Der du von Ewigkeit bist, der du lange schon vor mir gewesen, Sey mir gegrüßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fülle! Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Mosen gab Gott die Gesetze, Aber durch den Gesalbten des Herrn kömmt Wahrheit und Gnade. Jst das nicht hoch und prophetisch genug? So ist es, wenn Träumer Träumer besingen, da bauen sie sich ein heiliges Dunkel. Und ach! die armen unsterblichen Götter sind viel zu geringe, Bis ins innre Gebäu der Geheimnisse durchzuschauen. Will er uns nicht den hohen Meßias, den König des Himmels, Jenen Donnerer Gottes, der in der gewaltigen Rüstung Wider uns stritt, bis wir die neuen Welten erreichten, Unsern würdigen Feind und erhabenen Widersacher, Will er den nicht in jene Gestalt, die wir tödten, verkleiden? Zwar er selber, das Erdengeschöpf, von dem der Prophet träumt, Dünkt sich nicht wenig zu seyn. Bald hat er die Todten erwecket, Die doch der Ewige mühfam, ja mühsam, sonst thät ers wohl öfters! Seine veraltete Macht nicht ganz zu vergessen, erwecket. Bald will er gar das ganze Geschlecht der sterblichen Menschen Von der Sünd und vom Tode befreyn: von der Sünde, die allen Eingepflanzt ist, und immer empörend und ungestüm immer Gott in ihren unsterblichen Seelen entgegen sich auflehnt, Unbezwingbar der sclavischen Pflicht: auch vom Tode, der alle, Der das ganze Geschlecht, so oft wir ihm winken, durchwürget, Will er sie alle befreyn; euch auch, verworfene Seelen, Die ich seit der Schöpfung zu mir, wie den Ocean, sammle, Wie die Gestirne, wie Gott die anbetenden sclavischen Sänger; Ja, euch auch, die die ewige Nacht im Abgrunde quälet,
Und
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Zweyter Geſang.
Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir geweſen, Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle! Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab Gott die Geſetze, Aber durch den Geſalbten des Herrn koͤmmt Wahrheit und Gnade. Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es, wenn Traͤumer Traͤumer beſingen, da bauen ſie ſich ein heiliges Dunkel. Und ach! die armen unſterblichen Goͤtter ſind viel zu geringe, Bis ins innre Gebaͤu der Geheimniſſe durchzuſchauen. Will er uns nicht den hohen Meßias, den Koͤnig des Himmels, Jenen Donnerer Gottes, der in der gewaltigen Ruͤſtung Wider uns ſtritt, bis wir die neuen Welten erreichten, Unſern wuͤrdigen Feind und erhabenen Widerſacher, Will er den nicht in jene Geſtalt, die wir toͤdten, verkleiden? Zwar er ſelber, das Erdengeſchoͤpf, von dem der Prophet traͤumt, Duͤnkt ſich nicht wenig zu ſeyn. Bald hat er die Todten erwecket, Die doch der Ewige muͤhfam, ja muͤhſam, ſonſt thaͤt ers wohl oͤfters! Seine veraltete Macht nicht ganz zu vergeſſen, erwecket. Bald will er gar das ganze Geſchlecht der ſterblichen Menſchen Von der Suͤnd und vom Tode befreyn: von der Suͤnde, die allen Eingepflanzt iſt, und immer empoͤrend und ungeſtuͤm immer Gott in ihren unſterblichen Seelen entgegen ſich auflehnt, Unbezwingbar der ſclaviſchen Pflicht: auch vom Tode, der alle, Der das ganze Geſchlecht, ſo oft wir ihm winken, durchwuͤrget, Will er ſie alle befreyn; euch auch, verworfene Seelen, Die ich ſeit der Schoͤpfung zu mir, wie den Ocean, ſammle, Wie die Geſtirne, wie Gott die anbetenden ſclaviſchen Saͤnger; Ja, euch auch, die die ewige Nacht im Abgrunde quaͤlet,
Und
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Zweyter Geſang.
Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir geweſen,
Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle!
Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab Gott die Geſetze,
Aber durch den Geſalbten des Herrn koͤmmt Wahrheit und Gnade.
Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es, wenn Traͤumer
Traͤumer beſingen, da bauen ſie ſich ein heiliges Dunkel.
Und ach! die armen unſterblichen Goͤtter ſind viel zu geringe,
Bis ins innre Gebaͤu der Geheimniſſe durchzuſchauen.
Will er uns nicht den hohen Meßias, den Koͤnig des Himmels,
Jenen Donnerer Gottes, der in der gewaltigen Ruͤſtung
Wider uns ſtritt, bis wir die neuen Welten erreichten,
Unſern wuͤrdigen Feind und erhabenen Widerſacher,
Will er den nicht in jene Geſtalt, die wir toͤdten, verkleiden?
Zwar er ſelber, das Erdengeſchoͤpf, von dem der Prophet traͤumt,
Duͤnkt ſich nicht wenig zu ſeyn. Bald hat er die Todten erwecket,
Die doch der Ewige muͤhfam, ja muͤhſam, ſonſt thaͤt ers wohl oͤfters!
Seine veraltete Macht nicht ganz zu vergeſſen, erwecket.
Bald will er gar das ganze Geſchlecht der ſterblichen Menſchen
Von der Suͤnd und vom Tode befreyn: von der Suͤnde, die allen
Eingepflanzt iſt, und immer empoͤrend und ungeſtuͤm immer
Gott in ihren unſterblichen Seelen entgegen ſich auflehnt,
Unbezwingbar der ſclaviſchen Pflicht: auch vom Tode, der alle,
Der das ganze Geſchlecht, ſo oft wir ihm winken, durchwuͤrget,
Will er ſie alle befreyn; euch auch, verworfene Seelen,
Die ich ſeit der Schoͤpfung zu mir, wie den Ocean, ſammle,
Wie die Geſtirne, wie Gott die anbetenden ſclaviſchen Saͤnger;
Ja, euch auch, die die ewige Nacht im Abgrunde quaͤlet,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/67>, abgerufen am 19.07.2024.
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