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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Dritter Gesang.

Von so göttlicher Bildung bey meinen Unsterblichen wandeln!
Aber bald wird dieß gar nicht mehr seyn! Bald wird sich der Himmel
Dunkel mit schreckenden Wolken umziehn! Bald werden die Tiefen
Ungestüm erzittern, und diese Gefilde voll Segen,
Diese geliebten Gefilde verwüsten! Bald werden die Menschen
Mörderisch mich ansehn! Bald werdet ihr alle mich fliehen!
Weine nicht, Petrus, und du, mein zärtlich bekümmerter Jünger,
Weine du nicht! wenn der Bräutgam noch da ist, so weinet die Braut nicht.
Ach! ihr werdet mich wieder erblicken, ihr werdet mich sehen,
Wie bey erwachenden Todten die Mutter ein theurer Sohn sehn wird.

Dieses sagt er, und stand mit göttlich erheitertem Antlitz
Unter ihnen; allein in seinem Herzen empfand er
Jnnerlich Seelenangst und der Erlösung erhabene Leiden.
Also gieng er, und wurde von allen vertraulich begleitet;
Nur von Jscharioth nicht. Der hatt ihn unter den Schatten
Waldigter Wipfel von ferne gehört. So weis ers ja selbst schon,
Sagt er vor sich, da er Jesu im weggehn von ferne noch nachsah,
Daß ihm ein Tag der Verfolgung bevorsteht; so wird ers auch wissen,
Wie er seinen Verfolgern begegnen, und unüberwindlich
Seine Verherrlichung endigen soll. Doch sieht er auch, Juda,
Dich, als seinen Gehülfen auf diesem erhabenen Schauplatz?
Weis er dein Unternehmen auch schon? Du willst ihn verrathen!
Ach wie sind vor dem sterblichen Auge des Ewigen Wege
Wunderbar! Wie unerforschlich ist Gott in seinen Gerichten!
Meinen Meßias, den soll ich, zu seiner Erhöhung, verrathen?
Aber, wenn mein Gesicht mich nun täuscht? Wenn mein Traum mich betrieget?
Täuscht
G 2

Dritter Geſang.

Von ſo goͤttlicher Bildung bey meinen Unſterblichen wandeln!
Aber bald wird dieß gar nicht mehr ſeyn! Bald wird ſich der Himmel
Dunkel mit ſchreckenden Wolken umziehn! Bald werden die Tiefen
Ungeſtuͤm erzittern, und dieſe Gefilde voll Segen,
Dieſe geliebten Gefilde verwuͤſten! Bald werden die Menſchen
Moͤrderiſch mich anſehn! Bald werdet ihr alle mich fliehen!
Weine nicht, Petrus, und du, mein zaͤrtlich bekuͤmmerter Juͤnger,
Weine du nicht! wenn der Braͤutgam noch da iſt, ſo weinet die Braut nicht.
Ach! ihr werdet mich wieder erblicken, ihr werdet mich ſehen,
Wie bey erwachenden Todten die Mutter ein theurer Sohn ſehn wird.

Dieſes ſagt er, und ſtand mit goͤttlich erheitertem Antlitz
Unter ihnen; allein in ſeinem Herzen empfand er
Jnnerlich Seelenangſt und der Erloͤſung erhabene Leiden.
Alſo gieng er, und wurde von allen vertraulich begleitet;
Nur von Jſcharioth nicht. Der hatt ihn unter den Schatten
Waldigter Wipfel von ferne gehoͤrt. So weis ers ja ſelbſt ſchon,
Sagt er vor ſich, da er Jeſu im weggehn von ferne noch nachſah,
Daß ihm ein Tag der Verfolgung bevorſteht; ſo wird ers auch wiſſen,
Wie er ſeinen Verfolgern begegnen, und unuͤberwindlich
Seine Verherrlichung endigen ſoll. Doch ſieht er auch, Juda,
Dich, als ſeinen Gehuͤlfen auf dieſem erhabenen Schauplatz?
Weis er dein Unternehmen auch ſchon? Du willſt ihn verrathen!
Ach wie ſind vor dem ſterblichen Auge des Ewigen Wege
Wunderbar! Wie unerforſchlich iſt Gott in ſeinen Gerichten!
Meinen Meßias, den ſoll ich, zu ſeiner Erhoͤhung, verrathen?
Aber, weñ mein Geſicht mich nun taͤuſcht? Weñ mein Traum mich betrieget?
Taͤuſcht
G 2
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[99/0111] Dritter Geſang. Von ſo goͤttlicher Bildung bey meinen Unſterblichen wandeln! Aber bald wird dieß gar nicht mehr ſeyn! Bald wird ſich der Himmel Dunkel mit ſchreckenden Wolken umziehn! Bald werden die Tiefen Ungeſtuͤm erzittern, und dieſe Gefilde voll Segen, Dieſe geliebten Gefilde verwuͤſten! Bald werden die Menſchen Moͤrderiſch mich anſehn! Bald werdet ihr alle mich fliehen! Weine nicht, Petrus, und du, mein zaͤrtlich bekuͤmmerter Juͤnger, Weine du nicht! wenn der Braͤutgam noch da iſt, ſo weinet die Braut nicht. Ach! ihr werdet mich wieder erblicken, ihr werdet mich ſehen, Wie bey erwachenden Todten die Mutter ein theurer Sohn ſehn wird. Dieſes ſagt er, und ſtand mit goͤttlich erheitertem Antlitz Unter ihnen; allein in ſeinem Herzen empfand er Jnnerlich Seelenangſt und der Erloͤſung erhabene Leiden. Alſo gieng er, und wurde von allen vertraulich begleitet; Nur von Jſcharioth nicht. Der hatt ihn unter den Schatten Waldigter Wipfel von ferne gehoͤrt. So weis ers ja ſelbſt ſchon, Sagt er vor ſich, da er Jeſu im weggehn von ferne noch nachſah, Daß ihm ein Tag der Verfolgung bevorſteht; ſo wird ers auch wiſſen, Wie er ſeinen Verfolgern begegnen, und unuͤberwindlich Seine Verherrlichung endigen ſoll. Doch ſieht er auch, Juda, Dich, als ſeinen Gehuͤlfen auf dieſem erhabenen Schauplatz? Weis er dein Unternehmen auch ſchon? Du willſt ihn verrathen! Ach wie ſind vor dem ſterblichen Auge des Ewigen Wege Wunderbar! Wie unerforſchlich iſt Gott in ſeinen Gerichten! Meinen Meßias, den ſoll ich, zu ſeiner Erhoͤhung, verrathen? Aber, weñ mein Geſicht mich nun taͤuſcht? Weñ mein Traum mich betrieget? Taͤuſcht G 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/111>, abgerufen am 22.11.2024.