Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.

Samma sprang auf, dann fiel er von neuem ohnmächtig darnieder.
Seine dem Tode noch kaum entgegenringende Seele
Trieb ihn, von dem mördrischen Feinde zum Unsinn empöret,
Felsenan. Hier wollt ihn vor deinen göttlichen Augen,
Großer Meßias, der Satan am schroffen Felsen zerschmettern.
Doch du warest schon da, und deine voreilende Gnade
Trug dein verlaßnes Geschöpf auf treuen allmächtigen Flügeln,
Daß er nicht sank. Da ergrimmte der Geist des Menschenverderbers
Und erbebte. Die kommende Gottheit erschreckt ihn von ferne.
Jndem richtete Jesus sein helfendes Antlitz auf Samma.
Eine belebende göttliche Kraft, mit dem Blicke vereinbart,
Gieng von ihm aus. Da erkannte der arme verlassene Samma
Seinen Erlöser. Jns bleiche Gesicht voll Todesgestalten,
Kam die Menschheit zurück, er schrie, und weinte gen Himmel.
Jtzt wollt er reden, allein kaum konnt er von Freuden erschüttert
Bebend stammeln. Doch breitet er sich mit sehnlichen Armen
Nach dem Ewigen aus, und sah mit getrösteten Augen,
Voll von Entzückung, nach ihm von seinem Felsen herunter.
Wie die Seele trübsinniger Weisen, die, in sich gekehret,
Und an der Ewigkeit ihrer zukünftigen Dauer verzweifelnd,
Jnnerlich bebt; der Unsterblichen schauert vor ihrer Zernichtung;
Aber itzt nahet sich ihr der weisern Freundinnen eine,
Jhrer Unsterblichkeit sicher, und stolz auf Gottes Verheißung,
Kömmt sie zu ihr mit tröstendem Blick. Die trübe Verlaßne
Heitert sich auf, und windet mit Macht vom jammernden Kummer
Ungestüm freudig sich los; nun jauchzt die ewige segnend,
Wie im Triumph, über ihrer verneuten unsterblichen Größe.

Also
C 4

Zweyter Geſang.

Samma ſprang auf, dann fiel er von neuem ohnmaͤchtig darnieder.
Seine dem Tode noch kaum entgegenringende Seele
Trieb ihn, von dem moͤrdriſchen Feinde zum Unſinn empoͤret,
Felſenan. Hier wollt ihn vor deinen goͤttlichen Augen,
Großer Meßias, der Satan am ſchroffen Felſen zerſchmettern.
Doch du wareſt ſchon da, und deine voreilende Gnade
Trug dein verlaßnes Geſchoͤpf auf treuen allmaͤchtigen Fluͤgeln,
Daß er nicht ſank. Da ergrimmte der Geiſt des Menſchenverderbers
Und erbebte. Die kommende Gottheit erſchreckt ihn von ferne.
Jndem richtete Jeſus ſein helfendes Antlitz auf Samma.
Eine belebende goͤttliche Kraft, mit dem Blicke vereinbart,
Gieng von ihm aus. Da erkannte der arme verlaſſene Samma
Seinen Erloͤſer. Jns bleiche Geſicht voll Todesgeſtalten,
Kam die Menſchheit zuruͤck, er ſchrie, und weinte gen Himmel.
Jtzt wollt er reden, allein kaum konnt er von Freuden erſchuͤttert
Bebend ſtammeln. Doch breitet er ſich mit ſehnlichen Armen
Nach dem Ewigen aus, und ſah mit getroͤſteten Augen,
Voll von Entzuͤckung, nach ihm von ſeinem Felſen herunter.
Wie die Seele truͤbſinniger Weiſen, die, in ſich gekehret,
Und an der Ewigkeit ihrer zukuͤnftigen Dauer verzweifelnd,
Jnnerlich bebt; der Unſterblichen ſchauert vor ihrer Zernichtung;
Aber itzt nahet ſich ihr der weiſern Freundinnen eine,
Jhrer Unſterblichkeit ſicher, und ſtolz auf Gottes Verheißung,
Koͤmmt ſie zu ihr mit troͤſtendem Blick. Die truͤbe Verlaßne
Heitert ſich auf, und windet mit Macht vom jammernden Kummer
Ungeſtuͤm freudig ſich los; nun jauchzt die ewige ſegnend,
Wie im Triumph, uͤber ihrer verneuten unſterblichen Groͤße.

Alſo
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="9">
              <l>
                <pb facs="#f0051" n="39"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Samma &#x017F;prang auf, dann fiel er von neuem ohnma&#x0364;chtig darnieder.</l><lb/>
              <l>Seine dem Tode noch kaum entgegenringende Seele</l><lb/>
              <l>Trieb ihn, von dem mo&#x0364;rdri&#x017F;chen Feinde zum Un&#x017F;inn empo&#x0364;ret,</l><lb/>
              <l>Fel&#x017F;enan. Hier wollt ihn vor deinen go&#x0364;ttlichen Augen,</l><lb/>
              <l>Großer Meßias, der Satan am &#x017F;chroffen Fel&#x017F;en zer&#x017F;chmettern.</l><lb/>
              <l>Doch du ware&#x017F;t &#x017F;chon da, und deine voreilende Gnade</l><lb/>
              <l>Trug dein verlaßnes Ge&#x017F;cho&#x0364;pf auf treuen allma&#x0364;chtigen Flu&#x0364;geln,</l><lb/>
              <l>Daß er nicht &#x017F;ank. Da ergrimmte der Gei&#x017F;t des Men&#x017F;chenverderbers</l><lb/>
              <l>Und erbebte. Die kommende Gottheit er&#x017F;chreckt ihn von ferne.</l><lb/>
              <l>Jndem richtete Je&#x017F;us &#x017F;ein helfendes Antlitz auf Samma.</l><lb/>
              <l>Eine belebende go&#x0364;ttliche Kraft, mit dem Blicke vereinbart,</l><lb/>
              <l>Gieng von ihm aus. Da erkannte der arme verla&#x017F;&#x017F;ene Samma</l><lb/>
              <l>Seinen Erlo&#x0364;&#x017F;er. Jns bleiche Ge&#x017F;icht voll Todesge&#x017F;talten,</l><lb/>
              <l>Kam die Men&#x017F;chheit zuru&#x0364;ck, er &#x017F;chrie, und weinte gen Himmel.</l><lb/>
              <l>Jtzt wollt er reden, allein kaum konnt er von Freuden er&#x017F;chu&#x0364;ttert</l><lb/>
              <l>Bebend &#x017F;tammeln. Doch breitet er &#x017F;ich mit &#x017F;ehnlichen Armen</l><lb/>
              <l>Nach dem Ewigen aus, und &#x017F;ah mit getro&#x0364;&#x017F;teten Augen,</l><lb/>
              <l>Voll von Entzu&#x0364;ckung, nach ihm von &#x017F;einem Fel&#x017F;en herunter.</l><lb/>
              <l>Wie die Seele tru&#x0364;b&#x017F;inniger Wei&#x017F;en, die, in &#x017F;ich gekehret,</l><lb/>
              <l>Und an der Ewigkeit ihrer zuku&#x0364;nftigen Dauer verzweifelnd,</l><lb/>
              <l>Jnnerlich bebt; der Un&#x017F;terblichen &#x017F;chauert vor ihrer Zernichtung;</l><lb/>
              <l>Aber itzt nahet &#x017F;ich ihr der wei&#x017F;ern Freundinnen eine,</l><lb/>
              <l>Jhrer Un&#x017F;terblichkeit &#x017F;icher, und &#x017F;tolz auf Gottes Verheißung,</l><lb/>
              <l>Ko&#x0364;mmt &#x017F;ie zu ihr mit tro&#x0364;&#x017F;tendem Blick. Die tru&#x0364;be Verlaßne</l><lb/>
              <l>Heitert &#x017F;ich auf, und windet mit Macht vom jammernden Kummer</l><lb/>
              <l>Unge&#x017F;tu&#x0364;m freudig &#x017F;ich los; nun jauchzt die ewige &#x017F;egnend,</l><lb/>
              <l>Wie im Triumph, u&#x0364;ber ihrer verneuten un&#x017F;terblichen Gro&#x0364;ße.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0051] Zweyter Geſang. Samma ſprang auf, dann fiel er von neuem ohnmaͤchtig darnieder. Seine dem Tode noch kaum entgegenringende Seele Trieb ihn, von dem moͤrdriſchen Feinde zum Unſinn empoͤret, Felſenan. Hier wollt ihn vor deinen goͤttlichen Augen, Großer Meßias, der Satan am ſchroffen Felſen zerſchmettern. Doch du wareſt ſchon da, und deine voreilende Gnade Trug dein verlaßnes Geſchoͤpf auf treuen allmaͤchtigen Fluͤgeln, Daß er nicht ſank. Da ergrimmte der Geiſt des Menſchenverderbers Und erbebte. Die kommende Gottheit erſchreckt ihn von ferne. Jndem richtete Jeſus ſein helfendes Antlitz auf Samma. Eine belebende goͤttliche Kraft, mit dem Blicke vereinbart, Gieng von ihm aus. Da erkannte der arme verlaſſene Samma Seinen Erloͤſer. Jns bleiche Geſicht voll Todesgeſtalten, Kam die Menſchheit zuruͤck, er ſchrie, und weinte gen Himmel. Jtzt wollt er reden, allein kaum konnt er von Freuden erſchuͤttert Bebend ſtammeln. Doch breitet er ſich mit ſehnlichen Armen Nach dem Ewigen aus, und ſah mit getroͤſteten Augen, Voll von Entzuͤckung, nach ihm von ſeinem Felſen herunter. Wie die Seele truͤbſinniger Weiſen, die, in ſich gekehret, Und an der Ewigkeit ihrer zukuͤnftigen Dauer verzweifelnd, Jnnerlich bebt; der Unſterblichen ſchauert vor ihrer Zernichtung; Aber itzt nahet ſich ihr der weiſern Freundinnen eine, Jhrer Unſterblichkeit ſicher, und ſtolz auf Gottes Verheißung, Koͤmmt ſie zu ihr mit troͤſtendem Blick. Die truͤbe Verlaßne Heitert ſich auf, und windet mit Macht vom jammernden Kummer Ungeſtuͤm freudig ſich los; nun jauchzt die ewige ſegnend, Wie im Triumph, uͤber ihrer verneuten unſterblichen Groͤße. Alſo C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/51
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/51>, abgerufen am 25.11.2024.