Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyzeitigkeit (die vermutlich gröstentheils durch
die Ungewisheit (Ungewisheit) entstanden ist, in der man zwischen
Hauptbegriffe und Nebenbegriffe war) hat die deut-
sche Sprache, in dem gewönlichen Verstande, nur

selten.
Alten daran erinre, daß in der griechischen und
lateinischen Sprache sehr viele Hauptwörter,
Beywörter, und Zeitwörter vorkommen, welche
kurze Stamsylben, und lange Verändrungssylben
haben. Jndeß will ich doch Ein Beyspiel an-
führen.
Regum timendor' in proprios greges
Reges in ipsos imperi' est Joovis.

Die furchtbaren Könige herschen über ihre Völ-
ker; aber über die Könige selbst, Jupiter. Ju-
piter hat in Jovis den Zeitausdruk zweyer kurzen
Sylben. Eiliger konte man über Jupitern, be-
sonders über den hier so groß vorgestelten Jupi-
ter, nicht wol wegwischen.
(Ungewisheit) Wenigstens konten die Begriffe,
die überhaupt in Fürwörtern, und die, welche
oft, bey gewissen Verbindungen der Gedanken,
in Verhältniswörtern liegen, diese Ungewisheit
veranlassen. Selbst Philosophen, die eine Sprache
erfänden, würden hier nicht immer mit einander
einig seyn. Die Vorwörter lassen weniger zwei-
felhaft; und die Hülfswörter gar nicht. Die
lezten haben keinen andern Begrif, als den die
Verändrungssylben haben. Vielleicht hat man
sich von dem Begriffe, den die Hülfswörter, als
Zeitwörter gebraucht, auch haben, nicht sogleich
losmachen können; und so ist denn ihre Zweyzei-
tigkeit entstanden, und hernach geblieben.

Zweyzeitigkeit (die vermutlich groͤſtentheils durch
die Ungewisheit (Ungewisheit) entſtanden iſt, in der man zwiſchen
Hauptbegriffe und Nebenbegriffe war) hat die deut-
ſche Sprache, in dem gewoͤnlichen Verſtande, nur

ſelten.
Alten daran erinre, daß in der griechiſchen und
lateiniſchen Sprache ſehr viele Hauptwoͤrter,
Beywoͤrter, und Zeitwoͤrter vorkommen, welche
kurze Stamſylben, und lange Veraͤndrungsſylben
haben. Jndeß will ich doch Ein Beyſpiel an-
fuͤhren.
Regum timendor’ in proprios greges
Reges in ipſos imperi’ eſt Joŏvĭs.

Die furchtbaren Koͤnige herſchen uͤber ihre Voͤl-
ker; aber uͤber die Koͤnige ſelbſt, Jupiter. Ju-
piter hat in Jovis den Zeitausdruk zweyer kurzen
Sylben. Eiliger konte man uͤber Jupitern, be-
ſonders uͤber den hier ſo groß vorgeſtelten Jupi-
ter, nicht wol wegwiſchen.
(Ungewisheit) Wenigſtens konten die Begriffe,
die uͤberhaupt in Fuͤrwoͤrtern, und die, welche
oft, bey gewiſſen Verbindungen der Gedanken,
in Verhaͤltniswoͤrtern liegen, dieſe Ungewisheit
veranlaſſen. Selbſt Philoſophen, die eine Sprache
erfaͤnden, wuͤrden hier nicht immer mit einander
einig ſeyn. Die Vorwoͤrter laſſen weniger zwei-
felhaft; und die Huͤlfswoͤrter gar nicht. Die
lezten haben keinen andern Begrif, als den die
Veraͤndrungsſylben haben. Vielleicht hat man
ſich von dem Begriffe, den die Huͤlfswoͤrter, als
Zeitwoͤrter gebraucht, auch haben, nicht ſogleich
losmachen koͤnnen; und ſo iſt denn ihre Zweyzei-
tigkeit entſtanden, und hernach geblieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0423" n="347"/>
          <p>Zweyzeitigkeit (die vermutlich gro&#x0364;&#x017F;tentheils durch<lb/>
die Ungewisheit <note place="foot" n="(Ungewisheit)">Wenig&#x017F;tens konten die Begriffe,<lb/>
die u&#x0364;berhaupt in Fu&#x0364;rwo&#x0364;rtern, und die, welche<lb/>
oft, bey gewi&#x017F;&#x017F;en Verbindungen der Gedanken,<lb/>
in Verha&#x0364;ltniswo&#x0364;rtern liegen, die&#x017F;e Ungewisheit<lb/>
veranla&#x017F;&#x017F;en. Selb&#x017F;t Philo&#x017F;ophen, die eine Sprache<lb/>
erfa&#x0364;nden, wu&#x0364;rden hier nicht immer mit einander<lb/>
einig &#x017F;eyn. Die Vorwo&#x0364;rter la&#x017F;&#x017F;en weniger zwei-<lb/>
felhaft; und die Hu&#x0364;lfswo&#x0364;rter gar nicht. Die<lb/>
lezten haben keinen andern Begrif, als den die<lb/>
Vera&#x0364;ndrungs&#x017F;ylben haben. Vielleicht hat man<lb/>
&#x017F;ich von dem Begriffe, den die Hu&#x0364;lfswo&#x0364;rter, als<lb/>
Zeitwo&#x0364;rter gebraucht, auch haben, nicht &#x017F;ogleich<lb/>
losmachen ko&#x0364;nnen; und &#x017F;o i&#x017F;t denn ihre Zweyzei-<lb/>
tigkeit ent&#x017F;tanden, und hernach geblieben.</note> ent&#x017F;tanden i&#x017F;t, in der man zwi&#x017F;chen<lb/>
Hauptbegriffe und Nebenbegriffe war) hat die deut-<lb/>
&#x017F;che Sprache, in dem gewo&#x0364;nlichen Ver&#x017F;tande, nur<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elten.</fw><lb/><note xml:id="fn02b" prev="#fn02a" place="foot" n="(angemesner)"><p xml:id="p01b" prev="#p01a">Alten daran erinre, daß in der griechi&#x017F;chen und<lb/>
lateini&#x017F;chen Sprache &#x017F;ehr viele Hauptwo&#x0364;rter,<lb/>
Beywo&#x0364;rter, und Zeitwo&#x0364;rter vorkommen, welche<lb/>
kurze Stam&#x017F;ylben, und lange Vera&#x0364;ndrungs&#x017F;ylben<lb/>
haben. Jndeß will ich doch Ein Bey&#x017F;piel an-<lb/>
fu&#x0364;hren.</p><lb/><cit><quote><hi rendition="#aq">Regum timendor&#x2019; in proprios greges<lb/>
Reges in ip&#x017F;os imperi&#x2019; e&#x017F;t Jo&#x014F;v&#x012D;s.</hi></quote></cit><lb/><p>Die furchtbaren Ko&#x0364;nige her&#x017F;chen u&#x0364;ber ihre Vo&#x0364;l-<lb/>
ker; aber u&#x0364;ber die Ko&#x0364;nige &#x017F;elb&#x017F;t, Jupiter. Ju-<lb/>
piter hat in <hi rendition="#aq">Jovis</hi> den Zeitausdruk zweyer kurzen<lb/>
Sylben. Eiliger konte man u&#x0364;ber Jupitern, be-<lb/>
&#x017F;onders u&#x0364;ber den hier &#x017F;o groß vorge&#x017F;telten Jupi-<lb/>
ter, nicht wol wegwi&#x017F;chen.</p></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0423] Zweyzeitigkeit (die vermutlich groͤſtentheils durch die Ungewisheit (Ungewisheit) entſtanden iſt, in der man zwiſchen Hauptbegriffe und Nebenbegriffe war) hat die deut- ſche Sprache, in dem gewoͤnlichen Verſtande, nur ſelten. (angemesner) (Ungewisheit) Wenigſtens konten die Begriffe, die uͤberhaupt in Fuͤrwoͤrtern, und die, welche oft, bey gewiſſen Verbindungen der Gedanken, in Verhaͤltniswoͤrtern liegen, dieſe Ungewisheit veranlaſſen. Selbſt Philoſophen, die eine Sprache erfaͤnden, wuͤrden hier nicht immer mit einander einig ſeyn. Die Vorwoͤrter laſſen weniger zwei- felhaft; und die Huͤlfswoͤrter gar nicht. Die lezten haben keinen andern Begrif, als den die Veraͤndrungsſylben haben. Vielleicht hat man ſich von dem Begriffe, den die Huͤlfswoͤrter, als Zeitwoͤrter gebraucht, auch haben, nicht ſogleich losmachen koͤnnen; und ſo iſt denn ihre Zweyzei- tigkeit entſtanden, und hernach geblieben. (angemesner) Alten daran erinre, daß in der griechiſchen und lateiniſchen Sprache ſehr viele Hauptwoͤrter, Beywoͤrter, und Zeitwoͤrter vorkommen, welche kurze Stamſylben, und lange Veraͤndrungsſylben haben. Jndeß will ich doch Ein Beyſpiel an- fuͤhren. Regum timendor’ in proprios greges Reges in ipſos imperi’ eſt Joŏvĭs. Die furchtbaren Koͤnige herſchen uͤber ihre Voͤl- ker; aber uͤber die Koͤnige ſelbſt, Jupiter. Ju- piter hat in Jovis den Zeitausdruk zweyer kurzen Sylben. Eiliger konte man uͤber Jupitern, be- ſonders uͤber den hier ſo groß vorgeſtelten Jupi- ter, nicht wol wegwiſchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/423
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/423>, abgerufen am 22.11.2024.