Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

werden, und wie wenig auf die Bestandtheile des
Ausdrückenden ankomme, zeigt unter andern gern
und Vertheidigern. Jch gestehe zu, daß diese, und
noch ein Paar ahnliche Verändrungssylben (lächeln
eiligst) keine leichte Kürze haben; aber was gewint
das Tonmaaß unsrer Sprache nicht, durch seine
Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit
dem, was es durch eine notwendige Folge dieser
Verbindung verliert.

Reg. 9. Die endenden Selbstlaute sind kurz.
Freude jezo Peru China u. s. w.

Diese neun Regeln sezen unser Tonmaaß fest, in
so fern es die Bestimmung der zweyzeitigen Wörter
und Sylben noch nicht in sich begreift. Jch kenne
keine Sprache, die hier mit einer so geringen An-
zahl Regeln, welche überdieß noch so wenige und so
eingeschränkte Ausnamen haben, zureiche. Man
weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Proso-
dieen der beyden alten Sprachen ist, und wie diese
Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben
keine andre Bestimmung der Zweyzeitigkeit, als
den Vers. (Mit welcher Ungewisheit musten daher
die Vorleser Prosa und Dithytamben oft ausspre-
chen.) Wenn wir uns, wie sie, mit dieser Bestim-
mung allem begnügen wolten; so wäre unsre Pro-
sodie vielleicht die kürzeste, deren eine Sprache fähig
ist. Wir dürften alsdann nur die zehnte Regel hin-
zusezen, und sagen: Bey der Aussprache der zwey-
zeitigen Wörter und Sylben richtet man sich nach
der Versart, worinn sie vorkommen. Aber wir un-
terscheiden uns eben dadurch, zu unserm Vortheile,
von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit fast durch-
gehends durch den Nachdruk, die Leidenschaft, und
die Tonstellung bestimmen. Die Tonstellung ist sehr

man-
Z 2

werden, und wie wenig auf die Beſtandtheile des
Ausdruͤckenden ankomme, zeigt unter andern gern
und Vertheidigern. Jch geſtehe zu, daß dieſe, und
noch ein Paar ahnliche Veraͤndrungsſylben (laͤcheln
eiligſt) keine leichte Kuͤrze haben; aber was gewint
das Tonmaaß unſrer Sprache nicht, durch ſeine
Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit
dem, was es durch eine notwendige Folge dieſer
Verbindung verliert.

Reg. 9. Die endenden Selbſtlaute ſind kurz.
Freude jezo Peru China u. ſ. w.

Dieſe neun Regeln ſezen unſer Tonmaaß feſt, in
ſo fern es die Beſtimmung der zweyzeitigen Woͤrter
und Sylben noch nicht in ſich begreift. Jch kenne
keine Sprache, die hier mit einer ſo geringen An-
zahl Regeln, welche uͤberdieß noch ſo wenige und ſo
eingeſchraͤnkte Ausnamen haben, zureiche. Man
weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Proſo-
dieen der beyden alten Sprachen iſt, und wie dieſe
Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben
keine andre Beſtimmung der Zweyzeitigkeit, als
den Vers. (Mit welcher Ungewisheit muſten daher
die Vorleſer Proſa und Dithytamben oft ausſpre-
chen.) Wenn wir uns, wie ſie, mit dieſer Beſtim-
mung allem begnuͤgen wolten; ſo waͤre unſre Pro-
ſodie vielleicht die kuͤrzeſte, deren eine Sprache faͤhig
iſt. Wir duͤrften alsdann nur die zehnte Regel hin-
zuſezen, und ſagen: Bey der Ausſprache der zwey-
zeitigen Woͤrter und Sylben richtet man ſich nach
der Versart, worinn ſie vorkommen. Aber wir un-
terſcheiden uns eben dadurch, zu unſerm Vortheile,
von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit faſt durch-
gehends durch den Nachdruk, die Leidenſchaft, und
die Tonſtellung beſtimmen. Die Tonſtellung iſt ſehr

man-
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0431" n="355"/>
werden, und wie wenig auf die Be&#x017F;tandtheile des<lb/>
Ausdru&#x0364;ckenden ankomme, zeigt unter andern gern<lb/>
und Vertheidigern. Jch ge&#x017F;tehe zu, daß die&#x017F;e, und<lb/>
noch ein Paar ahnliche Vera&#x0364;ndrungs&#x017F;ylben (la&#x0364;cheln<lb/>
eilig&#x017F;t) keine leichte Ku&#x0364;rze haben; aber was gewint<lb/>
das Tonmaaß un&#x017F;rer Sprache nicht, durch &#x017F;eine<lb/>
Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit<lb/>
dem, was es durch eine notwendige Folge die&#x017F;er<lb/>
Verbindung verliert.</p><lb/>
          <p>Reg. 9. Die endenden Selb&#x017F;tlaute &#x017F;ind kurz.<lb/>
Freude jezo Peru China u. &#x017F;. w.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e neun Regeln &#x017F;ezen un&#x017F;er Tonmaaß fe&#x017F;t, in<lb/>
&#x017F;o fern es die Be&#x017F;timmung der zweyzeitigen Wo&#x0364;rter<lb/>
und Sylben noch nicht in &#x017F;ich begreift. Jch kenne<lb/>
keine Sprache, die hier mit einer &#x017F;o geringen An-<lb/>
zahl Regeln, welche u&#x0364;berdieß noch &#x017F;o wenige und &#x017F;o<lb/>
einge&#x017F;chra&#x0364;nkte Ausnamen haben, zureiche. Man<lb/>
weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Pro&#x017F;o-<lb/>
dieen der beyden alten Sprachen i&#x017F;t, und wie die&#x017F;e<lb/>
Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben<lb/>
keine andre Be&#x017F;timmung der Zweyzeitigkeit, als<lb/>
den Vers. (Mit welcher Ungewisheit mu&#x017F;ten daher<lb/>
die Vorle&#x017F;er Pro&#x017F;a und Dithytamben oft aus&#x017F;pre-<lb/>
chen.) Wenn wir uns, wie &#x017F;ie, mit die&#x017F;er Be&#x017F;tim-<lb/>
mung allem begnu&#x0364;gen wolten; &#x017F;o wa&#x0364;re un&#x017F;re Pro-<lb/>
&#x017F;odie vielleicht die ku&#x0364;rze&#x017F;te, deren eine Sprache fa&#x0364;hig<lb/>
i&#x017F;t. Wir du&#x0364;rften alsdann nur die zehnte Regel hin-<lb/>
zu&#x017F;ezen, und &#x017F;agen: Bey der Aus&#x017F;prache der zwey-<lb/>
zeitigen Wo&#x0364;rter und Sylben richtet man &#x017F;ich nach<lb/>
der Versart, worinn &#x017F;ie vorkommen. Aber wir un-<lb/>
ter&#x017F;cheiden uns eben dadurch, zu un&#x017F;erm Vortheile,<lb/>
von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit fa&#x017F;t durch-<lb/>
gehends durch den Nachdruk, die Leiden&#x017F;chaft, und<lb/>
die Ton&#x017F;tellung be&#x017F;timmen. Die Ton&#x017F;tellung i&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">man-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0431] werden, und wie wenig auf die Beſtandtheile des Ausdruͤckenden ankomme, zeigt unter andern gern und Vertheidigern. Jch geſtehe zu, daß dieſe, und noch ein Paar ahnliche Veraͤndrungsſylben (laͤcheln eiligſt) keine leichte Kuͤrze haben; aber was gewint das Tonmaaß unſrer Sprache nicht, durch ſeine Verbindung mit den Begriffen, in Vergleichung mit dem, was es durch eine notwendige Folge dieſer Verbindung verliert. Reg. 9. Die endenden Selbſtlaute ſind kurz. Freude jezo Peru China u. ſ. w. Dieſe neun Regeln ſezen unſer Tonmaaß feſt, in ſo fern es die Beſtimmung der zweyzeitigen Woͤrter und Sylben noch nicht in ſich begreift. Jch kenne keine Sprache, die hier mit einer ſo geringen An- zahl Regeln, welche uͤberdieß noch ſo wenige und ſo eingeſchraͤnkte Ausnamen haben, zureiche. Man weis, wie groß die Zahl der Regeln in den Proſo- dieen der beyden alten Sprachen iſt, und wie dieſe Regeln von Ausnamen wimmeln. Die Alten haben keine andre Beſtimmung der Zweyzeitigkeit, als den Vers. (Mit welcher Ungewisheit muſten daher die Vorleſer Proſa und Dithytamben oft ausſpre- chen.) Wenn wir uns, wie ſie, mit dieſer Beſtim- mung allem begnuͤgen wolten; ſo waͤre unſre Pro- ſodie vielleicht die kuͤrzeſte, deren eine Sprache faͤhig iſt. Wir duͤrften alsdann nur die zehnte Regel hin- zuſezen, und ſagen: Bey der Ausſprache der zwey- zeitigen Woͤrter und Sylben richtet man ſich nach der Versart, worinn ſie vorkommen. Aber wir un- terſcheiden uns eben dadurch, zu unſerm Vortheile, von den Alten, daß wir die Zweyzeitigkeit faſt durch- gehends durch den Nachdruk, die Leidenſchaft, und die Tonſtellung beſtimmen. Die Tonſtellung iſt ſehr man- Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/431
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/431>, abgerufen am 25.11.2024.