So gewiß es auch ist, daß die Eiche den deutschen Charakter vorzüglich gut abbildet, und daß sich wol etwas Anmaassung unbeses- ner Verdienste mit einmischte, wenn die Rö- mer ihren Bürgerkranz aus Eichenlaube floch- ten; so können wir doch der Meinung derer nicht beytreten, welche den Ursprung der eben angeführten Belonungen in den ältesten Zei- ten unsrer Nation finden. Denn zu ge- schweigen, daß diese Meinung bloß Vermu- tung ist, so war die Eiche bey unsern ältesten Vorfahren mehr, als etwas Symbolisches: sie war ein geheiligter Baum, unter dessen Schatten die Götter am liebsten ausruhten. Alles was man etwa zugestehn kann, ist, daß die geglaubte Heiligkeit der Eiche die Wahl derselben zu einer symbolischen Verstel- lung vielleicht veranlast hat. Denn in den ersten Zeiten der Republik war unter dem ge- meinen Volke die Eiche noch eben so heilig, als es die Loose waren, welche damals nicht etwa im Verborgnen, sondern vor den Altä- ren geworfen wurden.
Zuruf an die Nachkommen. Wer einen Hügel hat, und die Eichel mit dem Blatte zu erhalten pflegt, ist der grösten unsrer Belo- nungen fähig, dieser nämlich: Der Herold
ruft
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So gewiß es auch iſt, daß die Eiche den deutſchen Charakter vorzuͤglich gut abbildet, und daß ſich wol etwas Anmaaſſung unbeſes- ner Verdienſte mit einmiſchte, wenn die Roͤ- mer ihren Buͤrgerkranz aus Eichenlaube floch- ten; ſo koͤnnen wir doch der Meinung derer nicht beytreten, welche den Urſprung der eben angefuͤhrten Belonungen in den aͤlteſten Zei- ten unſrer Nation finden. Denn zu ge- ſchweigen, daß dieſe Meinung bloß Vermu- tung iſt, ſo war die Eiche bey unſern aͤlteſten Vorfahren mehr, als etwas Symboliſches: ſie war ein geheiligter Baum, unter deſſen Schatten die Goͤtter am liebſten ausruhten. Alles was man etwa zugeſtehn kann, iſt, daß die geglaubte Heiligkeit der Eiche die Wahl derſelben zu einer ſymboliſchen Verſtel- lung vielleicht veranlaſt hat. Denn in den erſten Zeiten der Republik war unter dem ge- meinen Volke die Eiche noch eben ſo heilig, als es die Looſe waren, welche damals nicht etwa im Verborgnen, ſondern vor den Altaͤ- ren geworfen wurden.
Zuruf an die Nachkommen. Wer einen Huͤgel hat, und die Eichel mit dem Blatte zu erhalten pflegt, iſt der groͤſten unſrer Belo- nungen faͤhig, dieſer naͤmlich: Der Herold
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So gewiß es auch iſt, daß die Eiche den
deutſchen Charakter vorzuͤglich gut abbildet,
und daß ſich wol etwas Anmaaſſung unbeſes-
ner Verdienſte mit einmiſchte, wenn die Roͤ-
mer ihren Buͤrgerkranz aus Eichenlaube floch-
ten; ſo koͤnnen wir doch der Meinung derer
nicht beytreten, welche den Urſprung der eben
angefuͤhrten Belonungen in den aͤlteſten Zei-
ten unſrer Nation finden. Denn zu ge-
ſchweigen, daß dieſe Meinung bloß Vermu-
tung iſt, ſo war die Eiche bey unſern aͤlteſten
Vorfahren mehr, als etwas Symboliſches:
ſie war ein geheiligter Baum, unter deſſen
Schatten die Goͤtter am liebſten ausruhten.
Alles was man etwa zugeſtehn kann, iſt,
daß die geglaubte Heiligkeit der Eiche die
Wahl derſelben zu einer ſymboliſchen Verſtel-
lung vielleicht veranlaſt hat. Denn in den
erſten Zeiten der Republik war unter dem ge-
meinen Volke die Eiche noch eben ſo heilig,
als es die Looſe waren, welche damals nicht
etwa im Verborgnen, ſondern vor den Altaͤ-
ren geworfen wurden.
Zuruf an die Nachkommen. Wer einen
Huͤgel hat, und die Eichel mit dem Blatte zu
erhalten pflegt, iſt der groͤſten unſrer Belo-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/99>, abgerufen am 22.11.2024.
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