Bester unter den Menschen! Sohn Gottes! Engel des Bundes! Theurer Jüngling! ... Mein Ende sey, wie dein Ende! Mein Grab sey, Bey dem Grabe dieses Gerechten! Nah bey den Gebeinen, Die in Sicherheit ruhn, und zum ewigen Leben erwachen! Doch, was säumet mein Fuß aus dieser Versammlung zu gehen? Heilig und rein geh ich von euch hinaus! Gott hat mich gehöret! Rein des gerechten unschuldigen Bluts! Nun rufe mich zu dir, Richter der Welt! Jch habe kein Theil am Rathe der Sünder! Also spricht er, bleibt wiederum stehn, fällt nieder, und betet: Der du vor Abraham warst, Meßias! Sey du auch mein Zeuge, An dem Tage des grossen Gerichts! Dich bet ich, als Gott, an; Und er stand auf, und redte zu Philo; sein Antlitz war heiter, Wie der Seraphim Angesicht ist. Du hast mir gefluchet! Aber ich segne dich, Philo! Der hats mich also gelehret, Den ich, als Gott, anbetete. Philo, vernimm mich, und kenn ihn! Wenn du nun sterben willst, Philo! Wenn itzt des Unschuldigen Blut dich Schreckt, und auf dich, wie ein Weltmeer herabstürzt! Wenn deinem Ohre, Wie ein Wetter des Herrn, die Stimme der Rache donnert! Wenn du nun hören wirst um dich herum im Dunkeln dahergehn Gottes Fußtritt, den eisernen Gang des wandelnden Richters, Und den Kriegsklang der Panzer um ihn! Des blinkenden Schwerts Schlag, Welches er wetzt, und den trunkenen Pfeil vom Blute der Sünder! Wenn von Gottes Angesicht her die Todesangst ausgeht, Und dich erschüttert! Wenn mit ganz andern Gedanken die Seele Jtzt erfüllt ist! Und um dein starres sterbendes Auge Lauter Gericht ist! Wenn du dich alsdenn vor dem tödtenden Richter Windest und krümmst, und mit bebender Stimme lautweinend zu Gott flehst
Um
Vierter Geſang.
Beſter unter den Menſchen! Sohn Gottes! Engel des Bundes! Theurer Juͤngling! … Mein Ende ſey, wie dein Ende! Mein Grab ſey, Bey dem Grabe dieſes Gerechten! Nah bey den Gebeinen, Die in Sicherheit ruhn, und zum ewigen Leben erwachen! Doch, was ſaͤumet mein Fuß aus dieſer Verſammlung zu gehen? Heilig und rein geh ich von euch hinaus! Gott hat mich gehoͤret! Rein des gerechten unſchuldigen Bluts! Nun rufe mich zu dir, Richter der Welt! Jch habe kein Theil am Rathe der Suͤnder! Alſo ſpricht er, bleibt wiederum ſtehn, faͤllt nieder, und betet: Der du vor Abraham warſt, Meßias! Sey du auch mein Zeuge, An dem Tage des groſſen Gerichts! Dich bet ich, als Gott, an; Und er ſtand auf, und redte zu Philo; ſein Antlitz war heiter, Wie der Seraphim Angeſicht iſt. Du haſt mir gefluchet! Aber ich ſegne dich, Philo! Der hats mich alſo gelehret, Den ich, als Gott, anbetete. Philo, vernimm mich, und kenn ihn! Wenn du nun ſterben willſt, Philo! Wenn itzt des Unſchuldigen Blut dich Schreckt, und auf dich, wie ein Weltmeer herabſtuͤrzt! Wenn deinem Ohre, Wie ein Wetter des Herrn, die Stimme der Rache donnert! Wenn du nun hoͤren wirſt um dich herum im Dunkeln dahergehn Gottes Fußtritt, den eiſernen Gang des wandelnden Richters, Und den Kriegsklang der Panzer um ihn! Des blinkenden Schwerts Schlag, Welches er wetzt, und den trunkenen Pfeil vom Blute der Suͤnder! Wenn von Gottes Angeſicht her die Todesangſt ausgeht, Und dich erſchuͤttert! Wenn mit ganz andern Gedanken die Seele Jtzt erfuͤllt iſt! Und um dein ſtarres ſterbendes Auge Lauter Gericht iſt! Wenn du dich alsdenn vor dem toͤdtenden Richter Windeſt und kruͤmmſt, und mit bebender Stimme lautweinend zu Gott flehſt
Um
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Vierter Geſang.
Beſter unter den Menſchen! Sohn Gottes! Engel des Bundes!
Theurer Juͤngling! … Mein Ende ſey, wie dein Ende! Mein Grab ſey,
Bey dem Grabe dieſes Gerechten! Nah bey den Gebeinen,
Die in Sicherheit ruhn, und zum ewigen Leben erwachen!
Doch, was ſaͤumet mein Fuß aus dieſer Verſammlung zu gehen?
Heilig und rein geh ich von euch hinaus! Gott hat mich gehoͤret!
Rein des gerechten unſchuldigen Bluts! Nun rufe mich zu dir,
Richter der Welt! Jch habe kein Theil am Rathe der Suͤnder!
Alſo ſpricht er, bleibt wiederum ſtehn, faͤllt nieder, und betet:
Der du vor Abraham warſt, Meßias! Sey du auch mein Zeuge,
An dem Tage des groſſen Gerichts! Dich bet ich, als Gott, an;
Und er ſtand auf, und redte zu Philo; ſein Antlitz war heiter,
Wie der Seraphim Angeſicht iſt. Du haſt mir gefluchet!
Aber ich ſegne dich, Philo! Der hats mich alſo gelehret,
Den ich, als Gott, anbetete. Philo, vernimm mich, und kenn ihn!
Wenn du nun ſterben willſt, Philo! Wenn itzt des Unſchuldigen Blut dich
Schreckt, und auf dich, wie ein Weltmeer herabſtuͤrzt! Wenn deinem Ohre,
Wie ein Wetter des Herrn, die Stimme der Rache donnert!
Wenn du nun hoͤren wirſt um dich herum im Dunkeln dahergehn
Gottes Fußtritt, den eiſernen Gang des wandelnden Richters,
Und den Kriegsklang der Panzer um ihn! Des blinkenden Schwerts Schlag,
Welches er wetzt, und den trunkenen Pfeil vom Blute der Suͤnder!
Wenn von Gottes Angeſicht her die Todesangſt ausgeht,
Und dich erſchuͤttert! Wenn mit ganz andern Gedanken die Seele
Jtzt erfuͤllt iſt! Und um dein ſtarres ſterbendes Auge
Lauter Gericht iſt! Wenn du dich alsdenn vor dem toͤdtenden Richter
Windeſt und kruͤmmſt, und mit bebender Stimme lautweinend zu Gott flehſt
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/135>, abgerufen am 16.02.2025.
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