[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Aber der Gottmensch stand tiefsinnig, der großen Erlösung Leiden ruhten auf ihm. Der Tode tödtlichster rief ihn Zum Altare. Die Menschen, die neben ihm wüteten, waren Opferer nur. Er bemerke sie kaum. So bemerket der Feldherr, Den das Vaterland sandte, den kühnen Erobrer zu strafen, Und die zürnende Thräne der Freygebohrnen den Stolzen Fühlen zu lassen! er merkt den Staub der würgenden Schlacht nicht! Aber so sehr er ein Römer auch war, so bewundert Pilatus Doch den schweigenden Mittler. Du hörst die mächtige Klage, Und doch schweigst du? ... Vielleicht willst du vor dieser Versammlung Dich nicht vertheidigen? Komm! Der Gottmensch folgt ihm ins Richthaus. Jtzo irrte die Ungewißheit mit wankenden Schritten Um die Priester, und zeichnet' ihr Antliz mit bebender Blässe. Doch ein verworfuerer Sünder, als sie, der schwarze Verräther Seines göttlichen Freundes, als er den kommenden Tod sah, Dem
Aber der Gottmenſch ſtand tiefſinnig, der großen Erloͤſung Leiden ruhten auf ihm. Der Tode toͤdtlichſter rief ihn Zum Altare. Die Menſchen, die neben ihm wuͤteten, waren Opferer nur. Er bemerke ſie kaum. So bemerket der Feldherr, Den das Vaterland ſandte, den kuͤhnen Erobrer zu ſtrafen, Und die zuͤrnende Thraͤne der Freygebohrnen den Stolzen Fuͤhlen zu laſſen! er merkt den Staub der wuͤrgenden Schlacht nicht! Aber ſo ſehr er ein Roͤmer auch war, ſo bewundert Pilatus Doch den ſchweigenden Mittler. Du hoͤrſt die maͤchtige Klage, Und doch ſchweigſt du? … Vielleicht willſt du vor dieſer Verſammlung Dich nicht vertheidigen? Komm! Der Gottmenſch folgt ihm ins Richthaus. Jtzo irrte die Ungewißheit mit wankenden Schritten Um die Prieſter, und zeichnet’ ihr Antliz mit bebender Blaͤſſe. Doch ein verworfuerer Suͤnder, als ſie, der ſchwarze Verraͤther Seines goͤttlichen Freundes, als er den kommenden Tod ſah, Dem
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Der Meſſias.
Jhn zum Koͤnig zu machen. Sie eilten, und drangen, und riefen
Schon um ihn her. Er ſahs, und entwich, noch mehr ſie zu reizen.
Und es gelang ihm, ſie ſuchten ihn auf. Der reiſſende Strom zog
Neue Stroͤme zu ſich. Zulezt (nun waren die Voͤlker
Maͤchtig genung, nun entwich er nicht mehr!) kam er in dem Triumphe
Nach Jeruſalem. Aber ſo ſehr das Volk ihm auch anhing,
Wars doch zu unentſchloſſen, Jeruſalems Vaͤter zu zwingen,
Seinem Koͤnig entgegen zu gehn. Und waͤr es, Pilatus,
Auch hierzu entſchloſſen geweſen; ſo haͤtten die Vaͤter,
Alle die grauen Haͤupter, die du, Pilatus, hier ſieheſt,
Alle wir Diener des groͤßten der Tempel, wir haͤtten mit Freuden
Dann fuͤr unſern Caͤſar geblutet! So ſagte der Prieſter.
Aber der Gottmenſch ſtand tiefſinnig, der großen Erloͤſung
Leiden ruhten auf ihm. Der Tode toͤdtlichſter rief ihn
Zum Altare. Die Menſchen, die neben ihm wuͤteten, waren
Opferer nur. Er bemerke ſie kaum. So bemerket der Feldherr,
Den das Vaterland ſandte, den kuͤhnen Erobrer zu ſtrafen,
Und die zuͤrnende Thraͤne der Freygebohrnen den Stolzen
Fuͤhlen zu laſſen! er merkt den Staub der wuͤrgenden Schlacht nicht!
Aber ſo ſehr er ein Roͤmer auch war, ſo bewundert Pilatus
Doch den ſchweigenden Mittler. Du hoͤrſt die maͤchtige Klage,
Und doch ſchweigſt du? … Vielleicht willſt du vor dieſer Verſammlung
Dich nicht vertheidigen? Komm! Der Gottmenſch folgt ihm ins Richthaus.
Jtzo irrte die Ungewißheit mit wankenden Schritten
Um die Prieſter, und zeichnet’ ihr Antliz mit bebender Blaͤſſe.
Doch ein verworfuerer Suͤnder, als ſie, der ſchwarze Verraͤther
Seines goͤttlichen Freundes, als er den kommenden Tod ſah,
Dem
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