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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Der Messias.

Sanfter Stimme die Römerinn: Jch bin Portia. ... Du bist
Portia selbst? ... Ein geheimes, ein linderndes, stilles Verlangen
Wünschte mir Portia so, da ich dich sahe. Du bist es
Also selber? O Römerinn! ... zwar du kennest die Schmerzen
Einer Mutter nicht ganz, die zu einem Volke gehöret,
Welches ihr haßt, doch Jsraelitinnen selber sie sagen,
Daß dein Herz voll Menschlichkeit sey! Der Mann, den Pilatus
Richtet! er hat kein Unrecht gethan! den Tyrannen verklagen!
Jch bin seine Mutter! ... Maria hatt' es gesprochen.
Portia blieb vor ihr stehn, und sah sie mit sanftem Erstaunen,
Mit Entzückungen an. Denn über den Kummer des Mitleids
Siegte der höhre Gedanke. Sie konnte izt nur bewundern.
Endlich rief sie: Er ist dein Sohn? Glückselige, du bist
Dieses Göttlichen Mutter? Du bist Maria? Dann wendet
Sie sich von ihr, und richtet gen Himmel ihr staunendes Auge.

Sie ist seine Mutter, ihr Götter! Euch mein' ich, ihr edlern,
Bessern Götter, die mir, in dem Traume voll Ernst, sich entdekten.
Jupiter heißt ihr nicht, ihr heißt nicht Phöbus Apollo!
Aber wie euer Namen auch heißt, ihr seyd es, ihr sandtet
Mir die Mutter des größten der Menschen, wenn er ein Mensch ist!
Und mich bittet sie? mich? ... Nein, bitte mich nicht! O führe
Mich vielmehr zu ihm hin, zu deinem erhabenen Sohne,
Daß er der Dunkelheit mich, den Zweifeln, entreisse! von fern nur
Auf mich herseh, und mir die Lehre der Gottheit entfalte.
Portia hatte sich wieder gewandt. Mit Augen voll Liebe
Suchte Maria der Römerinn Auge; sie fand es, und sagte:
Wie

Der Meſſias.

Sanfter Stimme die Roͤmerinn: Jch bin Portia. … Du biſt
Portia ſelbſt? … Ein geheimes, ein linderndes, ſtilles Verlangen
Wuͤnſchte mir Portia ſo, da ich dich ſahe. Du biſt es
Alſo ſelber? O Roͤmerinn! … zwar du kenneſt die Schmerzen
Einer Mutter nicht ganz, die zu einem Volke gehoͤret,
Welches ihr haßt, doch Jſraelitinnen ſelber ſie ſagen,
Daß dein Herz voll Menſchlichkeit ſey! Der Mann, den Pilatus
Richtet! er hat kein Unrecht gethan! den Tyrannen verklagen!
Jch bin ſeine Mutter! … Maria hatt’ es geſprochen.
Portia blieb vor ihr ſtehn, und ſah ſie mit ſanftem Erſtaunen,
Mit Entzuͤckungen an. Denn uͤber den Kummer des Mitleids
Siegte der hoͤhre Gedanke. Sie konnte izt nur bewundern.
Endlich rief ſie: Er iſt dein Sohn? Gluͤckſelige, du biſt
Dieſes Goͤttlichen Mutter? Du biſt Maria? Dann wendet
Sie ſich von ihr, und richtet gen Himmel ihr ſtaunendes Auge.

Sie iſt ſeine Mutter, ihr Goͤtter! Euch mein’ ich, ihr edlern,
Beſſern Goͤtter, die mir, in dem Traume voll Ernſt, ſich entdekten.
Jupiter heißt ihr nicht, ihr heißt nicht Phoͤbus Apollo!
Aber wie euer Namen auch heißt, ihr ſeyd es, ihr ſandtet
Mir die Mutter des groͤßten der Menſchen, wenn er ein Menſch iſt!
Und mich bittet ſie? mich? … Nein, bitte mich nicht! O fuͤhre
Mich vielmehr zu ihm hin, zu deinem erhabenen Sohne,
Daß er der Dunkelheit mich, den Zweifeln, entreiſſe! von fern nur
Auf mich herſeh, und mir die Lehre der Gottheit entfalte.
Portia hatte ſich wieder gewandt. Mit Augen voll Liebe
Suchte Maria der Roͤmerinn Auge; ſie fand es, und ſagte:
Wie
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[42/0066] Der Meſſias. Sanfter Stimme die Roͤmerinn: Jch bin Portia. … Du biſt Portia ſelbſt? … Ein geheimes, ein linderndes, ſtilles Verlangen Wuͤnſchte mir Portia ſo, da ich dich ſahe. Du biſt es Alſo ſelber? O Roͤmerinn! … zwar du kenneſt die Schmerzen Einer Mutter nicht ganz, die zu einem Volke gehoͤret, Welches ihr haßt, doch Jſraelitinnen ſelber ſie ſagen, Daß dein Herz voll Menſchlichkeit ſey! Der Mann, den Pilatus Richtet! er hat kein Unrecht gethan! den Tyrannen verklagen! Jch bin ſeine Mutter! … Maria hatt’ es geſprochen. Portia blieb vor ihr ſtehn, und ſah ſie mit ſanftem Erſtaunen, Mit Entzuͤckungen an. Denn uͤber den Kummer des Mitleids Siegte der hoͤhre Gedanke. Sie konnte izt nur bewundern. Endlich rief ſie: Er iſt dein Sohn? Gluͤckſelige, du biſt Dieſes Goͤttlichen Mutter? Du biſt Maria? Dann wendet Sie ſich von ihr, und richtet gen Himmel ihr ſtaunendes Auge. Sie iſt ſeine Mutter, ihr Goͤtter! Euch mein’ ich, ihr edlern, Beſſern Goͤtter, die mir, in dem Traume voll Ernſt, ſich entdekten. Jupiter heißt ihr nicht, ihr heißt nicht Phoͤbus Apollo! Aber wie euer Namen auch heißt, ihr ſeyd es, ihr ſandtet Mir die Mutter des groͤßten der Menſchen, wenn er ein Menſch iſt! Und mich bittet ſie? mich? … Nein, bitte mich nicht! O fuͤhre Mich vielmehr zu ihm hin, zu deinem erhabenen Sohne, Daß er der Dunkelheit mich, den Zweifeln, entreiſſe! von fern nur Auf mich herſeh, und mir die Lehre der Gottheit entfalte. Portia hatte ſich wieder gewandt. Mit Augen voll Liebe Suchte Maria der Roͤmerinn Auge; ſie fand es, und ſagte: Wie

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/66>, abgerufen am 24.11.2024.