
So wie ſie gegen Gabbatha gingen, ſo ward der Gefangne
Gegen ſie her, auf der Hoͤhe, gefuͤhrt. Sein gluͤhendes Auge
Schweifte ſeitwaͤrts herum, er hielt den ſchnaubenden Athem.
Nicht die Reue, die Wut, bog ihm den ſtraͤubenden Nacken.
Alſo ſtand er gebuͤckt, und ſchluckte zornigen Schaum ein,
Und
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[54/0078] Der Meſſias. Siehe, der Prieſter Gottes verklagt ihn! und ſandte den Gott uns, Den er verlaͤßt? Er verlaͤßt ihn! Jhr ſeht ihn in Ketten! Die Heiden Richten ihn, doch zu gelinde! Sie kennen nicht ganz den Empoͤrer! Bittet heut um keinen Gefangnen, die blinden Bewundrer Seiner Thaten, ſie moͤchten fuͤr ihn den Roͤmer erbitten: Und ihr haͤttet die Bitte veranlaßt, euch traͤfe die Suͤnde! Maͤnner! ihr ſeyd das heilige Volk! Euch ſchimmert der Tempel! Euch nur flammen vom hohen Altare die Opfer gen Himmel! Raͤcht, euch ruft der Staub der Propheten! ſein heilig Gebein ruft, Abrams Gebein, auf, raͤcht den groͤßten unter den Vaͤtern! Alſo rotteten ſie zu ihren Rotten die Menge, Tauſende riſſen Tauſende fort; der Zweifelnden waren Wenige; weniger noch der Tugendhaften und Treuen! So ſtehn, wenn der geſchmetterte Wald vor dem wilden Orkane, Auf vielmeiligten Bergen die langen Ruͤcken herunter Liegt, noch einſame Cedern, und tragen die bebende Wolke. Unterdeß hatte Pilatus, fuͤr Jeſum das Volk zu bewegen, Einen berufnen Gefangnen, von dem viel Sagens im Lande, Eh die Kett ihn baͤndigte, ging, insgeheim in das Richthaus Fuͤhren laſſen. Jzt kamen das Volk und die Prieſter zuruͤcke. So wie ſie gegen Gabbatha gingen, ſo ward der Gefangne Gegen ſie her, auf der Hoͤhe, gefuͤhrt. Sein gluͤhendes Auge Schweifte ſeitwaͤrts herum, er hielt den ſchnaubenden Athem. Nicht die Reue, die Wut, bog ihm den ſtraͤubenden Nacken. Alſo ſtand er gebuͤckt, und ſchluckte zornigen Schaum ein, Und

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/78>, abgerufen am 25.11.2024.