ihr Vieh! wie der Jnquisitor, einer der zwölf Blutrichter hatte, der es dem Herzog Alba recht einzubringen wuste, daß er nur dreyssig tau- send hatte hinrichten lassen, indem er zu dem getünchten Philipp sagte: Jch weiß es, ich weiß es, was Schuld ist, daß die Empörer nicht sind gedämpft worden! Die grosse Ge- lindigkeit des Alba ist Schuld!) solchen Leuten solten wir unsre mit so vielem Rechte gepriesene Duldung angedeihen lassen? Aber uns denn doch wenigstens, sagt vielleicht ein Christ, der ein Sectierer ist. Euch auch nicht! Denn ob ihr euch gleich auf den Degen nichts zu gute thun könt, und auch wol eine bessere Feder führt, als das Jnquisitorgezücht; so seyd ihr denn doch einmal Christen; und so bald wir diesen Namen auch nur von ferne hören, so können wir schlechterdings keine Duldung wi- derfahren lassen. Wir kommen auf die, bey denen unsre Duldung statt findet. Wir dul- den also: Die Deisten, plumpe Philosophen, die leicht etwas für einen Grundsaz halten, was doch nur eine Folgerung ist, und so bald sie eine Schlußkette gewahr werden, sich gleich zu Gefangnen ergeben. Sie glauben die Un- sterblichkeit der Seele erweisen zu können. Ferner: Die Zweifelsüchtigen. Denn man muß mit seinem kranken Nebenmenschen Mit-
leiden
ihr Vieh! wie der Jnquiſitor, einer der zwoͤlf Blutrichter hatte, der es dem Herzog Alba recht einzubringen wuſte, daß er nur dreyſſig tau- ſend hatte hinrichten laſſen, indem er zu dem getuͤnchten Philipp ſagte: Jch weiß es, ich weiß es, was Schuld iſt, daß die Empoͤrer nicht ſind gedaͤmpft worden! Die groſſe Ge- lindigkeit des Alba iſt Schuld!) ſolchen Leuten ſolten wir unſre mit ſo vielem Rechte geprieſene Duldung angedeihen laſſen? Aber uns denn doch wenigſtens, ſagt vielleicht ein Chriſt, der ein Sectierer iſt. Euch auch nicht! Denn ob ihr euch gleich auf den Degen nichts zu gute thun koͤnt, und auch wol eine beſſere Feder fuͤhrt, als das Jnquiſitorgezuͤcht; ſo ſeyd ihr denn doch einmal Chriſten; und ſo bald wir dieſen Namen auch nur von ferne hoͤren, ſo koͤnnen wir ſchlechterdings keine Duldung wi- derfahren laſſen. Wir kommen auf die, bey denen unſre Duldung ſtatt findet. Wir dul- den alſo: Die Deiſten, plumpe Philoſophen, die leicht etwas fuͤr einen Grundſaz halten, was doch nur eine Folgerung iſt, und ſo bald ſie eine Schlußkette gewahr werden, ſich gleich zu Gefangnen ergeben. Sie glauben die Un- ſterblichkeit der Seele erweiſen zu koͤnnen. Ferner: Die Zweifelſuͤchtigen. Denn man muß mit ſeinem kranken Nebenmenſchen Mit-
leiden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0443"n="367"/>
ihr Vieh! wie der Jnquiſitor, einer der zwoͤlf<lb/>
Blutrichter hatte, der es dem Herzog Alba recht<lb/>
einzubringen wuſte, daß er nur dreyſſig tau-<lb/>ſend hatte hinrichten laſſen, indem er zu dem<lb/>
getuͤnchten Philipp ſagte: Jch weiß es, ich<lb/>
weiß es, was Schuld iſt, daß die Empoͤrer<lb/>
nicht ſind gedaͤmpft worden! Die groſſe Ge-<lb/>
lindigkeit des Alba iſt Schuld!) ſolchen Leuten<lb/>ſolten wir unſre mit ſo vielem Rechte geprieſene<lb/>
Duldung angedeihen laſſen? Aber uns denn<lb/>
doch wenigſtens, ſagt vielleicht ein Chriſt, der<lb/>
ein Sectierer iſt. Euch auch nicht! Denn<lb/>
ob ihr euch gleich auf den Degen nichts zu gute<lb/>
thun koͤnt, und auch wol eine beſſere Feder<lb/>
fuͤhrt, als das Jnquiſitorgezuͤcht; ſo ſeyd ihr<lb/>
denn doch einmal Chriſten; und ſo bald wir<lb/>
dieſen Namen auch nur von ferne hoͤren, ſo<lb/>
koͤnnen wir ſchlechterdings keine Duldung wi-<lb/>
derfahren laſſen. Wir kommen auf die, bey<lb/>
denen unſre Duldung ſtatt findet. Wir dul-<lb/>
den alſo: Die Deiſten, plumpe Philoſophen,<lb/>
die leicht etwas fuͤr einen Grundſaz halten,<lb/>
was doch nur eine Folgerung iſt, und ſo bald<lb/>ſie eine Schlußkette gewahr werden, ſich gleich<lb/>
zu Gefangnen ergeben. Sie glauben die Un-<lb/>ſterblichkeit der Seele erweiſen zu koͤnnen.<lb/>
Ferner: Die Zweifelſuͤchtigen. Denn man<lb/>
muß mit ſeinem kranken Nebenmenſchen Mit-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">leiden</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[367/0443]
ihr Vieh! wie der Jnquiſitor, einer der zwoͤlf
Blutrichter hatte, der es dem Herzog Alba recht
einzubringen wuſte, daß er nur dreyſſig tau-
ſend hatte hinrichten laſſen, indem er zu dem
getuͤnchten Philipp ſagte: Jch weiß es, ich
weiß es, was Schuld iſt, daß die Empoͤrer
nicht ſind gedaͤmpft worden! Die groſſe Ge-
lindigkeit des Alba iſt Schuld!) ſolchen Leuten
ſolten wir unſre mit ſo vielem Rechte geprieſene
Duldung angedeihen laſſen? Aber uns denn
doch wenigſtens, ſagt vielleicht ein Chriſt, der
ein Sectierer iſt. Euch auch nicht! Denn
ob ihr euch gleich auf den Degen nichts zu gute
thun koͤnt, und auch wol eine beſſere Feder
fuͤhrt, als das Jnquiſitorgezuͤcht; ſo ſeyd ihr
denn doch einmal Chriſten; und ſo bald wir
dieſen Namen auch nur von ferne hoͤren, ſo
koͤnnen wir ſchlechterdings keine Duldung wi-
derfahren laſſen. Wir kommen auf die, bey
denen unſre Duldung ſtatt findet. Wir dul-
den alſo: Die Deiſten, plumpe Philoſophen,
die leicht etwas fuͤr einen Grundſaz halten,
was doch nur eine Folgerung iſt, und ſo bald
ſie eine Schlußkette gewahr werden, ſich gleich
zu Gefangnen ergeben. Sie glauben die Un-
ſterblichkeit der Seele erweiſen zu koͤnnen.
Ferner: Die Zweifelſuͤchtigen. Denn man
muß mit ſeinem kranken Nebenmenſchen Mit-
leiden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/443>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.