gab Allem eine Wendung der Anmut, mit der nichts, als die gutwählende Beurtheilung konte verglichen werden ... Durch dieses alles stieg der Ruhm des Kaisers so schnell, daß es bald lächerlich wurde, ihm publicistisch zu räuchern. Denn er ward wirklich verehrt, und geliebt ... Lessing und Gerstenberg, die Unterausseher der Schaubühne, wählten so wol die deutschen Stücke, die gespielt, als die ausländi- schen, die für die Vorstellung übersezt werden sol- ten. Sie hatten die Gewalt, ohne Jemanden von dem Gebrauche derselben Rechenschaft zu geben, Schauspieler anzunehmen, und fortzuschicken. Sie gaben ihnen zugleich Unterricht in der Kunst der Vorstellung, und bereiteten sie zu jedem neuen Stü- cke. Bey der Wahl der Stücke wurde nicht allein auf ihre poetische, sondern auch auf ihre moralische Schönheit gesehn. Jn Absicht auf diese hatte der Oberaufseher den streitigen Fall zu entscheiden. Denn dieser höchstwichtige Punkt ist nicht die Sache der Kunst, sondern des Staats. Weil die Schau- bühne nicht allein von ihren Einkünsten, sondern im Falle des Mangels auch vom Hofe unterhalten wurde; so kam der Gedanke, daß man weniger Zu- schauer haben würde, wenn man auf diese oder jene Art verführe, nicht in Betrachtung, und man konte kühn mit dem griechischen Dichter sagen: Jch bin nicht da, ihr Athemenser, von euch, sondern ihr seyd da, von mir zu lernen ... Endlich eine Geschichte unsers Vaterlandes schreiben zu lassen, dazu gehörte mehr Zeit, als die Schaubühne zu heben, oder ein Singhaus (es ist hier nicht von der Oper die Rede) einzurichten. Einige Gelehrte, die bloß Samler waren, erhielten von zwey Geschichtschreibern, ei- nem Katholiken, und einem Protestanten eine ge-
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gab Allem eine Wendung der Anmut, mit der nichts, als die gutwaͤhlende Beurtheilung konte verglichen werden … Durch dieſes alles ſtieg der Ruhm des Kaiſers ſo ſchnell, daß es bald laͤcherlich wurde, ihm publiciſtiſch zu raͤuchern. Denn er ward wirklich verehrt, und geliebt … Leſſing und Gerſtenberg, die Unterauſſeher der Schaubuͤhne, waͤhlten ſo wol die deutſchen Stuͤcke, die geſpielt, als die auslaͤndi- ſchen, die fuͤr die Vorſtellung uͤberſezt werden ſol- ten. Sie hatten die Gewalt, ohne Jemanden von dem Gebrauche derſelben Rechenſchaft zu geben, Schauſpieler anzunehmen, und fortzuſchicken. Sie gaben ihnen zugleich Unterricht in der Kunſt der Vorſtellung, und bereiteten ſie zu jedem neuen Stuͤ- cke. Bey der Wahl der Stuͤcke wurde nicht allein auf ihre poetiſche, ſondern auch auf ihre moraliſche Schoͤnheit geſehn. Jn Abſicht auf dieſe hatte der Oberaufſeher den ſtreitigen Fall zu entſcheiden. Denn dieſer hoͤchſtwichtige Punkt iſt nicht die Sache der Kunſt, ſondern des Staats. Weil die Schau- buͤhne nicht allein von ihren Einkuͤnſten, ſondern im Falle des Mangels auch vom Hofe unterhalten wurde; ſo kam der Gedanke, daß man weniger Zu- ſchauer haben wuͤrde, wenn man auf dieſe oder jene Art verfuͤhre, nicht in Betrachtung, und man konte kuͤhn mit dem griechiſchen Dichter ſagen: Jch bin nicht da, ihr Athemenſer, von euch, ſondern ihr ſeyd da, von mir zu lernen … Endlich eine Geſchichte unſers Vaterlandes ſchreiben zu laſſen, dazu gehoͤrte mehr Zeit, als die Schaubuͤhne zu heben, oder ein Singhaus (es iſt hier nicht von der Oper die Rede) einzurichten. Einige Gelehrte, die bloß Samler waren, erhielten von zwey Geſchichtſchreibern, ei- nem Katholiken, und einem Proteſtanten eine ge-
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gab Allem eine Wendung der Anmut, mit der nichts,
als die gutwaͤhlende Beurtheilung konte verglichen
werden … Durch dieſes alles ſtieg der Ruhm des
Kaiſers ſo ſchnell, daß es bald laͤcherlich wurde, ihm
publiciſtiſch zu raͤuchern. Denn er ward wirklich
verehrt, und geliebt … Leſſing und Gerſtenberg,
die Unterauſſeher der Schaubuͤhne, waͤhlten ſo wol
die deutſchen Stuͤcke, die geſpielt, als die auslaͤndi-
ſchen, die fuͤr die Vorſtellung uͤberſezt werden ſol-
ten. Sie hatten die Gewalt, ohne Jemanden von
dem Gebrauche derſelben Rechenſchaft zu geben,
Schauſpieler anzunehmen, und fortzuſchicken. Sie
gaben ihnen zugleich Unterricht in der Kunſt der
Vorſtellung, und bereiteten ſie zu jedem neuen Stuͤ-
cke. Bey der Wahl der Stuͤcke wurde nicht allein
auf ihre poetiſche, ſondern auch auf ihre moraliſche
Schoͤnheit geſehn. Jn Abſicht auf dieſe hatte der
Oberaufſeher den ſtreitigen Fall zu entſcheiden.
Denn dieſer hoͤchſtwichtige Punkt iſt nicht die Sache
der Kunſt, ſondern des Staats. Weil die Schau-
buͤhne nicht allein von ihren Einkuͤnſten, ſondern
im Falle des Mangels auch vom Hofe unterhalten
wurde; ſo kam der Gedanke, daß man weniger Zu-
ſchauer haben wuͤrde, wenn man auf dieſe oder jene
Art verfuͤhre, nicht in Betrachtung, und man konte
kuͤhn mit dem griechiſchen Dichter ſagen: Jch bin
nicht da, ihr Athemenſer, von euch, ſondern ihr
ſeyd da, von mir zu lernen … Endlich eine Geſchichte
unſers Vaterlandes ſchreiben zu laſſen, dazu gehoͤrte
mehr Zeit, als die Schaubuͤhne zu heben, oder ein
Singhaus (es iſt hier nicht von der Oper die Rede)
einzurichten. Einige Gelehrte, die bloß Samler
waren, erhielten von zwey Geſchichtſchreibern, ei-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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