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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Zweyter Gesang.

Oder ich führ es hinaus, was ich mächtig bey mir beschlossen.
Er soll sterben! So wahr ich des Todes Erhalter und Schöpfer
Unbesiegt die Zukunft der Ewigkeiten durchlebe.
Er soll sterben! Bald will ich von ihm den Staub der Verwesung
Auf dem Wege zur Hölle, vorm Antlitz des Ewigen, ausstreun.
Seht den Entwurf von meiner Entschließung. So rächet sich Satan!

So sprach Satan. Die Hölle blieb noch vor Verwunderung stille.
Unten am Throne saß einer einsiedlerisch, finster und traurig,
Seraph Abdiel Abbadona. Er dachte der Zukunft
Und dem Vergangnen voll Seelenangst nach. Vor seinem Gesichte,
Aus dem ein trübes entsetzliches Dunkel mit Schwermuth hervorbrach,
Sah er nur Quaalen auf Quaalen gehäuft in die Ewigkeit eingehn.
Jtzo erblickt er die vorigen Zeiten; da war er voll Unschuld
Jenes erhabenen Abdiels Freund, der am Tage des Aufruhrs,
Nach dem Meßias, im Himmel die größten Thaten vollführte;
Denn er kehrte zu Gott allein und unüberwindlich
Wieder zurück. Mit ihm, dem edelmüthigen Seraph,
War schon Abbadona den Blicken der Feinde Gottes
Fast entgangen: allein die Kriegeswagenburg Satans,
Die, im Triumph sie wieder zu holen, schnell um sie herum kam,
Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegesposaunen,
Und die Heldenschaar, jeder ein Gott, vor ihm ausgebreitet,
Uebermannten sein Herz, und rissen ihn stürmisch zurücke.
Hier noch wollt ihn sein Freund mit Blicken drohender Liebe
Fortzueilen bewegen, allein von künftiger Gottheit
Trunken und umnebelt sah er die sonst mächtigen Blicke
Sei-
D 5

Zweyter Geſang.

Oder ich fuͤhr es hinaus, was ich maͤchtig bey mir beſchloſſen.
Er ſoll ſterben! So wahr ich des Todes Erhalter und Schoͤpfer
Unbeſiegt die Zukunft der Ewigkeiten durchlebe.
Er ſoll ſterben! Bald will ich von ihm den Staub der Verweſung
Auf dem Wege zur Hoͤlle, vorm Antlitz des Ewigen, ausſtreun.
Seht den Entwurf von meiner Entſchließung. So raͤchet ſich Satan!

So ſprach Satan. Die Hoͤlle blieb noch vor Verwunderung ſtille.
Unten am Throne ſaß einer einſiedleriſch, finſter und traurig,
Seraph Abdiel Abbadona. Er dachte der Zukunft
Und dem Vergangnen voll Seelenangſt nach. Vor ſeinem Geſichte,
Aus dem ein truͤbes entſetzliches Dunkel mit Schwermuth hervorbrach,
Sah er nur Quaalen auf Quaalen gehaͤuft in die Ewigkeit eingehn.
Jtzo erblickt er die vorigen Zeiten; da war er voll Unſchuld
Jenes erhabenen Abdiels Freund, der am Tage des Aufruhrs,
Nach dem Meßias, im Himmel die groͤßten Thaten vollfuͤhrte;
Denn er kehrte zu Gott allein und unuͤberwindlich
Wieder zuruͤck. Mit ihm, dem edelmuͤthigen Seraph,
War ſchon Abbadona den Blicken der Feinde Gottes
Faſt entgangen: allein die Kriegeswagenburg Satans,
Die, im Triumph ſie wieder zu holen, ſchnell um ſie herum kam,
Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegespoſaunen,
Und die Heldenſchaar, jeder ein Gott, vor ihm ausgebreitet,
Uebermannten ſein Herz, und riſſen ihn ſtuͤrmiſch zuruͤcke.
Hier noch wollt ihn ſein Freund mit Blicken drohender Liebe
Fortzueilen bewegen, allein von kuͤnftiger Gottheit
Trunken und umnebelt ſah er die ſonſt maͤchtigen Blicke
Sei-
D 5
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[57/0069] Zweyter Geſang. Oder ich fuͤhr es hinaus, was ich maͤchtig bey mir beſchloſſen. Er ſoll ſterben! So wahr ich des Todes Erhalter und Schoͤpfer Unbeſiegt die Zukunft der Ewigkeiten durchlebe. Er ſoll ſterben! Bald will ich von ihm den Staub der Verweſung Auf dem Wege zur Hoͤlle, vorm Antlitz des Ewigen, ausſtreun. Seht den Entwurf von meiner Entſchließung. So raͤchet ſich Satan! So ſprach Satan. Die Hoͤlle blieb noch vor Verwunderung ſtille. Unten am Throne ſaß einer einſiedleriſch, finſter und traurig, Seraph Abdiel Abbadona. Er dachte der Zukunft Und dem Vergangnen voll Seelenangſt nach. Vor ſeinem Geſichte, Aus dem ein truͤbes entſetzliches Dunkel mit Schwermuth hervorbrach, Sah er nur Quaalen auf Quaalen gehaͤuft in die Ewigkeit eingehn. Jtzo erblickt er die vorigen Zeiten; da war er voll Unſchuld Jenes erhabenen Abdiels Freund, der am Tage des Aufruhrs, Nach dem Meßias, im Himmel die groͤßten Thaten vollfuͤhrte; Denn er kehrte zu Gott allein und unuͤberwindlich Wieder zuruͤck. Mit ihm, dem edelmuͤthigen Seraph, War ſchon Abbadona den Blicken der Feinde Gottes Faſt entgangen: allein die Kriegeswagenburg Satans, Die, im Triumph ſie wieder zu holen, ſchnell um ſie herum kam, Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegespoſaunen, Und die Heldenſchaar, jeder ein Gott, vor ihm ausgebreitet, Uebermannten ſein Herz, und riſſen ihn ſtuͤrmiſch zuruͤcke. Hier noch wollt ihn ſein Freund mit Blicken drohender Liebe Fortzueilen bewegen, allein von kuͤnftiger Gottheit Trunken und umnebelt ſah er die ſonſt maͤchtigen Blicke Sei- D 5

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/69>, abgerufen am 24.11.2024.