Tief im Schlafe. Noch füllte der Ernst des hohen Jakobus Glüendes Antlitz. So schlummert ein Christ, vor seinem Tode, Ruhig und ernst. An den sanften Johannes lehnte sich Petrus, Nicht mit stillem Lächeln, wie er. Jhm rief der Meßias: Simon Petrus, du schläfst! Vermagst du mit mir, da ich leide, Auch nicht eine Stunde zu wachen? Ach, bald wird die Ruhe, Bald wird der Schlummer nicht mehr dein weinendes Auge bedecken. Wachet, und betet, damit der Versucher nicht über euch komme. Zwar ihr wolltet es gern. Allein auch ihr seyd von Erde! Und den himmlischen Geist drückt noch der Sterblichkeit Bürde. Also sah er die drey. Jn einer weiteren Aussicht Sah er mit einem, unendlichen Blick die Geschlechter der Menschen, Aller derer, die sündigten, starben, und auferstehn werden! Und gieng wieder hin ins Gericht, für alle zu leiden! Aber seitwärts um das Gebirge kam Abbadona Jn den Hüllen der schweigenden Nacht, und sprach zu sich selber: Ach, wo werd ich endlich ihn finden, den Mann, den Versöhner? Zwar ich bin unwürdig, zu sehn den besten Sohn Adams! Aber ihn hat doch Satan gesehn! Wo soll ich dich suchen? Und wo werd ich endlich dich finden, Mann Gottes, Versöhner? Alle Wüsten hab ich durchirrt! Jch bin zu den Quellen Aller Flüsse gegangen! Jn aller dämmernden Haine Einsamkeit hat sich mein Fuß mit leisem Zittern verloren! Zu der Ceder hab ich gesagt: verbirgst du ihn, Ceder, O so rausche mir zu! Und zu der Hügel Haupt sprach ich: Neige dich, einsamer Hügel, nach meinen Thränen herunter, Daß ich sehe den göttlichen Mann, der etwa dort schlummert! Jhn hat, dacht ich, vielleicht sein für ihn sorgender Schöpfer, Unter schattende Decken der Abendröthe verhüllet: Jhn hat die Weisheit vielleicht und menschenfliehender Tiefsinn Jn die Hölen der Erde geführt. Doch ich fand ihn am Himmel,
Jn
Fuͤnfter Geſang.
Tief im Schlafe. Noch fuͤllte der Ernſt des hohen Jakobus Gluͤendes Antlitz. So ſchlummert ein Chriſt, vor ſeinem Tode, Ruhig und ernſt. An den ſanften Johannes lehnte ſich Petrus, Nicht mit ſtillem Laͤcheln, wie er. Jhm rief der Meßias: Simon Petrus, du ſchlaͤfſt! Vermagſt du mit mir, da ich leide, Auch nicht eine Stunde zu wachen? Ach, bald wird die Ruhe, Bald wird der Schlummer nicht mehr dein weinendes Auge bedecken. Wachet, und betet, damit der Verſucher nicht uͤber euch komme. Zwar ihr wolltet es gern. Allein auch ihr ſeyd von Erde! Und den himmliſchen Geiſt druͤckt noch der Sterblichkeit Buͤrde. Alſo ſah er die drey. Jn einer weiteren Ausſicht Sah er mit einem, unendlichen Blick die Geſchlechter der Menſchen, Aller derer, die ſuͤndigten, ſtarben, und auferſtehn werden! Und gieng wieder hin ins Gericht, fuͤr alle zu leiden! Aber ſeitwaͤrts um das Gebirge kam Abbadona Jn den Huͤllen der ſchweigenden Nacht, und ſprach zu ſich ſelber: Ach, wo werd ich endlich ihn finden, den Mann, den Verſoͤhner? Zwar ich bin unwuͤrdig, zu ſehn den beſten Sohn Adams! Aber ihn hat doch Satan geſehn! Wo ſoll ich dich ſuchen? Und wo werd ich endlich dich finden, Mann Gottes, Verſoͤhner? Alle Wuͤſten hab ich durchirrt! Jch bin zu den Quellen Aller Fluͤſſe gegangen! Jn aller daͤmmernden Haine Einſamkeit hat ſich mein Fuß mit leiſem Zittern verloren! Zu der Ceder hab ich geſagt: verbirgſt du ihn, Ceder, O ſo rauſche mir zu! Und zu der Huͤgel Haupt ſprach ich: Neige dich, einſamer Huͤgel, nach meinen Thraͤnen herunter, Daß ich ſehe den goͤttlichen Mann, der etwa dort ſchlummert! Jhn hat, dacht ich, vielleicht ſein fuͤr ihn ſorgender Schoͤpfer, Unter ſchattende Decken der Abendroͤthe verhuͤllet: Jhn hat die Weisheit vielleicht und menſchenfliehender Tiefſinn Jn die Hoͤlen der Erde gefuͤhrt. Doch ich fand ihn am Himmel,
Jn
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Fuͤnfter Geſang.
Tief im Schlafe. Noch fuͤllte der Ernſt des hohen Jakobus
Gluͤendes Antlitz. So ſchlummert ein Chriſt, vor ſeinem Tode,
Ruhig und ernſt. An den ſanften Johannes lehnte ſich Petrus,
Nicht mit ſtillem Laͤcheln, wie er. Jhm rief der Meßias:
Simon Petrus, du ſchlaͤfſt! Vermagſt du mit mir, da ich leide,
Auch nicht eine Stunde zu wachen? Ach, bald wird die Ruhe,
Bald wird der Schlummer nicht mehr dein weinendes Auge bedecken.
Wachet, und betet, damit der Verſucher nicht uͤber euch komme.
Zwar ihr wolltet es gern. Allein auch ihr ſeyd von Erde!
Und den himmliſchen Geiſt druͤckt noch der Sterblichkeit Buͤrde.
Alſo ſah er die drey. Jn einer weiteren Ausſicht
Sah er mit einem, unendlichen Blick die Geſchlechter der Menſchen,
Aller derer, die ſuͤndigten, ſtarben, und auferſtehn werden!
Und gieng wieder hin ins Gericht, fuͤr alle zu leiden!
Aber ſeitwaͤrts um das Gebirge kam Abbadona
Jn den Huͤllen der ſchweigenden Nacht, und ſprach zu ſich ſelber:
Ach, wo werd ich endlich ihn finden, den Mann, den Verſoͤhner?
Zwar ich bin unwuͤrdig, zu ſehn den beſten Sohn Adams!
Aber ihn hat doch Satan geſehn! Wo ſoll ich dich ſuchen?
Und wo werd ich endlich dich finden, Mann Gottes, Verſoͤhner?
Alle Wuͤſten hab ich durchirrt! Jch bin zu den Quellen
Aller Fluͤſſe gegangen! Jn aller daͤmmernden Haine
Einſamkeit hat ſich mein Fuß mit leiſem Zittern verloren!
Zu der Ceder hab ich geſagt: verbirgſt du ihn, Ceder,
O ſo rauſche mir zu! Und zu der Huͤgel Haupt ſprach ich:
Neige dich, einſamer Huͤgel, nach meinen Thraͤnen herunter,
Daß ich ſehe den goͤttlichen Mann, der etwa dort ſchlummert!
Jhn hat, dacht ich, vielleicht ſein fuͤr ihn ſorgender Schoͤpfer,
Unter ſchattende Decken der Abendroͤthe verhuͤllet:
Jhn hat die Weisheit vielleicht und menſchenfliehender Tiefſinn
Jn die Hoͤlen der Erde gefuͤhrt. Doch ich fand ihn am Himmel,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/185>, abgerufen am 16.02.2025.
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