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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Achter Gesang.

Strömender, da das nachtvolle Kreuz mit Golgatha bebte.
Fürchterlich überschattet die Nacht den Hügel des Todes,
Und den Tempel, und dich, Jerusalem. Selber die Engel
Sahn ihr reineres Licht in Abenddämmrung erblassen.
Und es strömte sein Blut. Nun stand die Menge vor Schrecken
Eingewurzelt, und sah mit wildem Blicke zum Kreuz auf.
Furchtbar strömte das Blut der Versönung. Es kam nun, sein Blut kam
Ueber ihre Kinder, und sie. Sie wollen ihr Antliz
Wenden, allein stets richtens allmächtige Schrecken zum Kreuze

Aber Uriel hatte noch einen Befehl zu vollenden.
Und er stieg vom Pole des stehenden Adamida
Zu den Seelen herab. Die sahn den Himmlischen kommen.
Denn auch sie schon waren in Körper menschlicher Bildung,
Wie in luftige Düfte gewebt, die der Abendstrahl röthet.
Uriel sagte zu ihnen: Jch führ euch, folgt mir, ihr kennt uns,
Daß wir zu euch von dem grossen Unendlichen kommen. Er sendet
Euch zu jener Erde, die euer Schatten verhüllt hat.
Sieh, ihr werdet ihn sehn! Sein grosser göttlicher Name
Heißt! Des Ewigen Sohn! allein vor euerm Gesicht hängt
Diese Nacht, ihr kennt ihn noch nicht. Doch wird in der Ferne
Eine Dämmrung unsterblicher Wonne vor euch sich eröfnen.
Kommt, Glückselige, kommt, zu dieser Wonne geschaffne!
Schaut die Himmel umher, mit welchem Staunen sie feyern.
Aller Kniee beugen sich dir! Dir sinken die Kronen
Alle! Dir schufst du, und dir versönst du die ewigen Seelen.
Und nun flog er den führenden Flug. Jhn umgaben die Seelen.
Wie wenn ein Weiser im Tiefsinn, und seiner Unsterblichkeit wehrter,
Von
II. Band. F

Achter Geſang.

Stroͤmender, da das nachtvolle Kreuz mit Golgatha bebte.
Fuͤrchterlich uͤberſchattet die Nacht den Huͤgel des Todes,
Und den Tempel, und dich, Jeruſalem. Selber die Engel
Sahn ihr reineres Licht in Abenddaͤmmrung erblaſſen.
Und es ſtroͤmte ſein Blut. Nun ſtand die Menge vor Schrecken
Eingewurzelt, und ſah mit wildem Blicke zum Kreuz auf.
Furchtbar ſtroͤmte das Blut der Verſoͤnung. Es kam nun, ſein Blut kam
Ueber ihre Kinder, und ſie. Sie wollen ihr Antliz
Wenden, allein ſtets richtens allmaͤchtige Schrecken zum Kreuze

Aber Uriel hatte noch einen Befehl zu vollenden.
Und er ſtieg vom Pole des ſtehenden Adamida
Zu den Seelen herab. Die ſahn den Himmliſchen kommen.
Denn auch ſie ſchon waren in Koͤrper menſchlicher Bildung,
Wie in luftige Duͤfte gewebt, die der Abendſtrahl roͤthet.
Uriel ſagte zu ihnen: Jch fuͤhr euch, folgt mir, ihr kennt uns,
Daß wir zu euch von dem groſſen Unendlichen kommen. Er ſendet
Euch zu jener Erde, die euer Schatten verhuͤllt hat.
Sieh, ihr werdet ihn ſehn! Sein groſſer goͤttlicher Name
Heißt! Des Ewigen Sohn! allein vor euerm Geſicht haͤngt
Dieſe Nacht, ihr kennt ihn noch nicht. Doch wird in der Ferne
Eine Daͤmmrung unſterblicher Wonne vor euch ſich eroͤfnen.
Kommt, Gluͤckſelige, kommt, zu dieſer Wonne geſchaffne!
Schaut die Himmel umher, mit welchem Staunen ſie feyern.
Aller Kniee beugen ſich dir! Dir ſinken die Kronen
Alle! Dir ſchufſt du, und dir verſoͤnſt du die ewigen Seelen.
Und nun flog er den fuͤhrenden Flug. Jhn umgaben die Seelen.
Wie wenn ein Weiſer im Tiefſinn, und ſeiner Unſterblichkeit wehrter,
Von
II. Band. F
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[81/0107] Achter Geſang. Stroͤmender, da das nachtvolle Kreuz mit Golgatha bebte. Fuͤrchterlich uͤberſchattet die Nacht den Huͤgel des Todes, Und den Tempel, und dich, Jeruſalem. Selber die Engel Sahn ihr reineres Licht in Abenddaͤmmrung erblaſſen. Und es ſtroͤmte ſein Blut. Nun ſtand die Menge vor Schrecken Eingewurzelt, und ſah mit wildem Blicke zum Kreuz auf. Furchtbar ſtroͤmte das Blut der Verſoͤnung. Es kam nun, ſein Blut kam Ueber ihre Kinder, und ſie. Sie wollen ihr Antliz Wenden, allein ſtets richtens allmaͤchtige Schrecken zum Kreuze Aber Uriel hatte noch einen Befehl zu vollenden. Und er ſtieg vom Pole des ſtehenden Adamida Zu den Seelen herab. Die ſahn den Himmliſchen kommen. Denn auch ſie ſchon waren in Koͤrper menſchlicher Bildung, Wie in luftige Duͤfte gewebt, die der Abendſtrahl roͤthet. Uriel ſagte zu ihnen: Jch fuͤhr euch, folgt mir, ihr kennt uns, Daß wir zu euch von dem groſſen Unendlichen kommen. Er ſendet Euch zu jener Erde, die euer Schatten verhuͤllt hat. Sieh, ihr werdet ihn ſehn! Sein groſſer goͤttlicher Name Heißt! Des Ewigen Sohn! allein vor euerm Geſicht haͤngt Dieſe Nacht, ihr kennt ihn noch nicht. Doch wird in der Ferne Eine Daͤmmrung unſterblicher Wonne vor euch ſich eroͤfnen. Kommt, Gluͤckſelige, kommt, zu dieſer Wonne geſchaffne! Schaut die Himmel umher, mit welchem Staunen ſie feyern. Aller Kniee beugen ſich dir! Dir ſinken die Kronen Alle! Dir ſchufſt du, und dir verſoͤnſt du die ewigen Seelen. Und nun flog er den fuͤhrenden Flug. Jhn umgaben die Seelen. Wie wenn ein Weiſer im Tiefſinn, und ſeiner Unſterblichkeit wehrter, Von II. Band. F

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/107>, abgerufen am 27.11.2024.