[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Jesus
Jeſus
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="57"> <l> <pb facs="#f0176" n="146"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Nach der Erde, gerad auf ſie zu! Jzt ſteht er, dann wieder</l><lb/> <l>Eines Winks Zeit, ſich, wie es ſcheint, zu erfriſchen. Weil aber</l><lb/> <l>Alle Schoͤpfungen ruhn! ſo weht den Muͤden kein Stern an!</l><lb/> <l>Soll ich euch ſeine Geſtalt, ſoll ich des Schreckenden Anſehn,</l><lb/> <l>Wie er heut iſt, den erſten der Todesengel, beſchreiben?</l><lb/> <l>Ach, noch nie hat Gott ihn mit dieſem Entſetzen geruͤſtet!</l><lb/> <l>Seit der Erſchaffung iſt er noch nie ſo furchtbar geweſen!</l><lb/> <l>Gott! Weltrichter! du ewiger Richter! wer biſt du! wer biſt du!</l><lb/> <l>Wenn du Gericht haͤltſt! … Flammen des Herrn gehn weit vor den Boten</l><lb/> <l>Seines Gerichts her. Er ſchwingt die ſchlagenden Fluͤgel; dann rauſchen</l><lb/> <l>Sie, wie Gewitter. Vor ihm entflieht die Stille der Himmel.</l><lb/> <l>Traͤfe ſein flammendes Schwert auf eine der Welten; es wuͤrde</l><lb/> <l>Schnell der entzuͤndeten Staub im Unermeßlichen ſchwimmen!</l><lb/> <l>Fuͤrchterlich iſt ſein Blick, viel fuͤrchterlicher, als damals</l><lb/> <l>Da er uͤber die Erde die Flut des erſten Gerichts goß,</l><lb/> <l>Und in Oceanen der himmliſchen Waſſer einherging,</l><lb/> <l>Toͤdtend, ein ſchneller Verderber! Jhr werdet ihn ſehen, und wenn ihr,</l><lb/> <l>Jhn nun ſeht, wird ein Graun vom Unendlichen uͤber euch kommen,</l><lb/> <l>Wie es uͤber mich kam! Was mich am maͤchtigſten ſchreckte,</l><lb/> <l>War das truͤbe, das ernſte, das unausſprechliche Trauern,</l><lb/> <l>Daß zugleich ſein Angeſicht deckt! Ach, wenn er geſandt iſt,</l><lb/> <l>Gottes Mittler den Tod nun anzukuͤndigen! … Zitternd</l><lb/> <l>Wandte ſich Uriel weg, und verlor ſich unter die Engel.</l><lb/> <l>Erſt Erſtaunen, ſprachloſes, unbewegtes Erſtaunen,</l><lb/> <l>Und dann Wehmut, die Worte noch weniger ſagen, beklommne,</l><lb/> <l>Aufgeſchreckte, verſinkende, weinende, thraͤnenloſe,</l><lb/> <l>Nieempfundne Wehmut, ergrif die Seelen der Vaͤter!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jeſus</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0176]
Der Meſſias.
Nach der Erde, gerad auf ſie zu! Jzt ſteht er, dann wieder
Eines Winks Zeit, ſich, wie es ſcheint, zu erfriſchen. Weil aber
Alle Schoͤpfungen ruhn! ſo weht den Muͤden kein Stern an!
Soll ich euch ſeine Geſtalt, ſoll ich des Schreckenden Anſehn,
Wie er heut iſt, den erſten der Todesengel, beſchreiben?
Ach, noch nie hat Gott ihn mit dieſem Entſetzen geruͤſtet!
Seit der Erſchaffung iſt er noch nie ſo furchtbar geweſen!
Gott! Weltrichter! du ewiger Richter! wer biſt du! wer biſt du!
Wenn du Gericht haͤltſt! … Flammen des Herrn gehn weit vor den Boten
Seines Gerichts her. Er ſchwingt die ſchlagenden Fluͤgel; dann rauſchen
Sie, wie Gewitter. Vor ihm entflieht die Stille der Himmel.
Traͤfe ſein flammendes Schwert auf eine der Welten; es wuͤrde
Schnell der entzuͤndeten Staub im Unermeßlichen ſchwimmen!
Fuͤrchterlich iſt ſein Blick, viel fuͤrchterlicher, als damals
Da er uͤber die Erde die Flut des erſten Gerichts goß,
Und in Oceanen der himmliſchen Waſſer einherging,
Toͤdtend, ein ſchneller Verderber! Jhr werdet ihn ſehen, und wenn ihr,
Jhn nun ſeht, wird ein Graun vom Unendlichen uͤber euch kommen,
Wie es uͤber mich kam! Was mich am maͤchtigſten ſchreckte,
War das truͤbe, das ernſte, das unausſprechliche Trauern,
Daß zugleich ſein Angeſicht deckt! Ach, wenn er geſandt iſt,
Gottes Mittler den Tod nun anzukuͤndigen! … Zitternd
Wandte ſich Uriel weg, und verlor ſich unter die Engel.
Erſt Erſtaunen, ſprachloſes, unbewegtes Erſtaunen,
Und dann Wehmut, die Worte noch weniger ſagen, beklommne,
Aufgeſchreckte, verſinkende, weinende, thraͤnenloſe,
Nieempfundne Wehmut, ergrif die Seelen der Vaͤter!
Jeſus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |