Um Erbarmung: so höre dich Gott, und erbarme sich deiner! Also sagt er, und geht durch sie hin. Jhn begleitete Joseph. Aber Jthuriel sah Nikodemum, den göttlichen Mann, gehn. Und der Seraph erhub sich und gieng in hoher Entzückung Mit weit ausgebreiteten Armen. Sein freudiges Auge Schaute gen Himmel nach Gottes Thron hin. Ein göttliches Lächeln Hellte die selige Stirn, und unaussprechliche Freude Floß um sein Haupt, da er gieng. So, wie der Himmlischen einer, Der, als Wächter, zween Liebende schützt, die edler sich lieben, Tief verloren in seiner Entzückung, auf blühenden Hügeln, Unten am ewigen Thron steht, wenn Seraph Eloa vor Gott singt, Und der tönenden Harfe die himmlische Sprache gebietet. Von der Belohnung der Tugend, vom Widersehen der Freunde Und der Liebenden singt dann Eloa. Der lächelnde Seraph Stehet entzückt. Die Harfe tönt fort mit geflügelten Stimmen, Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! Der hörende Jüngling Jauchzt, und zerfließt im süßen Gefühl unaussprechlicher Freuden. Also entzückt stand Jthuriel da, und sprach zu sich selber: Welche Seligkeit wird, nach des Mittlers Tode, dich krönen; Wenn du solche unsterbliche Seelen, o Menschengeschlecht, hast! Und nun bald die Christen so sind, wie dieser Gerechte! Dieses sagt er, und achtet nicht Satan, ihn hören zu lassen, Was er sagt. Doch Satan erblickt ihn in seiner Entzückung, Und empfand den gewissen Triumph des erhabneren Seraphs. Aber Nikodemus gieng neben Joseph und sagte, Als er von ihm sich wandte: du aber schämtest dich seiner, Theurer Joseph! Das gieng ihm durchs Herz. Der frömmere Joseph
Hatte
Der Meßias.
Um Erbarmung: ſo hoͤre dich Gott, und erbarme ſich deiner! Alſo ſagt er, und geht durch ſie hin. Jhn begleitete Joſeph. Aber Jthuriel ſah Nikodemum, den goͤttlichen Mann, gehn. Und der Seraph erhub ſich und gieng in hoher Entzuͤckung Mit weit ausgebreiteten Armen. Sein freudiges Auge Schaute gen Himmel nach Gottes Thron hin. Ein goͤttliches Laͤcheln Hellte die ſelige Stirn, und unausſprechliche Freude Floß um ſein Haupt, da er gieng. So, wie der Himmliſchen einer, Der, als Waͤchter, zween Liebende ſchuͤtzt, die edler ſich lieben, Tief verloren in ſeiner Entzuͤckung, auf bluͤhenden Huͤgeln, Unten am ewigen Thron ſteht, wenn Seraph Eloa vor Gott ſingt, Und der toͤnenden Harfe die himmliſche Sprache gebietet. Von der Belohnung der Tugend, vom Widerſehen der Freunde Und der Liebenden ſingt dann Eloa. Der laͤchelnde Seraph Stehet entzuͤckt. Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stimmen, Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! Der hoͤrende Juͤngling Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unausſprechlicher Freuden. Alſo entzuͤckt ſtand Jthuriel da, und ſprach zu ſich ſelber: Welche Seligkeit wird, nach des Mittlers Tode, dich kroͤnen; Wenn du ſolche unſterbliche Seelen, o Menſchengeſchlecht, haſt! Und nun bald die Chriſten ſo ſind, wie dieſer Gerechte! Dieſes ſagt er, und achtet nicht Satan, ihn hoͤren zu laſſen, Was er ſagt. Doch Satan erblickt ihn in ſeiner Entzuͤckung, Und empfand den gewiſſen Triumph des erhabneren Seraphs. Aber Nikodemus gieng neben Joſeph und ſagte, Als er von ihm ſich wandte: du aber ſchaͤmteſt dich ſeiner, Theurer Joſeph! Das gieng ihm durchs Herz. Der froͤmmere Joſeph
Hatte
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Der Meßias.
Um Erbarmung: ſo hoͤre dich Gott, und erbarme ſich deiner!
Alſo ſagt er, und geht durch ſie hin. Jhn begleitete Joſeph.
Aber Jthuriel ſah Nikodemum, den goͤttlichen Mann, gehn.
Und der Seraph erhub ſich und gieng in hoher Entzuͤckung
Mit weit ausgebreiteten Armen. Sein freudiges Auge
Schaute gen Himmel nach Gottes Thron hin. Ein goͤttliches Laͤcheln
Hellte die ſelige Stirn, und unausſprechliche Freude
Floß um ſein Haupt, da er gieng. So, wie der Himmliſchen einer,
Der, als Waͤchter, zween Liebende ſchuͤtzt, die edler ſich lieben,
Tief verloren in ſeiner Entzuͤckung, auf bluͤhenden Huͤgeln,
Unten am ewigen Thron ſteht, wenn Seraph Eloa vor Gott ſingt,
Und der toͤnenden Harfe die himmliſche Sprache gebietet.
Von der Belohnung der Tugend, vom Widerſehen der Freunde
Und der Liebenden ſingt dann Eloa. Der laͤchelnde Seraph
Stehet entzuͤckt. Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stimmen,
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! Der hoͤrende Juͤngling
Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unausſprechlicher Freuden.
Alſo entzuͤckt ſtand Jthuriel da, und ſprach zu ſich ſelber:
Welche Seligkeit wird, nach des Mittlers Tode, dich kroͤnen;
Wenn du ſolche unſterbliche Seelen, o Menſchengeſchlecht, haſt!
Und nun bald die Chriſten ſo ſind, wie dieſer Gerechte!
Dieſes ſagt er, und achtet nicht Satan, ihn hoͤren zu laſſen,
Was er ſagt. Doch Satan erblickt ihn in ſeiner Entzuͤckung,
Und empfand den gewiſſen Triumph des erhabneren Seraphs.
Aber Nikodemus gieng neben Joſeph und ſagte,
Als er von ihm ſich wandte: du aber ſchaͤmteſt dich ſeiner,
Theurer Joſeph! Das gieng ihm durchs Herz. Der froͤmmere Joſeph
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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