Zum Volke gehört, wer, ohne sich über das Mittelmässige zu erheben, schreibt, oder öffentlich lehrt, oder die Wissenschaften in gemeinem Leben anwendet; ferner gehören diejenigen dazu, welche so wenig von dem wissen, was würdig ist gewust zu werden, (es komt hier auch mit in Betracht, wenn sie sich auf zu viel Unwissenswürdiges einge- lassen haben) daß sie nicht zünftig sind. Aus- ser diesen wird die Zahl des Volkes auch noch durch die schwankenden Kenner, und diejeni- gen Jünglinge vermehrt, welche von sich hof- fen lassen, daß man sie bald in eine Zunft werde aufnehmen können. Diese Hofnung schlägt freylich nicht selten fehl, und manche von diesen Jünglingen bleiben zeitlebens un- ter dem Volke. Jndeß ist es doch gut, hier bey der Untersuchung nicht zu streng zu verfah- ren; denn sonst würde man wol gar einigen Jünglingen anrathen müssen, sich für erst unter dem Pöbel aufzuhalten, unter dem sie nur verwildern, und ganz würden verdorben werden. Aber diese dürfen es dann auch nicht lange anstehn lassen, sich würdig zu machen, dem Volke anzugehören; denn sonst
müssen
Von dem Volke.
Zum Volke gehoͤrt, wer, ohne ſich uͤber das Mittelmaͤſſige zu erheben, ſchreibt, oder oͤffentlich lehrt, oder die Wiſſenſchaften in gemeinem Leben anwendet; ferner gehoͤren diejenigen dazu, welche ſo wenig von dem wiſſen, was wuͤrdig iſt gewuſt zu werden, (es komt hier auch mit in Betracht, wenn ſie ſich auf zu viel Unwiſſenswuͤrdiges einge- laſſen haben) daß ſie nicht zuͤnftig ſind. Auſ- ſer dieſen wird die Zahl des Volkes auch noch durch die ſchwankenden Kenner, und diejeni- gen Juͤnglinge vermehrt, welche von ſich hof- fen laſſen, daß man ſie bald in eine Zunft werde aufnehmen koͤnnen. Dieſe Hofnung ſchlaͤgt freylich nicht ſelten fehl, und manche von dieſen Juͤnglingen bleiben zeitlebens un- ter dem Volke. Jndeß iſt es doch gut, hier bey der Unterſuchung nicht zu ſtreng zu verfah- ren; denn ſonſt wuͤrde man wol gar einigen Juͤnglingen anrathen muͤſſen, ſich fuͤr erſt unter dem Poͤbel aufzuhalten, unter dem ſie nur verwildern, und ganz wuͤrden verdorben werden. Aber dieſe duͤrfen es dann auch nicht lange anſtehn laſſen, ſich wuͤrdig zu machen, dem Volke anzugehoͤren; denn ſonſt
muͤſſen
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Von dem Volke.
Zum Volke gehoͤrt, wer, ohne ſich uͤber
das Mittelmaͤſſige zu erheben, ſchreibt,
oder oͤffentlich lehrt, oder die Wiſſenſchaften
in gemeinem Leben anwendet; ferner gehoͤren
diejenigen dazu, welche ſo wenig von dem
wiſſen, was wuͤrdig iſt gewuſt zu werden,
(es komt hier auch mit in Betracht, wenn
ſie ſich auf zu viel Unwiſſenswuͤrdiges einge-
laſſen haben) daß ſie nicht zuͤnftig ſind. Auſ-
ſer dieſen wird die Zahl des Volkes auch noch
durch die ſchwankenden Kenner, und diejeni-
gen Juͤnglinge vermehrt, welche von ſich hof-
fen laſſen, daß man ſie bald in eine Zunft
werde aufnehmen koͤnnen. Dieſe Hofnung
ſchlaͤgt freylich nicht ſelten fehl, und manche
von dieſen Juͤnglingen bleiben zeitlebens un-
ter dem Volke. Jndeß iſt es doch gut, hier
bey der Unterſuchung nicht zu ſtreng zu verfah-
ren; denn ſonſt wuͤrde man wol gar einigen
Juͤnglingen anrathen muͤſſen, ſich fuͤr erſt
unter dem Poͤbel aufzuhalten, unter dem ſie
nur verwildern, und ganz wuͤrden verdorben
werden. Aber dieſe duͤrfen es dann auch
nicht lange anſtehn laſſen, ſich wuͤrdig zu
machen, dem Volke anzugehoͤren; denn ſonſt
muͤſſen
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/80>, abgerufen am 23.11.2024.
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