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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Der Messias.

Hinzuneigen. ... Eloa, vom Werthe der heiligen Stunden
Hingerissen, (sie waren ihm mehr, als die jauchzenden Stunden
Seiner frühen Geburt!) so ergriffen, hüllt' er sein Antliz
Gegen Gabriel auf, und sprach zu dem göttlichen Freunde:

Sahst du ihn leiden? Jch bebe noch! Gabriel, sahst du ihn leiden?
Keine Namen im Himmel, und keine Sprache der Engel
Nennt mir, was ich empfand! Du hast ihn selber gesehen!
Und ... was wird er noch leiden! An iedem Augenblick hangen
Ewigkeiten! ... Er schwieg. Und Gabriel sprach: Jch vertiefte
Mich Jahrtausende schon, das künftige Wunder zu lernen,
Es nur dunkel zu lernen, nicht auszuforschen; Doch irrt ich!
Laß uns schweigen! Es ist rund um uns heilig! Zwar Gräber
Liegen auch um uns her; doch werden dort Engel erwachen!
Schlummert im Frieden! ... Aber o sieh, wer drüben im Dunkeln
Wild mit Flammen heraufzieht. Euch sandte der Abgrund, Empörer!
Welch ein niedriger Haufen! Allein der Schöpfer des Sandkorns
Und der Sonnen, der Ewige herrscht, durch den Wurm, und den Seraph!
Und ihr Führer, ihr Führer! Eloa. So wird er nicht wandeln,
Wenn die Posaune den Staub aus jenen Hügeln hervorruft,
Die vor dem Richter ihn dekten, dann wirst du so frölich nicht wandeln,
Du Verräther! Er sprachs. Der Haufen nahte sich wütend,
Trug die Flammen empor, und irrte mit suchendem Auge
Durchs Labyrinth der Bäum' und der Nacht. Jhn sahe der Gottmensch,
Nun erhub sich die dunkelste Nacht, die über ihn herging,
Wolkigt empor, und, als sie sich hub, entflossen ihr Schauer.
Einer ergrif den Verräther. Er trozte der mächtigen Warnung,
Und so rüstet' er sich: Wo ist er? Die Lieblinge sahn ihn,
Wie

Der Meſſias.

Hinzuneigen. … Eloa, vom Werthe der heiligen Stunden
Hingeriſſen, (ſie waren ihm mehr, als die jauchzenden Stunden
Seiner fruͤhen Geburt!) ſo ergriffen, huͤllt’ er ſein Antliz
Gegen Gabriel auf, und ſprach zu dem goͤttlichen Freunde:

Sahſt du ihn leiden? Jch bebe noch! Gabriel, ſahſt du ihn leiden?
Keine Namen im Himmel, und keine Sprache der Engel
Nennt mir, was ich empfand! Du haſt ihn ſelber geſehen!
Und … was wird er noch leiden! An iedem Augenblick hangen
Ewigkeiten! … Er ſchwieg. Und Gabriel ſprach: Jch vertiefte
Mich Jahrtauſende ſchon, das kuͤnftige Wunder zu lernen,
Es nur dunkel zu lernen, nicht auszuforſchen; Doch irrt ich!
Laß uns ſchweigen! Es iſt rund um uns heilig! Zwar Graͤber
Liegen auch um uns her; doch werden dort Engel erwachen!
Schlummert im Frieden! … Aber o ſieh, wer druͤben im Dunkeln
Wild mit Flammen heraufzieht. Euch ſandte der Abgrund, Empoͤrer!
Welch ein niedriger Haufen! Allein der Schoͤpfer des Sandkorns
Und der Sonnen, der Ewige herrſcht, durch den Wurm, und den Seraph!
Und ihr Fuͤhrer, ihr Fuͤhrer! Eloa. So wird er nicht wandeln,
Wenn die Poſaune den Staub aus jenen Huͤgeln hervorruft,
Die vor dem Richter ihn dekten, dann wirſt du ſo froͤlich nicht wandeln,
Du Verraͤther! Er ſprachs. Der Haufen nahte ſich wuͤtend,
Trug die Flammen empor, und irrte mit ſuchendem Auge
Durchs Labyrinth der Baͤum’ und der Nacht. Jhn ſahe der Gottmenſch,
Nun erhub ſich die dunkelſte Nacht, die uͤber ihn herging,
Wolkigt empor, und, als ſie ſich hub, entfloſſen ihr Schauer.
Einer ergrif den Verraͤther. Er trozte der maͤchtigen Warnung,
Und ſo ruͤſtet’ er ſich: Wo iſt er? Die Lieblinge ſahn ihn,
Wie
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[4/0026] Der Meſſias. Hinzuneigen. … Eloa, vom Werthe der heiligen Stunden Hingeriſſen, (ſie waren ihm mehr, als die jauchzenden Stunden Seiner fruͤhen Geburt!) ſo ergriffen, huͤllt’ er ſein Antliz Gegen Gabriel auf, und ſprach zu dem goͤttlichen Freunde: Sahſt du ihn leiden? Jch bebe noch! Gabriel, ſahſt du ihn leiden? Keine Namen im Himmel, und keine Sprache der Engel Nennt mir, was ich empfand! Du haſt ihn ſelber geſehen! Und … was wird er noch leiden! An iedem Augenblick hangen Ewigkeiten! … Er ſchwieg. Und Gabriel ſprach: Jch vertiefte Mich Jahrtauſende ſchon, das kuͤnftige Wunder zu lernen, Es nur dunkel zu lernen, nicht auszuforſchen; Doch irrt ich! Laß uns ſchweigen! Es iſt rund um uns heilig! Zwar Graͤber Liegen auch um uns her; doch werden dort Engel erwachen! Schlummert im Frieden! … Aber o ſieh, wer druͤben im Dunkeln Wild mit Flammen heraufzieht. Euch ſandte der Abgrund, Empoͤrer! Welch ein niedriger Haufen! Allein der Schoͤpfer des Sandkorns Und der Sonnen, der Ewige herrſcht, durch den Wurm, und den Seraph! Und ihr Fuͤhrer, ihr Fuͤhrer! Eloa. So wird er nicht wandeln, Wenn die Poſaune den Staub aus jenen Huͤgeln hervorruft, Die vor dem Richter ihn dekten, dann wirſt du ſo froͤlich nicht wandeln, Du Verraͤther! Er ſprachs. Der Haufen nahte ſich wuͤtend, Trug die Flammen empor, und irrte mit ſuchendem Auge Durchs Labyrinth der Baͤum’ und der Nacht. Jhn ſahe der Gottmenſch, Nun erhub ſich die dunkelſte Nacht, die uͤber ihn herging, Wolkigt empor, und, als ſie ſich hub, entfloſſen ihr Schauer. Einer ergrif den Verraͤther. Er trozte der maͤchtigen Warnung, Und ſo ruͤſtet’ er ſich: Wo iſt er? Die Lieblinge ſahn ihn, Wie

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/26>, abgerufen am 21.11.2024.