urtheilen. Dieser Zustand war, daß die Gelehrten Deutschlands von keinem ihrer Fürsten unterstüzt wurden; und daß, indem sie das Verdienst hatten, alles, was sie thaten, allein zu thun, die Unterstü- zung, auf die man sich hier und da ein wenig, und nur auf kurze Zeit einließ, viel zu unbedeutend war, als daß sie auf die Gegenwagschale jenes Verdienstes gelegt werden konte. Stolz konte freylich ein solches Verdienst diejenigen machen, die es hatten; aber zu einer Zeit, da eine Nation in Absicht auf die Wissenschaften in einer gewissen Bewegung ist, ist dem Fortgange derselben, und der Erreichung eines hohen Zieles nichts hinderlicher, als es haben zu müssen. Der Kaiser sah die Bewegung, in der die Nation war, und daß er in einem Perioden lebte, den seine Vorfahren vergebens würden haben her- vorbringen wollen; er ergrif den Augenblik des An- lasses, und entschloß sich zu seyn, was er, weil er vaterländisch dachte, zu seyn verdiente ... (...) Unter- deß fuhr die Nation fort ihre Sprache zu lieben, die Werke ihrer guten Scribenten mit Beyfalle auf- zunehmen, und überhaupt Talenten mit viel mehr Antheile, als sonst gewönlich gewesen war, Gerech- tigkeit wiederfahren zu lassen. Und dieß war der Zeitpunkt, in welchem ein junger Kaiser, der ben Geist Karls des Fünften in sich fühlte, Deutschlands Oberhaupt wurde. Die Nation war ungeachtet der Bewegung, in welcher er sie fand, gleichwol noch nicht patriotisch genung; einige der besten Werke der schönen Wissenschaften waren noch ungeschrieben, und viele Erfindungen der philosophischen waren noch nicht da. Ein Volk, das in viele Fürstenthü- mer abgesondert ist, konte auch nicht eher mit einem
ge-
(...) Wo drey Puncte stehn, fehlt etwas.
urtheilen. Dieſer Zuſtand war, daß die Gelehrten Deutſchlands von keinem ihrer Fuͤrſten unterſtuͤzt wurden; und daß, indem ſie das Verdienſt hatten, alles, was ſie thaten, allein zu thun, die Unterſtuͤ- zung, auf die man ſich hier und da ein wenig, und nur auf kurze Zeit einließ, viel zu unbedeutend war, als daß ſie auf die Gegenwagſchale jenes Verdienſtes gelegt werden konte. Stolz konte freylich ein ſolches Verdienſt diejenigen machen, die es hatten; aber zu einer Zeit, da eine Nation in Abſicht auf die Wiſſenſchaften in einer gewiſſen Bewegung iſt, iſt dem Fortgange derſelben, und der Erreichung eines hohen Zieles nichts hinderlicher, als es haben zu muͤſſen. Der Kaiſer ſah die Bewegung, in der die Nation war, und daß er in einem Perioden lebte, den ſeine Vorfahren vergebens wuͤrden haben her- vorbringen wollen; er ergrif den Augenblik des An- laſſes, und entſchloß ſich zu ſeyn, was er, weil er vaterlaͤndiſch dachte, zu ſeyn verdiente … (…) Unter- deß fuhr die Nation fort ihre Sprache zu lieben, die Werke ihrer guten Scribenten mit Beyfalle auf- zunehmen, und uͤberhaupt Talenten mit viel mehr Antheile, als ſonſt gewoͤnlich geweſen war, Gerech- tigkeit wiederfahren zu laſſen. Und dieß war der Zeitpunkt, in welchem ein junger Kaiſer, der ben Geiſt Karls des Fuͤnften in ſich fuͤhlte, Deutſchlands Oberhaupt wurde. Die Nation war ungeachtet der Bewegung, in welcher er ſie fand, gleichwol noch nicht patriotiſch genung; einige der beſten Werke der ſchoͤnen Wiſſenſchaften waren noch ungeſchrieben, und viele Erfindungen der philoſophiſchen waren noch nicht da. Ein Volk, das in viele Fuͤrſtenthuͤ- mer abgeſondert iſt, konte auch nicht eher mit einem
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(…) Wo drey Puncte ſtehn, fehlt etwas.
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urtheilen. Dieſer Zuſtand war, daß die Gelehrten
Deutſchlands von keinem ihrer Fuͤrſten unterſtuͤzt
wurden; und daß, indem ſie das Verdienſt hatten,
alles, was ſie thaten, allein zu thun, die Unterſtuͤ-
zung, auf die man ſich hier und da ein wenig, und
nur auf kurze Zeit einließ, viel zu unbedeutend war,
als daß ſie auf die Gegenwagſchale jenes Verdienſtes
gelegt werden konte. Stolz konte freylich ein ſolches
Verdienſt diejenigen machen, die es hatten; aber
zu einer Zeit, da eine Nation in Abſicht auf die
Wiſſenſchaften in einer gewiſſen Bewegung iſt, iſt
dem Fortgange derſelben, und der Erreichung eines
hohen Zieles nichts hinderlicher, als es haben zu
muͤſſen. Der Kaiſer ſah die Bewegung, in der die
Nation war, und daß er in einem Perioden lebte,
den ſeine Vorfahren vergebens wuͤrden haben her-
vorbringen wollen; er ergrif den Augenblik des An-
laſſes, und entſchloß ſich zu ſeyn, was er, weil er
vaterlaͤndiſch dachte, zu ſeyn verdiente … (…) Unter-
deß fuhr die Nation fort ihre Sprache zu lieben,
die Werke ihrer guten Scribenten mit Beyfalle auf-
zunehmen, und uͤberhaupt Talenten mit viel mehr
Antheile, als ſonſt gewoͤnlich geweſen war, Gerech-
tigkeit wiederfahren zu laſſen. Und dieß war der
Zeitpunkt, in welchem ein junger Kaiſer, der ben
Geiſt Karls des Fuͤnften in ſich fuͤhlte, Deutſchlands
Oberhaupt wurde. Die Nation war ungeachtet der
Bewegung, in welcher er ſie fand, gleichwol noch
nicht patriotiſch genung; einige der beſten Werke
der ſchoͤnen Wiſſenſchaften waren noch ungeſchrieben,
und viele Erfindungen der philoſophiſchen waren
noch nicht da. Ein Volk, das in viele Fuͤrſtenthuͤ-
mer abgeſondert iſt, konte auch nicht eher mit einem
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(…) Wo drey Puncte ſtehn, fehlt etwas.
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/496>, abgerufen am 25.11.2024.
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