es dahin zu bringen, daß in Deutschland eine Kirche für die Freygeister erbaut würde. So erzählten's einige; andre hingegen hatten nur von einer Capelle gehört. Was Capelle? sag- ten wieder andre, Gott wird nun bald nur Capellen; aber der Teufel wird Kirchen ha- ben! Verschiedne gutdenkende und entschlosne Jünglinge hatten dem Rufe zwar sehr lebhaft, aber zugleich auch mit Behutsamkeit und An- halten nachgespürt, um bis an seine Quelle zu kommen. Allein er schlängelte so sehr umher, daß sie oft wieder weiter von der Quelle weg- kamen. Sie hatten es nicht von sich erhalten können, sich in Freygeister zu verstellen; denn sie waren auch darinn Deutsche, daß sie alle Verstellung, selbst diejenige, welche die Klug- heit notwendig zu machen scheint, von ganzer Seele hasten. Hätten sie anders gedacht; so wären sie vielleicht früher, und näher zu ihrem Zwecke gekommen. Unterdeß hatten sie sich doch nicht ganz fruchtlos bemüht. Als heute die Landgemeine kaum zusammen gekommen, und noch kein Anwald aufgestanden war, bra- chen die Jünglinge unvermutet auf, und gin- gen zu den Aldermännern. Der Ruf von der Freygeisterkirche, sagten sie, würde auch zu den Aldermännern gekommen seyn. Jhnen wären bey ihrer Nachforschung, die sie nicht
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es dahin zu bringen, daß in Deutſchland eine Kirche fuͤr die Freygeiſter erbaut wuͤrde. So erzaͤhlten’s einige; andre hingegen hatten nur von einer Capelle gehoͤrt. Was Capelle? ſag- ten wieder andre, Gott wird nun bald nur Capellen; aber der Teufel wird Kirchen ha- ben! Verſchiedne gutdenkende und entſchlosne Juͤnglinge hatten dem Rufe zwar ſehr lebhaft, aber zugleich auch mit Behutſamkeit und An- halten nachgeſpuͤrt, um bis an ſeine Quelle zu kommen. Allein er ſchlaͤngelte ſo ſehr umher, daß ſie oft wieder weiter von der Quelle weg- kamen. Sie hatten es nicht von ſich erhalten koͤnnen, ſich in Freygeiſter zu verſtellen; denn ſie waren auch darinn Deutſche, daß ſie alle Verſtellung, ſelbſt diejenige, welche die Klug- heit notwendig zu machen ſcheint, von ganzer Seele haſten. Haͤtten ſie anders gedacht; ſo waͤren ſie vielleicht fruͤher, und naͤher zu ihrem Zwecke gekommen. Unterdeß hatten ſie ſich doch nicht ganz fruchtlos bemuͤht. Als heute die Landgemeine kaum zuſammen gekommen, und noch kein Anwald aufgeſtanden war, bra- chen die Juͤnglinge unvermutet auf, und gin- gen zu den Aldermaͤnnern. Der Ruf von der Freygeiſterkirche, ſagten ſie, wuͤrde auch zu den Aldermaͤnnern gekommen ſeyn. Jhnen waͤren bey ihrer Nachforſchung, die ſie nicht
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es dahin zu bringen, daß in Deutſchland eine
Kirche fuͤr die Freygeiſter erbaut wuͤrde. So
erzaͤhlten’s einige; andre hingegen hatten nur
von einer Capelle gehoͤrt. Was Capelle? ſag-
ten wieder andre, Gott wird nun bald nur
Capellen; aber der Teufel wird Kirchen ha-
ben! Verſchiedne gutdenkende und entſchlosne
Juͤnglinge hatten dem Rufe zwar ſehr lebhaft,
aber zugleich auch mit Behutſamkeit und An-
halten nachgeſpuͤrt, um bis an ſeine Quelle zu
kommen. Allein er ſchlaͤngelte ſo ſehr umher,
daß ſie oft wieder weiter von der Quelle weg-
kamen. Sie hatten es nicht von ſich erhalten
koͤnnen, ſich in Freygeiſter zu verſtellen; denn
ſie waren auch darinn Deutſche, daß ſie alle
Verſtellung, ſelbſt diejenige, welche die Klug-
heit notwendig zu machen ſcheint, von ganzer
Seele haſten. Haͤtten ſie anders gedacht; ſo
waͤren ſie vielleicht fruͤher, und naͤher zu ihrem
Zwecke gekommen. Unterdeß hatten ſie ſich
doch nicht ganz fruchtlos bemuͤht. Als heute
die Landgemeine kaum zuſammen gekommen,
und noch kein Anwald aufgeſtanden war, bra-
chen die Juͤnglinge unvermutet auf, und gin-
gen zu den Aldermaͤnnern. Der Ruf von der
Freygeiſterkirche, ſagten ſie, wuͤrde auch zu
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/435>, abgerufen am 22.11.2024.
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