Lazarus dachte den Tod, und die Auferstehung vom Tode. Da er, wie zu des Ewigen Anschaun, zum großen Meßias, Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufstieg. Seine Schwester, die junge Maria, die Hörerinn Jesu, Die, in ihrer Unschuld und Ruh vor ihn hingegossen, Da den ewigern Theil zu seinen Füßen erwählte, Diese folgte dem himmlischen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz, War mit Todesblässe bedeckt. Jm Auge voll Wehmut, Hielt sie die rührendste Thräne zurück, die jemals geweint ward. Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jesus den Namen Des Rechtschaffenen gab, zu ihrem himmlischen Bruder, Welcher gestorben, und ihr von den Todten wieder geschenkt war, Zitterten hin und wieder des heiligen Mädchens Gedanken. Ruhig fühlt sie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen, Nur um ihres himmlischen Bruders, um Lazarus willen, Trauert sie wegen der Blässe, von der die Gespielinn oft redet. Neben ihr gieng die sittsame Cidli, die Tochter Jairus. Still in Unschuld waren ihr kaum zwölf Jahre verflossen, Als, aus dem jungen Leben wegblühend, sie heiter und freudig Jn die Gefilde des Friedens hinüber schlummerte. Todt lag Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias, Rief sie aus dem Schlummer zurück, und gab sie der Mutter. Heilig trägt sie die Spuren der Auferstehung; doch kennt sie Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekrönt ist, Nicht die zart aufblühende Schönheit der werdenden Jugend Noch ihr göttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet. So gieng, da sie erwuchs, der Jsraelitinnen schönste,
Sula-
Der Meßias.
Lazarus dachte den Tod, und die Auferſtehung vom Tode. Da er, wie zu des Ewigen Anſchaun, zum großen Meßias, Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufſtieg. Seine Schweſter, die junge Maria, die Hoͤrerinn Jeſu, Die, in ihrer Unſchuld und Ruh vor ihn hingegoſſen, Da den ewigern Theil zu ſeinen Fuͤßen erwaͤhlte, Dieſe folgte dem himmliſchen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz, War mit Todesblaͤſſe bedeckt. Jm Auge voll Wehmut, Hielt ſie die ruͤhrendſte Thraͤne zuruͤck, die jemals geweint ward. Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jeſus den Namen Des Rechtſchaffenen gab, zu ihrem himmliſchen Bruder, Welcher geſtorben, und ihr von den Todten wieder geſchenkt war, Zitterten hin und wieder des heiligen Maͤdchens Gedanken. Ruhig fuͤhlt ſie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen, Nur um ihres himmliſchen Bruders, um Lazarus willen, Trauert ſie wegen der Blaͤſſe, von der die Geſpielinn oft redet. Neben ihr gieng die ſittſame Cidli, die Tochter Jairus. Still in Unſchuld waren ihr kaum zwoͤlf Jahre verfloſſen, Als, aus dem jungen Leben wegbluͤhend, ſie heiter und freudig Jn die Gefilde des Friedens hinuͤber ſchlummerte. Todt lag Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias, Rief ſie aus dem Schlummer zuruͤck, und gab ſie der Mutter. Heilig traͤgt ſie die Spuren der Auferſtehung; doch kennt ſie Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekroͤnt iſt, Nicht die zart aufbluͤhende Schoͤnheit der werdenden Jugend Noch ihr goͤttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet. So gieng, da ſie erwuchs, der Jſraelitinnen ſchoͤnſte,
Sula-
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Der Meßias.
Lazarus dachte den Tod, und die Auferſtehung vom Tode.
Da er, wie zu des Ewigen Anſchaun, zum großen Meßias,
Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufſtieg.
Seine Schweſter, die junge Maria, die Hoͤrerinn Jeſu,
Die, in ihrer Unſchuld und Ruh vor ihn hingegoſſen,
Da den ewigern Theil zu ſeinen Fuͤßen erwaͤhlte,
Dieſe folgte dem himmliſchen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz,
War mit Todesblaͤſſe bedeckt. Jm Auge voll Wehmut,
Hielt ſie die ruͤhrendſte Thraͤne zuruͤck, die jemals geweint ward.
Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jeſus den Namen
Des Rechtſchaffenen gab, zu ihrem himmliſchen Bruder,
Welcher geſtorben, und ihr von den Todten wieder geſchenkt war,
Zitterten hin und wieder des heiligen Maͤdchens Gedanken.
Ruhig fuͤhlt ſie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen,
Nur um ihres himmliſchen Bruders, um Lazarus willen,
Trauert ſie wegen der Blaͤſſe, von der die Geſpielinn oft redet.
Neben ihr gieng die ſittſame Cidli, die Tochter Jairus.
Still in Unſchuld waren ihr kaum zwoͤlf Jahre verfloſſen,
Als, aus dem jungen Leben wegbluͤhend, ſie heiter und freudig
Jn die Gefilde des Friedens hinuͤber ſchlummerte. Todt lag
Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias,
Rief ſie aus dem Schlummer zuruͤck, und gab ſie der Mutter.
Heilig traͤgt ſie die Spuren der Auferſtehung; doch kennt ſie
Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekroͤnt iſt,
Nicht die zart aufbluͤhende Schoͤnheit der werdenden Jugend
Noch ihr goͤttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet.
So gieng, da ſie erwuchs, der Jſraelitinnen ſchoͤnſte,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/140>, abgerufen am 16.07.2024.
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