[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Ach, du wälzest auf mich von neuem der feurigsten Schmerzen Ganze Last! O hättst du von seinem Tode geschwiegen! Jedes Wort, so du sprachst, ward mir zum Donner, und traf mich Denn ich sah ihn, ich seh ihn sterben! ... Ja, theurer Johannes, Schon erhub sich mein Geist zur gottbelohnten Vollendung Seiner Leiden! Es glänzten mir schon des Entschlafenen Wunden! Aber izt sink ich zurück! ... Ach, den ich weinend umfaßte! Den ich sprachlos, zum Allerheiligsten Gottes emporhielt, Bis ich endlich zu reden, und anzubeten vermochte, Der, der blutet! ... (Zwar zeigte mir Gott sein Ende von ferne; Aber, wie ich es sehe, so schrecklich zeigte mirs Gott nicht!) Blutet itzo, verkannt! ... von Gott verlassen! ... am Kreuze! ... Bey Verfluchten! ... Er schwieg, und unterlag dem Gedanken. ... Habe mit mir auch Mitleid! Erinnre mich nicht an das Leben, Welches mit Augen des Fleisches wir ihn sahn leben! Es dringt mir Dieser Gedanke zu tief in meine Seele! verwundet Mich zu sehr, du Geliebter! So oft ich ihn, Simeon, sahe; Und oft sah ich ihn, der, ein Lamm, die Sünde der Welt trägt, Ach so oft umleuchteten mich der Himmlischen Freuden! Denn kaum sah ich den blutvollen Streit; ich sah nur den Sieger! Doch verstummen, verstummen will ich, bis Er es vollbracht hat! Also
Ach, du waͤlzeſt auf mich von neuem der feurigſten Schmerzen Ganze Laſt! O haͤttſt du von ſeinem Tode geſchwiegen! Jedes Wort, ſo du ſprachſt, ward mir zum Donner, und traf mich Denn ich ſah ihn, ich ſeh ihn ſterben! … Ja, theurer Johannes, Schon erhub ſich mein Geiſt zur gottbelohnten Vollendung Seiner Leiden! Es glaͤnzten mir ſchon des Entſchlafenen Wunden! Aber izt ſink ich zuruͤck! … Ach, den ich weinend umfaßte! Den ich ſprachlos, zum Allerheiligſten Gottes emporhielt, Bis ich endlich zu reden, und anzubeten vermochte, Der, der blutet! … (Zwar zeigte mir Gott ſein Ende von ferne; Aber, wie ich es ſehe, ſo ſchrecklich zeigte mirs Gott nicht!) Blutet itzo, verkannt! … von Gott verlaſſen! … am Kreuze! … Bey Verfluchten! … Er ſchwieg, und unterlag dem Gedanken. … Habe mit mir auch Mitleid! Erinnre mich nicht an das Leben, Welches mit Augen des Fleiſches wir ihn ſahn leben! Es dringt mir Dieſer Gedanke zu tief in meine Seele! verwundet Mich zu ſehr, du Geliebter! So oft ich ihn, Simeon, ſahe; Und oft ſah ich ihn, der, ein Lamm, die Suͤnde der Welt traͤgt, Ach ſo oft umleuchteten mich der Himmliſchen Freuden! Denn kaum ſah ich den blutvollen Streit; ich ſah nur den Sieger! Doch verſtummen, verſtummen will ich, bis Er es vollbracht hat! Alſo
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="34"> <l> <pb facs="#f0170" n="140"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>O, ſo wollt ich, Simeon, dir, du Geliebter, es ſagen:</l><lb/> <l>Was ich empfinde, ſeitdem er am Kreuz der Gerichteten Tod ſtirbt,</l><lb/> <l>Und, in dieſem Tode, ſich aller, aller erbarmet!</l><lb/> <l>Aber verſtummen will ich, ich will noch laͤnger verſtummen!</l><lb/> <l>Meine Hand auf den Mund anbetend legen! … So ſagt’ er.</l> </lg><lb/> <lg n="35"> <l>Ach, du waͤlzeſt auf mich von neuem der feurigſten Schmerzen</l><lb/> <l>Ganze Laſt! O haͤttſt du von ſeinem Tode geſchwiegen!</l><lb/> <l>Jedes Wort, ſo du ſprachſt, ward mir zum Donner, und traf mich</l><lb/> <l>Denn ich ſah ihn, ich ſeh ihn ſterben! … Ja, theurer Johannes,</l><lb/> <l>Schon erhub ſich mein Geiſt zur gottbelohnten Vollendung</l><lb/> <l>Seiner Leiden! Es glaͤnzten mir ſchon des Entſchlafenen Wunden!</l><lb/> <l>Aber izt ſink ich zuruͤck! … Ach, den ich weinend umfaßte!</l><lb/> <l>Den ich ſprachlos, zum Allerheiligſten Gottes emporhielt,</l><lb/> <l>Bis ich endlich zu reden, und anzubeten vermochte,</l><lb/> <l>Der, der blutet! … (Zwar zeigte mir Gott ſein Ende von ferne;</l><lb/> <l>Aber, wie ich es ſehe, ſo ſchrecklich zeigte mirs Gott nicht!)</l><lb/> <l>Blutet itzo, verkannt! … von Gott verlaſſen! … am Kreuze! …</l><lb/> <l>Bey Verfluchten! … Er ſchwieg, und unterlag dem Gedanken. …</l> </lg><lb/> <lg n="36"> <l>Habe mit mir auch Mitleid! Erinnre mich nicht an das Leben,</l><lb/> <l>Welches mit Augen des Fleiſches wir ihn ſahn leben! Es dringt mir</l><lb/> <l>Dieſer Gedanke zu tief in meine Seele! verwundet</l><lb/> <l>Mich zu ſehr, du Geliebter! So oft ich ihn, Simeon, ſahe;</l><lb/> <l>Und oft ſah ich ihn, der, ein Lamm, die Suͤnde der Welt traͤgt,</l><lb/> <l>Ach ſo oft umleuchteten mich der Himmliſchen Freuden!</l><lb/> <l>Denn kaum ſah ich den blutvollen Streit; ich ſah nur den Sieger!</l><lb/> <l>Doch verſtummen, verſtummen will ich, bis Er es vollbracht hat!</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Alſo</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0170]
Der Meſſias.
O, ſo wollt ich, Simeon, dir, du Geliebter, es ſagen:
Was ich empfinde, ſeitdem er am Kreuz der Gerichteten Tod ſtirbt,
Und, in dieſem Tode, ſich aller, aller erbarmet!
Aber verſtummen will ich, ich will noch laͤnger verſtummen!
Meine Hand auf den Mund anbetend legen! … So ſagt’ er.
Ach, du waͤlzeſt auf mich von neuem der feurigſten Schmerzen
Ganze Laſt! O haͤttſt du von ſeinem Tode geſchwiegen!
Jedes Wort, ſo du ſprachſt, ward mir zum Donner, und traf mich
Denn ich ſah ihn, ich ſeh ihn ſterben! … Ja, theurer Johannes,
Schon erhub ſich mein Geiſt zur gottbelohnten Vollendung
Seiner Leiden! Es glaͤnzten mir ſchon des Entſchlafenen Wunden!
Aber izt ſink ich zuruͤck! … Ach, den ich weinend umfaßte!
Den ich ſprachlos, zum Allerheiligſten Gottes emporhielt,
Bis ich endlich zu reden, und anzubeten vermochte,
Der, der blutet! … (Zwar zeigte mir Gott ſein Ende von ferne;
Aber, wie ich es ſehe, ſo ſchrecklich zeigte mirs Gott nicht!)
Blutet itzo, verkannt! … von Gott verlaſſen! … am Kreuze! …
Bey Verfluchten! … Er ſchwieg, und unterlag dem Gedanken. …
Habe mit mir auch Mitleid! Erinnre mich nicht an das Leben,
Welches mit Augen des Fleiſches wir ihn ſahn leben! Es dringt mir
Dieſer Gedanke zu tief in meine Seele! verwundet
Mich zu ſehr, du Geliebter! So oft ich ihn, Simeon, ſahe;
Und oft ſah ich ihn, der, ein Lamm, die Suͤnde der Welt traͤgt,
Ach ſo oft umleuchteten mich der Himmliſchen Freuden!
Denn kaum ſah ich den blutvollen Streit; ich ſah nur den Sieger!
Doch verſtummen, verſtummen will ich, bis Er es vollbracht hat!
Alſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |