Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechster Gesang.

Wieder empor. Jch bau ihn! ... Das war er fähig, zu sagen.
Neben ihm stand ein andrer da, und zeugte dasselbe.

Auch ein Greis entehrte sein Alter, und sagte: Zu Zöllnern,
Diesen Sündern gesellt, (ich bin ein Zöllner gewesen,)
Hat er jene Weisheit erfunden, die Mosen verachten,
Und, durch Heilung sündiger Kranken, den Sabbat entweihn lehrt.
Also zeugten die Zeugen; und ringsum strömt der Erwartung
Blick auf Jesum, wie sich der Empörer vertheidigen werde.
So stehn um den sterbenden Christen, mit bleichen Gedanken,
Und mit halben Freuden, die gern sich freuten, die Haufen
Niedriger Spötter, und athmen leiser, und stammeln Erwartung
Auch ihm wird der mutige Traum vom unsterblichen Leben,
Wie er selber, vergehn. Er bekennts noch! Aber der Weise
Betet für sie, und für sich, und lächelt die Gräber vorüber.
So starrt Jesum das wartende Volk an. Aber der Gottmensch
Schweigt. ... Und Kaiphas riß geflügelter Grimm fort, er sagt
Sünder, schweigst du zu dem, was diese wider dich zeugen?
Aber der Gottmensch schwieg. Da ergrimmte der Priester von neuem.
Rede! Beym lebenden Gott beschwör ich dich: Bist du Christus?
Christus, des Angebeteten Sohn? Er hatt' es gesprochen
Und nun stand er emporgerichtet, und schaute Verderben.
Satan schaute mit ihm. Der Todesengel Obaddon,
Philos Engel, er dacht' entflammt auf die Sünder herunter:
Würdigt er einer Antwort die Würger, so ist es Erbarmung.
Aber es rüstet sich schon mit allen Schrecken der Rache,
Die Gott schrekte, seitdem der Donner am Throne gerollt hat,
Sieh, er zieht sein Gericht an, und kömmt, der Lezte der Tage!
Dunkler,
B 2

Sechſter Geſang.

Wieder empor. Jch bau ihn! … Das war er faͤhig, zu ſagen.
Neben ihm ſtand ein andrer da, und zeugte daſſelbe.

Auch ein Greis entehrte ſein Alter, und ſagte: Zu Zoͤllnern,
Dieſen Suͤndern geſellt, (ich bin ein Zoͤllner geweſen,)
Hat er jene Weisheit erfunden, die Moſen verachten,
Und, durch Heilung ſuͤndiger Kranken, den Sabbat entweihn lehrt.
Alſo zeugten die Zeugen; und ringsum ſtroͤmt der Erwartung
Blick auf Jeſum, wie ſich der Empoͤrer vertheidigen werde.
So ſtehn um den ſterbenden Chriſten, mit bleichen Gedanken,
Und mit halben Freuden, die gern ſich freuten, die Haufen
Niedriger Spoͤtter, und athmen leiſer, und ſtammeln Erwartung
Auch ihm wird der mutige Traum vom unſterblichen Leben,
Wie er ſelber, vergehn. Er bekennts noch! Aber der Weiſe
Betet fuͤr ſie, und fuͤr ſich, und laͤchelt die Graͤber voruͤber.
So ſtarrt Jeſum das wartende Volk an. Aber der Gottmenſch
Schweigt. … Und Kaiphas riß gefluͤgelter Grimm fort, er ſagt
Suͤnder, ſchweigſt du zu dem, was dieſe wider dich zeugen?
Aber der Gottmenſch ſchwieg. Da ergrimmte der Prieſter von neuem.
Rede! Beym lebenden Gott beſchwoͤr ich dich: Biſt du Chriſtus?
Chriſtus, des Angebeteten Sohn? Er hatt’ es geſprochen
Und nun ſtand er emporgerichtet, und ſchaute Verderben.
Satan ſchaute mit ihm. Der Todesengel Obaddon,
Philos Engel, er dacht’ entflammt auf die Suͤnder herunter:
Wuͤrdigt er einer Antwort die Wuͤrger, ſo iſt es Erbarmung.
Aber es ruͤſtet ſich ſchon mit allen Schrecken der Rache,
Die Gott ſchrekte, ſeitdem der Donner am Throne gerollt hat,
Sieh, er zieht ſein Gericht an, und koͤmmt, der Lezte der Tage!
Dunkler,
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="25">
              <l>
                <pb facs="#f0041" n="19"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sech&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Wieder empor. Jch bau ihn! &#x2026; Das war er fa&#x0364;hig, zu &#x017F;agen.</l><lb/>
              <l>Neben ihm &#x017F;tand ein andrer da, und zeugte da&#x017F;&#x017F;elbe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <l>Auch ein Greis entehrte &#x017F;ein Alter, und &#x017F;agte: Zu Zo&#x0364;llnern,</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;en Su&#x0364;ndern ge&#x017F;ellt, (ich bin ein Zo&#x0364;llner gewe&#x017F;en,)</l><lb/>
              <l>Hat er jene Weisheit erfunden, die Mo&#x017F;en verachten,</l><lb/>
              <l>Und, durch Heilung &#x017F;u&#x0364;ndiger Kranken, den Sabbat entweihn lehrt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="27">
              <l>Al&#x017F;o zeugten die Zeugen; und ringsum &#x017F;tro&#x0364;mt der Erwartung</l><lb/>
              <l>Blick auf Je&#x017F;um, wie &#x017F;ich der Empo&#x0364;rer vertheidigen werde.</l><lb/>
              <l>So &#x017F;tehn um den &#x017F;terbenden Chri&#x017F;ten, mit bleichen Gedanken,</l><lb/>
              <l>Und mit halben Freuden, die gern &#x017F;ich freuten, die Haufen</l><lb/>
              <l>Niedriger Spo&#x0364;tter, und athmen lei&#x017F;er, und &#x017F;tammeln Erwartung</l><lb/>
              <l>Auch ihm wird der mutige Traum vom un&#x017F;terblichen Leben,</l><lb/>
              <l>Wie er &#x017F;elber, vergehn. Er bekennts noch! Aber der Wei&#x017F;e</l><lb/>
              <l>Betet fu&#x0364;r &#x017F;ie, und fu&#x0364;r &#x017F;ich, und la&#x0364;chelt die Gra&#x0364;ber voru&#x0364;ber.</l><lb/>
              <l>So &#x017F;tarrt Je&#x017F;um das wartende Volk an. Aber der Gottmen&#x017F;ch</l><lb/>
              <l>Schweigt. &#x2026; Und Kaiphas riß geflu&#x0364;gelter Grimm fort, er &#x017F;agt</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <l>Su&#x0364;nder, &#x017F;chweig&#x017F;t du zu dem, was die&#x017F;e wider dich zeugen?</l><lb/>
              <l>Aber der Gottmen&#x017F;ch &#x017F;chwieg. Da ergrimmte der Prie&#x017F;ter von neuem.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l>Rede! Beym lebenden Gott be&#x017F;chwo&#x0364;r ich dich: Bi&#x017F;t du Chri&#x017F;tus?</l><lb/>
              <l>Chri&#x017F;tus, des Angebeteten Sohn? Er hatt&#x2019; es ge&#x017F;prochen</l><lb/>
              <l>Und nun &#x017F;tand er emporgerichtet, und &#x017F;chaute Verderben.</l><lb/>
              <l>Satan &#x017F;chaute mit ihm. Der Todesengel Obaddon,</l><lb/>
              <l>Philos Engel, er dacht&#x2019; entflammt auf die Su&#x0364;nder herunter:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="30">
              <l>Wu&#x0364;rdigt er einer Antwort die Wu&#x0364;rger, &#x017F;o i&#x017F;t es Erbarmung.</l><lb/>
              <l>Aber es ru&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;ich &#x017F;chon mit allen Schrecken der Rache,</l><lb/>
              <l>Die Gott &#x017F;chrekte, &#x017F;eitdem der Donner am Throne gerollt hat,</l><lb/>
              <l>Sieh, er zieht &#x017F;ein Gericht an, und ko&#x0364;mmt, der Lezte der Tage!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Dunkler,</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0041] Sechſter Geſang. Wieder empor. Jch bau ihn! … Das war er faͤhig, zu ſagen. Neben ihm ſtand ein andrer da, und zeugte daſſelbe. Auch ein Greis entehrte ſein Alter, und ſagte: Zu Zoͤllnern, Dieſen Suͤndern geſellt, (ich bin ein Zoͤllner geweſen,) Hat er jene Weisheit erfunden, die Moſen verachten, Und, durch Heilung ſuͤndiger Kranken, den Sabbat entweihn lehrt. Alſo zeugten die Zeugen; und ringsum ſtroͤmt der Erwartung Blick auf Jeſum, wie ſich der Empoͤrer vertheidigen werde. So ſtehn um den ſterbenden Chriſten, mit bleichen Gedanken, Und mit halben Freuden, die gern ſich freuten, die Haufen Niedriger Spoͤtter, und athmen leiſer, und ſtammeln Erwartung Auch ihm wird der mutige Traum vom unſterblichen Leben, Wie er ſelber, vergehn. Er bekennts noch! Aber der Weiſe Betet fuͤr ſie, und fuͤr ſich, und laͤchelt die Graͤber voruͤber. So ſtarrt Jeſum das wartende Volk an. Aber der Gottmenſch Schweigt. … Und Kaiphas riß gefluͤgelter Grimm fort, er ſagt Suͤnder, ſchweigſt du zu dem, was dieſe wider dich zeugen? Aber der Gottmenſch ſchwieg. Da ergrimmte der Prieſter von neuem. Rede! Beym lebenden Gott beſchwoͤr ich dich: Biſt du Chriſtus? Chriſtus, des Angebeteten Sohn? Er hatt’ es geſprochen Und nun ſtand er emporgerichtet, und ſchaute Verderben. Satan ſchaute mit ihm. Der Todesengel Obaddon, Philos Engel, er dacht’ entflammt auf die Suͤnder herunter: Wuͤrdigt er einer Antwort die Wuͤrger, ſo iſt es Erbarmung. Aber es ruͤſtet ſich ſchon mit allen Schrecken der Rache, Die Gott ſchrekte, ſeitdem der Donner am Throne gerollt hat, Sieh, er zieht ſein Gericht an, und koͤmmt, der Lezte der Tage! Dunkler, B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/41
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/41>, abgerufen am 21.11.2024.