Jesus schaute voll Ernst. Jhn fragte Judas noch einmal. Jesus erwiedert mit leiserer Stimme: du sagest es selber. Doch Gedanken voll Ruh erheiterten wieder den Mittler, Süße Gedanken vom ewigen Heil. Er stand das, Gedächtniß Seines Todes zu stiften. Jtzt sprach er die feyrlichen Worte, Die so viele Priester der Christen, so viele Gemeinen Kühn entweihn, und in lauten Gesängen das Urtheil des Todes Ueber sich rufen. Er kennet sie nicht, der göttlicher lebte, Und am Kreuze nicht starb, für ewige Sünder zu büßen! All empfiengen von ihm das Brodt, das er eingeweiht hatte, Und den heiligen Kelch. Sie kamen alle mit Demut, Und in trauernder Stille, von seiner Hand es zu nehmen. Da Johannes hinzugieng, und auf den glänzenden Kelch sah, Warf er zu Jesu Füßen sich nied er, und küßte sie weinend, Trocknete dann die Thränen mit seinen fallenden Locken. Laß ihn meine Herrlichkeit sehn! Sprach Jesus und schaute Zu dem Vater empor. Johannes erhub sich, und sahe Jn der Tiefe des Saals der Seraphim helle Versammlung. Und die Seraphim wußten, daß er sie sahe. Johannes Stand in Entzückung verloren. Er schaute Gabriels Hoheit Starr, mit Ehrfurcht. Er schaute des himmlischen Raphaels Glänzen, Und verehrt ihn. Er sah auch Salem mit menschlicherm Schimmer, Und mit ausgebreiteten Armen entgegen ihm lächeln, Und er liebte den Seraph. Er wandte sich um, und erblickte Jn des Meßias ruhigem Auge die Spuren der Gottheit! Und er sank verstummend ans Herz des hohen Meßias. Gabriel aber erhub sich mit leisen Lüften, und sagte
Feurig
Der Meßias.
Jeſus ſchaute voll Ernſt. Jhn fragte Judas noch einmal. Jeſus erwiedert mit leiſerer Stimme: du ſageſt es ſelber. Doch Gedanken voll Ruh erheiterten wieder den Mittler, Suͤße Gedanken vom ewigen Heil. Er ſtand das, Gedaͤchtniß Seines Todes zu ſtiften. Jtzt ſprach er die feyrlichen Worte, Die ſo viele Prieſter der Chriſten, ſo viele Gemeinen Kuͤhn entweihn, und in lauten Geſaͤngen das Urtheil des Todes Ueber ſich rufen. Er kennet ſie nicht, der goͤttlicher lebte, Und am Kreuze nicht ſtarb, fuͤr ewige Suͤnder zu buͤßen! All empfiengen von ihm das Brodt, das er eingeweiht hatte, Und den heiligen Kelch. Sie kamen alle mit Demut, Und in trauernder Stille, von ſeiner Hand es zu nehmen. Da Johannes hinzugieng, und auf den glaͤnzenden Kelch ſah, Warf er zu Jeſu Fuͤßen ſich nied er, und kuͤßte ſie weinend, Trocknete dann die Thraͤnen mit ſeinen fallenden Locken. Laß ihn meine Herrlichkeit ſehn! Sprach Jeſus und ſchaute Zu dem Vater empor. Johannes erhub ſich, und ſahe Jn der Tiefe des Saals der Seraphim helle Verſammlung. Und die Seraphim wußten, daß er ſie ſahe. Johannes Stand in Entzuͤckung verloren. Er ſchaute Gabriels Hoheit Starr, mit Ehrfurcht. Er ſchaute des himmliſchen Raphaels Glaͤnzen, Und verehrt ihn. Er ſah auch Salem mit menſchlicherm Schimmer, Und mit ausgebreiteten Armen entgegen ihm laͤcheln, Und er liebte den Seraph. Er wandte ſich um, und erblickte Jn des Meßias ruhigem Auge die Spuren der Gottheit! Und er ſank verſtummend ans Herz des hohen Meßias. Gabriel aber erhub ſich mit leiſen Luͤften, und ſagte
Feurig
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Der Meßias.
Jeſus ſchaute voll Ernſt. Jhn fragte Judas noch einmal.
Jeſus erwiedert mit leiſerer Stimme: du ſageſt es ſelber.
Doch Gedanken voll Ruh erheiterten wieder den Mittler,
Suͤße Gedanken vom ewigen Heil. Er ſtand das, Gedaͤchtniß
Seines Todes zu ſtiften. Jtzt ſprach er die feyrlichen Worte,
Die ſo viele Prieſter der Chriſten, ſo viele Gemeinen
Kuͤhn entweihn, und in lauten Geſaͤngen das Urtheil des Todes
Ueber ſich rufen. Er kennet ſie nicht, der goͤttlicher lebte,
Und am Kreuze nicht ſtarb, fuͤr ewige Suͤnder zu buͤßen!
All empfiengen von ihm das Brodt, das er eingeweiht hatte,
Und den heiligen Kelch. Sie kamen alle mit Demut,
Und in trauernder Stille, von ſeiner Hand es zu nehmen.
Da Johannes hinzugieng, und auf den glaͤnzenden Kelch ſah,
Warf er zu Jeſu Fuͤßen ſich nied er, und kuͤßte ſie weinend,
Trocknete dann die Thraͤnen mit ſeinen fallenden Locken.
Laß ihn meine Herrlichkeit ſehn! Sprach Jeſus und ſchaute
Zu dem Vater empor. Johannes erhub ſich, und ſahe
Jn der Tiefe des Saals der Seraphim helle Verſammlung.
Und die Seraphim wußten, daß er ſie ſahe. Johannes
Stand in Entzuͤckung verloren. Er ſchaute Gabriels Hoheit
Starr, mit Ehrfurcht. Er ſchaute des himmliſchen Raphaels Glaͤnzen,
Und verehrt ihn. Er ſah auch Salem mit menſchlicherm Schimmer,
Und mit ausgebreiteten Armen entgegen ihm laͤcheln,
Und er liebte den Seraph. Er wandte ſich um, und erblickte
Jn des Meßias ruhigem Auge die Spuren der Gottheit!
Und er ſank verſtummend ans Herz des hohen Meßias.
Gabriel aber erhub ſich mit leiſen Luͤften, und ſagte
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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