Jn der Erde Schooß nicht. Ja, ich bin unwürdig, dein Antlitz, Ach, unwürdig, die Blicke zu sehen, mit welchen du lächelst, Bild der Gottheit, unsterblicher Mensch! Du erlösest nur Menschen. Mich erlösest du nicht! Du hörst die jammernde Stimme Meiner Ewigkeit nicht! Ach, du erlösest nur Menschen! Also sagt er, und sahe vor sich die schlafenden Jünger. Und es lag der schöne Johannes im lächelnden Schlummer Nahe vor ihm. Er sah ihn, und trat mit zitterndem Fuße Furchtsam zurück. Kaum wagt ers zuletzt, still also zu sagen: Wenn du es bist, den ich suche, wenn du der göttliche Mensch bist, Der sein Geschlecht zu erlösen, erschien: so sey mir mit Thränen, Sey mir in deiner holdseligen Schönheit, mit ewigen Thränen, Und mit bangen unsterblichen Seufzern, Erlöser, gegrüsset! Warlich, in deinem Antlitz sind Züge der himmlischen Unschuld: Laute Zeugen von einer bewundernswürdigen Seele. Ja, du bist es! Dich hab ich gesucht! Wie athmet die Ruhe, Deiner Tugend Belohnung, aus dir! Ein Schauer befällt mich, Da ich sehe die Ruh, die aus voller Seele dir zuströmt. Wende dein Antlitz von mir! Sonst muß ich wegsehn, und weinen! Jndem Adbadona so sprach, da wandte sich Petrus Aengstlich gegen Johannes, und sprach, da er itzo erwacht war: Ach, Johannes, ich sah im Traume den Meister! Er sah mich Ernst mit Blicken voll Drohungen an, mit Blicken voll Mitleids! Dieses vernahm der Seraph und blieb voll Bewunderung stehen. Jhn umgab die Stille der Nacht, und er hörte von fern her, Durch die schauernde Stille, wie eines Sterbenden Stimme. Und er neigte sein forschendes Ohr nach dem Orte der Stimme, Wo sie herkam, er neigte sich tiefer, und hörte die Stimme Jmmer trauriger werden, und näher dem Tode. Da stand er Bang und erstaunt, da bebte sein Herz von diesen Gedanken: Soll ich hingehn, zu schauen den Mann, der dort mit dem Tode,
Und
Der Meßias.
Jn der Erde Schooß nicht. Ja, ich bin unwuͤrdig, dein Antlitz, Ach, unwuͤrdig, die Blicke zu ſehen, mit welchen du laͤchelſt, Bild der Gottheit, unſterblicher Menſch! Du erloͤſeſt nur Menſchen. Mich erloͤſeſt du nicht! Du hoͤrſt die jammernde Stimme Meiner Ewigkeit nicht! Ach, du erloͤſeſt nur Menſchen! Alſo ſagt er, und ſahe vor ſich die ſchlafenden Juͤnger. Und es lag der ſchoͤne Johannes im laͤchelnden Schlummer Nahe vor ihm. Er ſah ihn, und trat mit zitterndem Fuße Furchtſam zuruͤck. Kaum wagt ers zuletzt, ſtill alſo zu ſagen: Wenn du es biſt, den ich ſuche, wenn du der goͤttliche Menſch biſt, Der ſein Geſchlecht zu erloͤſen, erſchien: ſo ſey mir mit Thraͤnen, Sey mir in deiner holdſeligen Schoͤnheit, mit ewigen Thraͤnen, Und mit bangen unſterblichen Seufzern, Erloͤſer, gegruͤſſet! Warlich, in deinem Antlitz ſind Zuͤge der himmliſchen Unſchuld: Laute Zeugen von einer bewundernswuͤrdigen Seele. Ja, du biſt es! Dich hab ich geſucht! Wie athmet die Ruhe, Deiner Tugend Belohnung, aus dir! Ein Schauer befaͤllt mich, Da ich ſehe die Ruh, die aus voller Seele dir zuſtroͤmt. Wende dein Antlitz von mir! Sonſt muß ich wegſehn, und weinen! Jndem Adbadona ſo ſprach, da wandte ſich Petrus Aengſtlich gegen Johannes, und ſprach, da er itzo erwacht war: Ach, Johannes, ich ſah im Traume den Meiſter! Er ſah mich Ernſt mit Blicken voll Drohungen an, mit Blicken voll Mitleids! Dieſes vernahm der Seraph und blieb voll Bewunderung ſtehen. Jhn umgab die Stille der Nacht, und er hoͤrte von fern her, Durch die ſchauernde Stille, wie eines Sterbenden Stimme. Und er neigte ſein forſchendes Ohr nach dem Orte der Stimme, Wo ſie herkam, er neigte ſich tiefer, und hoͤrte die Stimme Jmmer trauriger werden, und naͤher dem Tode. Da ſtand er Bang und erſtaunt, da bebte ſein Herz von dieſen Gedanken: Soll ich hingehn, zu ſchauen den Mann, der dort mit dem Tode,
Und
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Der Meßias.
Jn der Erde Schooß nicht. Ja, ich bin unwuͤrdig, dein Antlitz,
Ach, unwuͤrdig, die Blicke zu ſehen, mit welchen du laͤchelſt,
Bild der Gottheit, unſterblicher Menſch! Du erloͤſeſt nur Menſchen.
Mich erloͤſeſt du nicht! Du hoͤrſt die jammernde Stimme
Meiner Ewigkeit nicht! Ach, du erloͤſeſt nur Menſchen!
Alſo ſagt er, und ſahe vor ſich die ſchlafenden Juͤnger.
Und es lag der ſchoͤne Johannes im laͤchelnden Schlummer
Nahe vor ihm. Er ſah ihn, und trat mit zitterndem Fuße
Furchtſam zuruͤck. Kaum wagt ers zuletzt, ſtill alſo zu ſagen:
Wenn du es biſt, den ich ſuche, wenn du der goͤttliche Menſch biſt,
Der ſein Geſchlecht zu erloͤſen, erſchien: ſo ſey mir mit Thraͤnen,
Sey mir in deiner holdſeligen Schoͤnheit, mit ewigen Thraͤnen,
Und mit bangen unſterblichen Seufzern, Erloͤſer, gegruͤſſet!
Warlich, in deinem Antlitz ſind Zuͤge der himmliſchen Unſchuld:
Laute Zeugen von einer bewundernswuͤrdigen Seele.
Ja, du biſt es! Dich hab ich geſucht! Wie athmet die Ruhe,
Deiner Tugend Belohnung, aus dir! Ein Schauer befaͤllt mich,
Da ich ſehe die Ruh, die aus voller Seele dir zuſtroͤmt.
Wende dein Antlitz von mir! Sonſt muß ich wegſehn, und weinen!
Jndem Adbadona ſo ſprach, da wandte ſich Petrus
Aengſtlich gegen Johannes, und ſprach, da er itzo erwacht war:
Ach, Johannes, ich ſah im Traume den Meiſter! Er ſah mich
Ernſt mit Blicken voll Drohungen an, mit Blicken voll Mitleids!
Dieſes vernahm der Seraph und blieb voll Bewunderung ſtehen.
Jhn umgab die Stille der Nacht, und er hoͤrte von fern her,
Durch die ſchauernde Stille, wie eines Sterbenden Stimme.
Und er neigte ſein forſchendes Ohr nach dem Orte der Stimme,
Wo ſie herkam, er neigte ſich tiefer, und hoͤrte die Stimme
Jmmer trauriger werden, und naͤher dem Tode. Da ſtand er
Bang und erſtaunt, da bebte ſein Herz von dieſen Gedanken:
Soll ich hingehn, zu ſchauen den Mann, der dort mit dem Tode,
Und
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/186>, abgerufen am 16.07.2024.
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