Bey dem nahen Anschaun des Sohns, so wird er dich lehren, Unter die zitternden Stimmen den hohen Triumphton zu mischen! Gott sprach so. Der Seraph gieng fort mit dem Rauschen des Jordans, Und mit dem Hauchen der Donner von Tabor. Jtzt stieg er den Oelberg Bangsam herab. Ein furchtbarer Schauer von Mitternachtswinden Trug ihm die betende Stimme des hohen Meßias entgegen. Und ein stilles Zittern befiel den staunenden Seraph. Aber da er wahrnahm des Sterbenden Antlitz, die Blicke Voller Gefühl des Gerichts, den Sohn vom Vater verlassen; Stand er auf die Erde geheftet, des himmlischen Glanzes Seiner Schönheit beraubt, nicht mehr der unsterbliche Seraph, Gleich dem Menschen von Erde gemacht. Der grosse Meßias Richtete Blicke voll Hoheit auf ihn, und lächelte Gnade. Mit dem Anblick empfieng der Seraph die Schimmer des Himmels, Und der Unsterblichen Schönheit von neuem. Er hub im Triumphe Sich auf goldenen Wolken empor, und sang aus den Wolken: Sohn des Vaters, von welchem Gedanken erweckt mich dein Anschaun! Heil mir! Jch bin gewürdiget worden dir nachzuempfinden, Was du empfindest! Von ferne zu schaun der Gottheit Gedanken. Ueber euch hänget die Decke der tiefsten Geheimnisse! Himmel, Ganze Himmel voll Nacht, der Einsamkeit Gottes Umschattung, Hüllen euch ein! Kein Endlicher sah euch, Gedanken der Gottheit! Und ich bin gewürdiget worden, von fern euch zu schauen; Aus der gemessenen Endlichkeit Raum hinüber zu blicken, Jch, ein kurzer Gedanke des Unerschaffnen, ein Theilchen Auf der Schöpfungen Schauplatz! Gleich einer Sonne, die aufgeht, Einem Staube zu leuchten, der schwimmt, und Erde genennt wird. Heil mir! Daß ich geschaffen bin! Heil! Daß du ewig bist! Heil dir! Vater, und Sohn! Und ihr, die meine Seele noch füllen, Die mit dem Säuseln der Gegenwart Gottes noch über mich kommen, Heilige Schauer, fahrt fort, aus meiner Endlichkeit Gränzen,
Mich
Der Meßias.
Bey dem nahen Anſchaun des Sohns, ſo wird er dich lehren, Unter die zitternden Stimmen den hohen Triumphton zu miſchen! Gott ſprach ſo. Der Seraph gieng fort mit dem Rauſchen des Jordans, Und mit dem Hauchen der Donner von Tabor. Jtzt ſtieg er den Oelberg Bangſam herab. Ein furchtbarer Schauer von Mitternachtswinden Trug ihm die betende Stimme des hohen Meßias entgegen. Und ein ſtilles Zittern befiel den ſtaunenden Seraph. Aber da er wahrnahm des Sterbenden Antlitz, die Blicke Voller Gefuͤhl des Gerichts, den Sohn vom Vater verlaſſen; Stand er auf die Erde geheftet, des himmliſchen Glanzes Seiner Schoͤnheit beraubt, nicht mehr der unſterbliche Seraph, Gleich dem Menſchen von Erde gemacht. Der groſſe Meßias Richtete Blicke voll Hoheit auf ihn, und laͤchelte Gnade. Mit dem Anblick empfieng der Seraph die Schimmer des Himmels, Und der Unſterblichen Schoͤnheit von neuem. Er hub im Triumphe Sich auf goldenen Wolken empor, und ſang aus den Wolken: Sohn des Vaters, von welchem Gedanken erweckt mich dein Anſchaun! Heil mir! Jch bin gewuͤrdiget worden dir nachzuempfinden, Was du empfindeſt! Von ferne zu ſchaun der Gottheit Gedanken. Ueber euch haͤnget die Decke der tiefſten Geheimniſſe! Himmel, Ganze Himmel voll Nacht, der Einſamkeit Gottes Umſchattung, Huͤllen euch ein! Kein Endlicher ſah euch, Gedanken der Gottheit! Und ich bin gewuͤrdiget worden, von fern euch zu ſchauen; Aus der gemeſſenen Endlichkeit Raum hinuͤber zu blicken, Jch, ein kurzer Gedanke des Unerſchaffnen, ein Theilchen Auf der Schoͤpfungen Schauplatz! Gleich einer Sonne, die aufgeht, Einem Staube zu leuchten, der ſchwimmt, und Erde genennt wird. Heil mir! Daß ich geſchaffen bin! Heil! Daß du ewig biſt! Heil dir! Vater, und Sohn! Und ihr, die meine Seele noch fuͤllen, Die mit dem Saͤuſeln der Gegenwart Gottes noch uͤber mich kommen, Heilige Schauer, fahrt fort, aus meiner Endlichkeit Graͤnzen,
Mich
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Der Meßias.
Bey dem nahen Anſchaun des Sohns, ſo wird er dich lehren,
Unter die zitternden Stimmen den hohen Triumphton zu miſchen!
Gott ſprach ſo. Der Seraph gieng fort mit dem Rauſchen des Jordans,
Und mit dem Hauchen der Donner von Tabor. Jtzt ſtieg er den Oelberg
Bangſam herab. Ein furchtbarer Schauer von Mitternachtswinden
Trug ihm die betende Stimme des hohen Meßias entgegen.
Und ein ſtilles Zittern befiel den ſtaunenden Seraph.
Aber da er wahrnahm des Sterbenden Antlitz, die Blicke
Voller Gefuͤhl des Gerichts, den Sohn vom Vater verlaſſen;
Stand er auf die Erde geheftet, des himmliſchen Glanzes
Seiner Schoͤnheit beraubt, nicht mehr der unſterbliche Seraph,
Gleich dem Menſchen von Erde gemacht. Der groſſe Meßias
Richtete Blicke voll Hoheit auf ihn, und laͤchelte Gnade.
Mit dem Anblick empfieng der Seraph die Schimmer des Himmels,
Und der Unſterblichen Schoͤnheit von neuem. Er hub im Triumphe
Sich auf goldenen Wolken empor, und ſang aus den Wolken:
Sohn des Vaters, von welchem Gedanken erweckt mich dein Anſchaun!
Heil mir! Jch bin gewuͤrdiget worden dir nachzuempfinden,
Was du empfindeſt! Von ferne zu ſchaun der Gottheit Gedanken.
Ueber euch haͤnget die Decke der tiefſten Geheimniſſe! Himmel,
Ganze Himmel voll Nacht, der Einſamkeit Gottes Umſchattung,
Huͤllen euch ein! Kein Endlicher ſah euch, Gedanken der Gottheit!
Und ich bin gewuͤrdiget worden, von fern euch zu ſchauen;
Aus der gemeſſenen Endlichkeit Raum hinuͤber zu blicken,
Jch, ein kurzer Gedanke des Unerſchaffnen, ein Theilchen
Auf der Schoͤpfungen Schauplatz! Gleich einer Sonne, die aufgeht,
Einem Staube zu leuchten, der ſchwimmt, und Erde genennt wird.
Heil mir! Daß ich geſchaffen bin! Heil! Daß du ewig biſt! Heil dir!
Vater, und Sohn! Und ihr, die meine Seele noch fuͤllen,
Die mit dem Saͤuſeln der Gegenwart Gottes noch uͤber mich kommen,
Heilige Schauer, fahrt fort, aus meiner Endlichkeit Graͤnzen,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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