Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Gesang.

Deines Vaters, und laß mich nicht traurig in meine Behausung
Unter die Seelen der Todten mit Herzeleid wiederkehren.

Satan richtete sich, nach Vollendung seiner Gesichte
Ueber ihm auf. So richtet sich hoch ein olympischer Berg auf,
Welcher ein Thal war, wenn Thäler um ihn, bey Erschüttrung der Erde,
Mit unermeslichem sinkenden Schritt in die Tiefe sich stürzen.
Judas erwacht und sprang ungestüm auf. Ja, sie war es, die Stimme
Meines verstorbenen Vaters, so redt er, so sah ich ihn sterben!
Also ist es gewiß, man haßt mich! Selbst unter den Todten
Jst es bekannt; was du immer voll Furcht, und zitternd vermuthet
Armer Verlaßner, das melden dir itzt die Seelen der Todten!
Nun wohlan! so will ich denn hingehn, und alles vollenden,
Was dieß hohe Gesicht mir befahl! Doch so handl ich ja untreu
An dem Meßias! Entfleuch, zu furchtsamer kleiner Gedanke!
Meinem Vater befahl es ein Geist; unfehlbar befahl es
Gott dem Geiste; so thu ich, was Gott will; so handl ich nicht untreu!
Was ich thue, geschieht selbst zur Verherrlichung Jesu!
Aber ich fühle ja bey mir nach Reichthum heiße Begierden!
Heiße Begierden nach Rache! Was bist du, Seele, so zärtlich,
Und so empfindlich, mit schwachen Gedanken dich ängstlich zu quälen?
Gott schickt Gesichte; die hohen Gesichte befehlen dir Rache;
Wenn sie der Ewige will, so ist die Rache geheiligt!
Satan hört ihn, den Gottes Gerichte von ferne schon trafen,
Weil er die Unschuld der Seele vorher entheiliget hatte,
Also reden. Er stand, und sah mit schweigendem Stolze
Und
G

Dritter Geſang.

Deines Vaters, und laß mich nicht traurig in meine Behauſung
Unter die Seelen der Todten mit Herzeleid wiederkehren.

Satan richtete ſich, nach Vollendung ſeiner Geſichte
Ueber ihm auf. So richtet ſich hoch ein olympiſcher Berg auf,
Welcher ein Thal war, wenn Thaͤler um ihn, bey Erſchuͤttrung der Erde,
Mit unermeslichem ſinkenden Schritt in die Tiefe ſich ſtuͤrzen.
Judas erwacht und ſprang ungeſtuͤm auf. Ja, ſie war es, die Stimme
Meines verſtorbenen Vaters, ſo redt er, ſo ſah ich ihn ſterben!
Alſo iſt es gewiß, man haßt mich! Selbſt unter den Todten
Jſt es bekannt; was du immer voll Furcht, und zitternd vermuthet
Armer Verlaßner, das melden dir itzt die Seelen der Todten!
Nun wohlan! ſo will ich denn hingehn, und alles vollenden,
Was dieß hohe Geſicht mir befahl! Doch ſo handl ich ja untreu
An dem Meßias! Entfleuch, zu furchtſamer kleiner Gedanke!
Meinem Vater befahl es ein Geiſt; unfehlbar befahl es
Gott dem Geiſte; ſo thu ich, was Gott will; ſo handl ich nicht untreu!
Was ich thue, geſchieht ſelbſt zur Verherrlichung Jeſu!
Aber ich fuͤhle ja bey mir nach Reichthum heiße Begierden!
Heiße Begierden nach Rache! Was biſt du, Seele, ſo zaͤrtlich,
Und ſo empfindlich, mit ſchwachen Gedanken dich aͤngſtlich zu quaͤlen?
Gott ſchickt Geſichte; die hohen Geſichte befehlen dir Rache;
Wenn ſie der Ewige will, ſo iſt die Rache geheiligt!
Satan hoͤrt ihn, den Gottes Gerichte von ferne ſchon trafen,
Weil er die Unſchuld der Seele vorher entheiliget hatte,
Alſo reden. Er ſtand, und ſah mit ſchweigendem Stolze
Und
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="35">
              <l>
                <pb facs="#f0109" n="97"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Deines Vaters, und laß mich nicht traurig in meine Behau&#x017F;ung</l><lb/>
              <l>Unter die Seelen der Todten mit Herzeleid wiederkehren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="36">
              <l>Satan richtete &#x017F;ich, nach Vollendung &#x017F;einer Ge&#x017F;ichte</l><lb/>
              <l>Ueber ihm auf. So richtet &#x017F;ich hoch ein olympi&#x017F;cher Berg auf,</l><lb/>
              <l>Welcher ein Thal war, wenn Tha&#x0364;ler um ihn, bey Er&#x017F;chu&#x0364;ttrung der Erde,</l><lb/>
              <l>Mit unermeslichem &#x017F;inkenden Schritt in die Tiefe &#x017F;ich &#x017F;tu&#x0364;rzen.</l><lb/>
              <l>Judas erwacht und &#x017F;prang unge&#x017F;tu&#x0364;m auf. Ja, &#x017F;ie war es, die Stimme</l><lb/>
              <l>Meines ver&#x017F;torbenen Vaters, &#x017F;o redt er, &#x017F;o &#x017F;ah ich ihn &#x017F;terben!</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o i&#x017F;t es gewiß, man haßt mich! Selb&#x017F;t unter den Todten</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t es bekannt; was du immer voll Furcht, und zitternd vermuthet</l><lb/>
              <l>Armer Verlaßner, das melden dir itzt die Seelen der Todten!</l><lb/>
              <l>Nun wohlan! &#x017F;o will ich denn hingehn, und alles vollenden,</l><lb/>
              <l>Was dieß hohe Ge&#x017F;icht mir befahl! Doch &#x017F;o handl ich ja untreu</l><lb/>
              <l>An dem Meßias! Entfleuch, zu furcht&#x017F;amer kleiner Gedanke!</l><lb/>
              <l>Meinem Vater befahl es ein Gei&#x017F;t; unfehlbar befahl es</l><lb/>
              <l>Gott dem Gei&#x017F;te; &#x017F;o thu ich, was Gott will; &#x017F;o handl ich nicht untreu!</l><lb/>
              <l>Was ich thue, ge&#x017F;chieht &#x017F;elb&#x017F;t zur Verherrlichung Je&#x017F;u!</l><lb/>
              <l>Aber ich fu&#x0364;hle ja bey mir nach Reichthum heiße Begierden!</l><lb/>
              <l>Heiße Begierden nach Rache! Was bi&#x017F;t du, Seele, &#x017F;o za&#x0364;rtlich,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;o empfindlich, mit &#x017F;chwachen Gedanken dich a&#x0364;ng&#x017F;tlich zu qua&#x0364;len?</l><lb/>
              <l>Gott &#x017F;chickt Ge&#x017F;ichte; die hohen Ge&#x017F;ichte befehlen dir Rache;</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;ie der Ewige will, &#x017F;o i&#x017F;t die Rache geheiligt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="37">
              <l>Satan ho&#x0364;rt ihn, den Gottes Gerichte von ferne &#x017F;chon trafen,</l><lb/>
              <l>Weil er die Un&#x017F;chuld der Seele vorher entheiliget hatte,</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o reden. Er &#x017F;tand, und &#x017F;ah mit &#x017F;chweigendem Stolze<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0109] Dritter Geſang. Deines Vaters, und laß mich nicht traurig in meine Behauſung Unter die Seelen der Todten mit Herzeleid wiederkehren. Satan richtete ſich, nach Vollendung ſeiner Geſichte Ueber ihm auf. So richtet ſich hoch ein olympiſcher Berg auf, Welcher ein Thal war, wenn Thaͤler um ihn, bey Erſchuͤttrung der Erde, Mit unermeslichem ſinkenden Schritt in die Tiefe ſich ſtuͤrzen. Judas erwacht und ſprang ungeſtuͤm auf. Ja, ſie war es, die Stimme Meines verſtorbenen Vaters, ſo redt er, ſo ſah ich ihn ſterben! Alſo iſt es gewiß, man haßt mich! Selbſt unter den Todten Jſt es bekannt; was du immer voll Furcht, und zitternd vermuthet Armer Verlaßner, das melden dir itzt die Seelen der Todten! Nun wohlan! ſo will ich denn hingehn, und alles vollenden, Was dieß hohe Geſicht mir befahl! Doch ſo handl ich ja untreu An dem Meßias! Entfleuch, zu furchtſamer kleiner Gedanke! Meinem Vater befahl es ein Geiſt; unfehlbar befahl es Gott dem Geiſte; ſo thu ich, was Gott will; ſo handl ich nicht untreu! Was ich thue, geſchieht ſelbſt zur Verherrlichung Jeſu! Aber ich fuͤhle ja bey mir nach Reichthum heiße Begierden! Heiße Begierden nach Rache! Was biſt du, Seele, ſo zaͤrtlich, Und ſo empfindlich, mit ſchwachen Gedanken dich aͤngſtlich zu quaͤlen? Gott ſchickt Geſichte; die hohen Geſichte befehlen dir Rache; Wenn ſie der Ewige will, ſo iſt die Rache geheiligt! Satan hoͤrt ihn, den Gottes Gerichte von ferne ſchon trafen, Weil er die Unſchuld der Seele vorher entheiliget hatte, Alſo reden. Er ſtand, und ſah mit ſchweigendem Stolze Und G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/109
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/109>, abgerufen am 22.11.2024.