[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Deine Verlangen will ich, du Erstling der Auserwählten, Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme, dem Mittler erzählen. Jst es sein göttlicher Wille, so wird er dich zu sich berufen, Du wirst ihn sehn, wie er ist, die erniederte Herrlichkeit Gottes. Jn-
Deine Verlangen will ich, du Erſtling der Auserwaͤhlten, Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme, dem Mittler erzaͤhlen. Jſt es ſein goͤttlicher Wille, ſo wird er dich zu ſich berufen, Du wirſt ihn ſehn, wie er iſt, die erniederte Herrlichkeit Gottes. Jn-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="30"> <l> <pb facs="#f0034" n="22"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Goͤttliches Bild, als er Adam zu ſchaffen gedankenvoll da ſtand,</l><lb/> <l>Und im geſegneten Schooße der paradieſiſchen Fluren</l><lb/> <l>Unter ihm heiliges Erdreich zum werdenden Menſchen ſich loswand.</l><lb/> <l>Alſo gebildet kam Adam zum Seraph. Ein liebliches Laͤcheln</l><lb/> <l>Machte ſein Antlitz wie goͤttlich, er ſprach mit verlangender Stimme:</l><lb/> <l>Sey mir gegruͤſſet, begnadigter Seraph, du Friedens-Bote.</l><lb/> <l>Da die Stimme von deiner erhabnen Geſandſchaft erſchallte,</l><lb/> <l>Hub ſich mein Geiſt jubilirend empor. Du theurer Meßias,</l><lb/> <l>Koͤnnt ich dich auch in jener holdſeligen menſchlichen Schoͤnheit,</l><lb/> <l>Wie der Seraph hier, ſehn! Ach in jener Geſtalt der Erbarmung,</l><lb/> <l>Jn der du mein gefallnes Geſchlecht zu verſoͤhnen beſchloſſeſt!</l><lb/> <l>Fuͤhre du mich auf die Spur, wo mein Erloͤſer gewandelt,</l><lb/> <l>Mein Erloͤſer und Freund, ich will ihn nur ferne begleiten!</l><lb/> <l>Ruheſtatt jenes Gebeths, wo unſer Mittler ſein Antlitz</l><lb/> <l>Aufhub und ſchwur, er wollte die Kinder von Adam erloͤſen,</l><lb/> <l>Duͤrfte der erſte der Suͤnder mit Freuden Thraͤnen dich anſchaun!</l><lb/> <l>Ach, ich war ja vordem dein erſtgebohrner Bewohner,</l><lb/> <l>Muͤtterlichs Land, o Erde, nach dir ſeh ich ſehnlich hernieder.</l><lb/> <l>Deine vom Donnerworte des Fluchs zerſtoͤrten Gefilde</l><lb/> <l>Waͤren mir in des Meßias Geſellſchaft, den eben der Koͤrper</l><lb/> <l>Jenes Todes umhuͤllt, den ich dort im Staube zuruͤckließ,</l><lb/> <l>Lieblicher, als dein Gefilde nach himmliſchen Auen erſchaffen,</l><lb/> <l>O Paradies, verlohrner Himmel! So ſagt er voll Jnbrunſt.</l> </lg><lb/> <lg n="31"> <l>Deine Verlangen will ich, du Erſtling der Auserwaͤhlten,</l><lb/> <l>Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme, dem Mittler erzaͤhlen.</l><lb/> <l>Jſt es ſein goͤttlicher Wille, ſo wird er dich zu ſich berufen,</l><lb/> <l>Du wirſt ihn ſehn, wie er iſt, die erniederte Herrlichkeit Gottes.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jn-</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0034]
Der Meßias.
Goͤttliches Bild, als er Adam zu ſchaffen gedankenvoll da ſtand,
Und im geſegneten Schooße der paradieſiſchen Fluren
Unter ihm heiliges Erdreich zum werdenden Menſchen ſich loswand.
Alſo gebildet kam Adam zum Seraph. Ein liebliches Laͤcheln
Machte ſein Antlitz wie goͤttlich, er ſprach mit verlangender Stimme:
Sey mir gegruͤſſet, begnadigter Seraph, du Friedens-Bote.
Da die Stimme von deiner erhabnen Geſandſchaft erſchallte,
Hub ſich mein Geiſt jubilirend empor. Du theurer Meßias,
Koͤnnt ich dich auch in jener holdſeligen menſchlichen Schoͤnheit,
Wie der Seraph hier, ſehn! Ach in jener Geſtalt der Erbarmung,
Jn der du mein gefallnes Geſchlecht zu verſoͤhnen beſchloſſeſt!
Fuͤhre du mich auf die Spur, wo mein Erloͤſer gewandelt,
Mein Erloͤſer und Freund, ich will ihn nur ferne begleiten!
Ruheſtatt jenes Gebeths, wo unſer Mittler ſein Antlitz
Aufhub und ſchwur, er wollte die Kinder von Adam erloͤſen,
Duͤrfte der erſte der Suͤnder mit Freuden Thraͤnen dich anſchaun!
Ach, ich war ja vordem dein erſtgebohrner Bewohner,
Muͤtterlichs Land, o Erde, nach dir ſeh ich ſehnlich hernieder.
Deine vom Donnerworte des Fluchs zerſtoͤrten Gefilde
Waͤren mir in des Meßias Geſellſchaft, den eben der Koͤrper
Jenes Todes umhuͤllt, den ich dort im Staube zuruͤckließ,
Lieblicher, als dein Gefilde nach himmliſchen Auen erſchaffen,
O Paradies, verlohrner Himmel! So ſagt er voll Jnbrunſt.
Deine Verlangen will ich, du Erſtling der Auserwaͤhlten,
Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme, dem Mittler erzaͤhlen.
Jſt es ſein goͤttlicher Wille, ſo wird er dich zu ſich berufen,
Du wirſt ihn ſehn, wie er iſt, die erniederte Herrlichkeit Gottes.
Jn-
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