Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebender Gesang.

Halten solle, die dir, vielleicht zu klein noch, der Ruf gab!
Nicht, als ob ich zweifle, du habst sie vollendet; mein Auge
Wünscht nur, dich handeln zu sehn, nur dich zu bewundern! Und weil du
Eh denn Abraham warst; so bist du auch grösser, als Moses,
Grösser, als alle Propheten nach ihm: so ist es auch deiner
Würdig, über sie alle, durch übertreffende Wunder,
Dich zu erhöhn! Und, daß dich die Wahl nicht verweile, so sondr' ich
Nur erhabne dir aus! Sieh, iedes ist würdig des Thäters.
Dort erhebt sich Moria: Du siehst des Tempels Gewölbe
Und die Zinne des glänzenden Tempels! Sie thürmte sich empor! sprich!
Neige dich, Zinne, vor dem Propheten! Jm Schoosse des Tempels
Liegen Davids Gebeine! Wie würde der heilige König
Jauchzen, wenn er Jerusalem sähe! Wie würden wir staunen,
Wenn wir ihn sähen! O ruf, Prophet, des Königs Gebeinen,
Daß er die dunkeln Wölbungen flieh, und lebend herumgeh!
Aber du schweigst! So gebeut dem Jordan: Erhebe dich, Jordan!
Wende den wogigten Strom! fleuß um Jerusalem! schütze
Jhre schimmernden Thürme, dann kehr in Genezaret wieder!
Oder befiehls dem Sion, daß er sich erhebe, dem Himmel
Näher sich lagr' auf des Oelbergs Gipfel. Es schaun ihm die Völker
Unter dem grossen umhergewofnen Schatten, erstaunt nach!
Noch verstummst du! Er sagts, und wuste nicht, wem er es sagte!
Wuste nicht, daß der gefürchteten Hügel, und der gebückten
Königreiche Tyrann vor dem, mit welchem er redte,
Nun erhöhterer Staub sey! ... Herodes rief ihm noch einmal:

Und du verstummst? Der Gottmensch, er sahe, mit Einem Blicke
Seiner Hoheit, ihn an! Herodes verkennt ihn in allem;
Den
D 2

Siebender Geſang.

Halten ſolle, die dir, vielleicht zu klein noch, der Ruf gab!
Nicht, als ob ich zweifle, du habſt ſie vollendet; mein Auge
Wuͤnſcht nur, dich handeln zu ſehn, nur dich zu bewundern! Und weil du
Eh denn Abraham warſt; ſo biſt du auch groͤſſer, als Moſes,
Groͤſſer, als alle Propheten nach ihm: ſo iſt es auch deiner
Wuͤrdig, uͤber ſie alle, durch uͤbertreffende Wunder,
Dich zu erhoͤhn! Und, daß dich die Wahl nicht verweile, ſo ſondr’ ich
Nur erhabne dir aus! Sieh, iedes iſt wuͤrdig des Thaͤters.
Dort erhebt ſich Moria: Du ſiehſt des Tempels Gewoͤlbe
Und die Zinne des glaͤnzenden Tempels! Sie thuͤrmte ſich empor! ſprich!
Neige dich, Zinne, vor dem Propheten! Jm Schooſſe des Tempels
Liegen Davids Gebeine! Wie wuͤrde der heilige Koͤnig
Jauchzen, wenn er Jeruſalem ſaͤhe! Wie wuͤrden wir ſtaunen,
Wenn wir ihn ſaͤhen! O ruf, Prophet, des Koͤnigs Gebeinen,
Daß er die dunkeln Woͤlbungen flieh, und lebend herumgeh!
Aber du ſchweigſt! So gebeut dem Jordan: Erhebe dich, Jordan!
Wende den wogigten Strom! fleuß um Jeruſalem! ſchuͤtze
Jhre ſchimmernden Thuͤrme, dann kehr in Genezaret wieder!
Oder befiehls dem Sion, daß er ſich erhebe, dem Himmel
Naͤher ſich lagr’ auf des Oelbergs Gipfel. Es ſchaun ihm die Voͤlker
Unter dem groſſen umhergewofnen Schatten, erſtaunt nach!
Noch verſtummſt du! Er ſagts, und wuſte nicht, wem er es ſagte!
Wuſte nicht, daß der gefuͤrchteten Huͤgel, und der gebuͤckten
Koͤnigreiche Tyrann vor dem, mit welchem er redte,
Nun erhoͤhterer Staub ſey! … Herodes rief ihm noch einmal:

Und du verſtummſt? Der Gottmenſch, er ſahe, mit Einem Blicke
Seiner Hoheit, ihn an! Herodes verkennt ihn in allem;
Den
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="31">
              <l>
                <pb facs="#f0075" n="51"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebender Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Halten &#x017F;olle, die dir, vielleicht zu klein noch, der Ruf gab!</l><lb/>
              <l>Nicht, als ob ich zweifle, du hab&#x017F;t &#x017F;ie vollendet; mein Auge</l><lb/>
              <l>Wu&#x0364;n&#x017F;cht nur, dich handeln zu &#x017F;ehn, nur dich zu bewundern! Und weil du</l><lb/>
              <l>Eh denn Abraham war&#x017F;t; &#x017F;o bi&#x017F;t du auch gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als Mo&#x017F;es,</l><lb/>
              <l>Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als alle Propheten nach ihm: &#x017F;o i&#x017F;t es auch deiner</l><lb/>
              <l>Wu&#x0364;rdig, u&#x0364;ber &#x017F;ie alle, durch u&#x0364;bertreffende Wunder,</l><lb/>
              <l>Dich zu erho&#x0364;hn! Und, daß dich die Wahl nicht verweile, &#x017F;o &#x017F;ondr&#x2019; ich</l><lb/>
              <l>Nur erhabne dir aus! Sieh, iedes i&#x017F;t wu&#x0364;rdig des Tha&#x0364;ters.</l><lb/>
              <l>Dort erhebt &#x017F;ich Moria: Du &#x017F;ieh&#x017F;t des Tempels Gewo&#x0364;lbe</l><lb/>
              <l>Und die Zinne des gla&#x0364;nzenden Tempels! Sie thu&#x0364;rmte &#x017F;ich empor! &#x017F;prich!</l><lb/>
              <l>Neige dich, Zinne, vor dem Propheten! Jm Schoo&#x017F;&#x017F;e des Tempels</l><lb/>
              <l>Liegen Davids Gebeine! Wie wu&#x0364;rde der heilige Ko&#x0364;nig</l><lb/>
              <l>Jauchzen, wenn er Jeru&#x017F;alem &#x017F;a&#x0364;he! Wie wu&#x0364;rden wir &#x017F;taunen,</l><lb/>
              <l>Wenn wir ihn &#x017F;a&#x0364;hen! O ruf, Prophet, des Ko&#x0364;nigs Gebeinen,</l><lb/>
              <l>Daß er die dunkeln Wo&#x0364;lbungen flieh, und lebend herumgeh!</l><lb/>
              <l>Aber du &#x017F;chweig&#x017F;t! So gebeut dem Jordan: Erhebe dich, Jordan!</l><lb/>
              <l>Wende den wogigten Strom! fleuß um Jeru&#x017F;alem! &#x017F;chu&#x0364;tze</l><lb/>
              <l>Jhre &#x017F;chimmernden Thu&#x0364;rme, dann kehr in Genezaret wieder!</l><lb/>
              <l>Oder befiehls dem Sion, daß er &#x017F;ich erhebe, dem Himmel</l><lb/>
              <l>Na&#x0364;her &#x017F;ich lagr&#x2019; auf des Oelbergs Gipfel. Es &#x017F;chaun ihm die Vo&#x0364;lker</l><lb/>
              <l>Unter dem gro&#x017F;&#x017F;en umhergewofnen Schatten, er&#x017F;taunt nach!</l><lb/>
              <l>Noch ver&#x017F;tumm&#x017F;t du! Er &#x017F;agts, und wu&#x017F;te nicht, wem er es &#x017F;agte!</l><lb/>
              <l>Wu&#x017F;te nicht, daß der gefu&#x0364;rchteten Hu&#x0364;gel, und der gebu&#x0364;ckten</l><lb/>
              <l>Ko&#x0364;nigreiche Tyrann vor dem, mit welchem er redte,</l><lb/>
              <l>Nun erho&#x0364;hterer Staub &#x017F;ey! &#x2026; Herodes rief ihm noch einmal:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="32">
              <l>Und du ver&#x017F;tumm&#x017F;t? Der Gottmen&#x017F;ch, er &#x017F;ahe, mit Einem Blicke</l><lb/>
              <l>Seiner Hoheit, ihn an! Herodes verkennt ihn in allem;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0075] Siebender Geſang. Halten ſolle, die dir, vielleicht zu klein noch, der Ruf gab! Nicht, als ob ich zweifle, du habſt ſie vollendet; mein Auge Wuͤnſcht nur, dich handeln zu ſehn, nur dich zu bewundern! Und weil du Eh denn Abraham warſt; ſo biſt du auch groͤſſer, als Moſes, Groͤſſer, als alle Propheten nach ihm: ſo iſt es auch deiner Wuͤrdig, uͤber ſie alle, durch uͤbertreffende Wunder, Dich zu erhoͤhn! Und, daß dich die Wahl nicht verweile, ſo ſondr’ ich Nur erhabne dir aus! Sieh, iedes iſt wuͤrdig des Thaͤters. Dort erhebt ſich Moria: Du ſiehſt des Tempels Gewoͤlbe Und die Zinne des glaͤnzenden Tempels! Sie thuͤrmte ſich empor! ſprich! Neige dich, Zinne, vor dem Propheten! Jm Schooſſe des Tempels Liegen Davids Gebeine! Wie wuͤrde der heilige Koͤnig Jauchzen, wenn er Jeruſalem ſaͤhe! Wie wuͤrden wir ſtaunen, Wenn wir ihn ſaͤhen! O ruf, Prophet, des Koͤnigs Gebeinen, Daß er die dunkeln Woͤlbungen flieh, und lebend herumgeh! Aber du ſchweigſt! So gebeut dem Jordan: Erhebe dich, Jordan! Wende den wogigten Strom! fleuß um Jeruſalem! ſchuͤtze Jhre ſchimmernden Thuͤrme, dann kehr in Genezaret wieder! Oder befiehls dem Sion, daß er ſich erhebe, dem Himmel Naͤher ſich lagr’ auf des Oelbergs Gipfel. Es ſchaun ihm die Voͤlker Unter dem groſſen umhergewofnen Schatten, erſtaunt nach! Noch verſtummſt du! Er ſagts, und wuſte nicht, wem er es ſagte! Wuſte nicht, daß der gefuͤrchteten Huͤgel, und der gebuͤckten Koͤnigreiche Tyrann vor dem, mit welchem er redte, Nun erhoͤhterer Staub ſey! … Herodes rief ihm noch einmal: Und du verſtummſt? Der Gottmenſch, er ſahe, mit Einem Blicke Seiner Hoheit, ihn an! Herodes verkennt ihn in allem; Den D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/75
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/75>, abgerufen am 22.11.2024.