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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Erster Gesang.

Wunderbar an; ein heiliger Rauch stieg mit dem Gebete
Still begleitend vom Altar; dann hub er sich weiter, und wallte,
Wie von der Erde Gebirgen ein ganzer Himmel, zu Gott auf.
Bis itzt hatte Gott stets die Erde nachdenkend betrachtet.
Denn sein Sohn besprach sich noch immer aus vollem Gemüthe
Mit ihm von der erhabenen Seligkeit seiner Erlösten.
Aber itzt füllte sein freundlicher Blick den Himmel von neuem.
Jeder begegnete feyrend und still dem göttlichen Blicke.
Alles erwartet die Stimme des Herrn. Die himmlische Ceder
Rauscht itzt nicht, der Ocean schwieg am hohen Gestade.
Gottes geistiger Wind hielt zwischen den ehernen Bergen
Unbeweglich, und wartete mit verbreiteten Flügeln,
Auf die Herabkunft der Stimme Gottes. Ein Donnerwetter
Stieg, da er wartete, schnell, vom Allerheiligsten nieder.
Doch Gott redte noch nicht. Die heiligen Donnerwetter
Waren Verkündiger einer annahenden göttlichen Antwort.
Als dieß geschah, that Gott vorm Angesichte der Thronen
Offenbarend sein Heiligthum auf, den wartenden Himmel
Zu den hohen Gedanken des Ewigen vorzubereiten.
Und da wandte sich Urim voll Ernst, mit göttlichem Tiefsinn,
Cherub Urim, des ewigen Geistes vertraulichster Engel,
Zu dem hohen Eloa, und sprach: Was siehst du, Eloa?
Seraph Eloa stand auf, gieng langsam vorwärts, und sagte:

Dort an den goldenen Pfeilern, da sind labyrinthische Tafeln
Voll vom Schicksal; dann Bücher des Lebens, die unter dem Hauche
Mächtiger Winde sich öffnen, und Namen künftiger Christen
Neue
B

Erſter Geſang.

Wunderbar an; ein heiliger Rauch ſtieg mit dem Gebete
Still begleitend vom Altar; dann hub er ſich weiter, und wallte,
Wie von der Erde Gebirgen ein ganzer Himmel, zu Gott auf.
Bis itzt hatte Gott ſtets die Erde nachdenkend betrachtet.
Denn ſein Sohn beſprach ſich noch immer aus vollem Gemuͤthe
Mit ihm von der erhabenen Seligkeit ſeiner Erloͤſten.
Aber itzt fuͤllte ſein freundlicher Blick den Himmel von neuem.
Jeder begegnete feyrend und ſtill dem goͤttlichen Blicke.
Alles erwartet die Stimme des Herrn. Die himmliſche Ceder
Rauſcht itzt nicht, der Ocean ſchwieg am hohen Geſtade.
Gottes geiſtiger Wind hielt zwiſchen den ehernen Bergen
Unbeweglich, und wartete mit verbreiteten Fluͤgeln,
Auf die Herabkunft der Stimme Gottes. Ein Donnerwetter
Stieg, da er wartete, ſchnell, vom Allerheiligſten nieder.
Doch Gott redte noch nicht. Die heiligen Donnerwetter
Waren Verkuͤndiger einer annahenden goͤttlichen Antwort.
Als dieß geſchah, that Gott vorm Angeſichte der Thronen
Offenbarend ſein Heiligthum auf, den wartenden Himmel
Zu den hohen Gedanken des Ewigen vorzubereiten.
Und da wandte ſich Urim voll Ernſt, mit goͤttlichem Tiefſinn,
Cherub Urim, des ewigen Geiſtes vertraulichſter Engel,
Zu dem hohen Eloa, und ſprach: Was ſiehſt du, Eloa?
Seraph Eloa ſtand auf, gieng langſam vorwaͤrts, und ſagte:

Dort an den goldenen Pfeilern, da ſind labyrinthiſche Tafeln
Voll vom Schickſal; dann Buͤcher des Lebens, die unter dem Hauche
Maͤchtiger Winde ſich oͤffnen, und Namen kuͤnftiger Chriſten
Neue
B
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[17/0029] Erſter Geſang. Wunderbar an; ein heiliger Rauch ſtieg mit dem Gebete Still begleitend vom Altar; dann hub er ſich weiter, und wallte, Wie von der Erde Gebirgen ein ganzer Himmel, zu Gott auf. Bis itzt hatte Gott ſtets die Erde nachdenkend betrachtet. Denn ſein Sohn beſprach ſich noch immer aus vollem Gemuͤthe Mit ihm von der erhabenen Seligkeit ſeiner Erloͤſten. Aber itzt fuͤllte ſein freundlicher Blick den Himmel von neuem. Jeder begegnete feyrend und ſtill dem goͤttlichen Blicke. Alles erwartet die Stimme des Herrn. Die himmliſche Ceder Rauſcht itzt nicht, der Ocean ſchwieg am hohen Geſtade. Gottes geiſtiger Wind hielt zwiſchen den ehernen Bergen Unbeweglich, und wartete mit verbreiteten Fluͤgeln, Auf die Herabkunft der Stimme Gottes. Ein Donnerwetter Stieg, da er wartete, ſchnell, vom Allerheiligſten nieder. Doch Gott redte noch nicht. Die heiligen Donnerwetter Waren Verkuͤndiger einer annahenden goͤttlichen Antwort. Als dieß geſchah, that Gott vorm Angeſichte der Thronen Offenbarend ſein Heiligthum auf, den wartenden Himmel Zu den hohen Gedanken des Ewigen vorzubereiten. Und da wandte ſich Urim voll Ernſt, mit goͤttlichem Tiefſinn, Cherub Urim, des ewigen Geiſtes vertraulichſter Engel, Zu dem hohen Eloa, und ſprach: Was ſiehſt du, Eloa? Seraph Eloa ſtand auf, gieng langſam vorwaͤrts, und ſagte: Dort an den goldenen Pfeilern, da ſind labyrinthiſche Tafeln Voll vom Schickſal; dann Buͤcher des Lebens, die unter dem Hauche Maͤchtiger Winde ſich oͤffnen, und Namen kuͤnftiger Chriſten Neue B

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/29>, abgerufen am 24.11.2024.