Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.unsre Sprache den Absichten der Verskunst ange- Zwey- benbegrif zusammen gehören, schliesset übrigens die andre Bemerkung nicht aus, daß die Ablei- tungssylben, welche auch nur Nebenbegriffe ha- ben, oft auch kurz sind. (angemesner) Wenn man irgend ein Sylben-
maaß annimt, das der Wahl eines Dichters wür- dig ist; so hat der Erfinder desselben Absichten bey der Zahl und Vertheilung der Längen und Kürzen gehabt. Unter andern wolte er den be- deutendsten Zeitausdruk da haben, wo die Län- gen sind. Wenn man nun, nach der Beschaffen- heit seiner Sprache, gezwungen ist, (dieß ist ge- wönlich der Fall der griechischen und römischen) die Längen da zu sezen, wo die Nebenbegriffe, und die Kürzen, wo die Hauptbegriffe sind: so erfolgt noch mehr, als Vernichtung jener Absich- ten. Denn es gehet nicht etwa nur, (wie ich sonst dachte) das Sylbenmaaß seinen Weg, und die Sprache den ihrigen; sondern sie sind mit ein- ander in Widerspruche, so daß der Wortsinn durch den ihm entgegengesezten Zeitausdruk ge- schwächt wird. Die Leser der Alten sind freylich hieran so sehr verwöhnt, daß sie es nicht mehr merken; aber die Sache bleibt doch gleichwol, was sie ist. Niemals, sagt man mir, hat ein Alter diese Anmerkung gemacht; und bedenkt nicht, daß die Alten noch mehr daran verwöhnt seyn musten. Jch will mich nicht mit Beyspielen aufhalten. Wenn ich das wolte, so könt ich, besonders aus Pindarn, und den dithyramhischen Fragmenten, weil diese in ihren Sylbenmaassen oft viele Kür- zen hinter einander haben, sehr merkwürdige an- führen. Es ist genung, wenn ich die Kenner der Alten unſre Sprache den Abſichten der Verskunſt ange- Zwey- benbegrif zuſammen gehoͤren, ſchlieſſet uͤbrigens die andre Bemerkung nicht aus, daß die Ablei- tungsſylben, welche auch nur Nebenbegriffe ha- ben, oft auch kurz ſind. (angemesner) Wenn man irgend ein Sylben-
maaß annimt, das der Wahl eines Dichters wuͤr- dig iſt; ſo hat der Erfinder deſſelben Abſichten bey der Zahl und Vertheilung der Laͤngen und Kuͤrzen gehabt. Unter andern wolte er den be- deutendſten Zeitausdruk da haben, wo die Laͤn- gen ſind. Wenn man nun, nach der Beſchaffen- heit ſeiner Sprache, gezwungen iſt, (dieß iſt ge- woͤnlich der Fall der griechiſchen und roͤmiſchen) die Laͤngen da zu ſezen, wo die Nebenbegriffe, und die Kuͤrzen, wo die Hauptbegriffe ſind: ſo erfolgt noch mehr, als Vernichtung jener Abſich- ten. Denn es gehet nicht etwa nur, (wie ich ſonſt dachte) das Sylbenmaaß ſeinen Weg, und die Sprache den ihrigen; ſondern ſie ſind mit ein- ander in Widerſpruche, ſo daß der Wortſinn durch den ihm entgegengeſezten Zeitausdruk ge- ſchwaͤcht wird. Die Leſer der Alten ſind freylich hieran ſo ſehr verwoͤhnt, daß ſie es nicht mehr merken; aber die Sache bleibt doch gleichwol, was ſie iſt. Niemals, ſagt man mir, hat ein Alter dieſe Anmerkung gemacht; und bedenkt nicht, daß die Alten noch mehr daran verwoͤhnt ſeyn muſten. Jch will mich nicht mit Beyſpielen aufhalten. Wenn ich das wolte, ſo koͤnt ich, beſonders aus Pindarn, und den dithyramhiſchen Fragmenten, weil dieſe in ihren Sylbenmaaſſen oft viele Kuͤr- zen hinter einander haben, ſehr merkwuͤrdige an- fuͤhren. Es iſt genung, wenn ich die Kenner der Alten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0422" n="346"/> unſre Sprache den Abſichten der Verskunſt ange-<lb/> mesner<note xml:id="fn02a" next="#fn02b" place="foot" n="(angemesner)"><p xml:id="p01a" next="#p01b">Wenn man irgend ein Sylben-<lb/> maaß annimt, das der Wahl eines Dichters wuͤr-<lb/> dig iſt; ſo hat der Erfinder deſſelben Abſichten<lb/> bey der Zahl und Vertheilung der Laͤngen und<lb/> Kuͤrzen gehabt. Unter andern wolte er den be-<lb/> deutendſten Zeitausdruk da haben, wo die Laͤn-<lb/> gen ſind. Wenn man nun, nach der Beſchaffen-<lb/> heit ſeiner Sprache, gezwungen iſt, (dieß iſt ge-<lb/> woͤnlich der Fall der griechiſchen und roͤmiſchen)<lb/> die Laͤngen da zu ſezen, wo die Nebenbegriffe,<lb/> und die Kuͤrzen, wo die Hauptbegriffe ſind: ſo<lb/> erfolgt noch mehr, als Vernichtung jener Abſich-<lb/> ten. Denn es gehet nicht etwa nur, (wie ich<lb/> ſonſt dachte) das Sylbenmaaß ſeinen Weg, und<lb/> die Sprache den ihrigen; ſondern ſie ſind mit ein-<lb/> ander in Widerſpruche, ſo daß der Wortſinn<lb/> durch den ihm entgegengeſezten Zeitausdruk ge-<lb/> ſchwaͤcht wird. Die Leſer der Alten ſind freylich<lb/> hieran ſo ſehr verwoͤhnt, daß ſie es nicht mehr<lb/> merken; aber die Sache bleibt doch gleichwol, was<lb/> ſie iſt. Niemals, ſagt man mir, hat ein Alter<lb/> dieſe Anmerkung gemacht; und bedenkt nicht, daß<lb/> die Alten noch mehr daran verwoͤhnt ſeyn muſten.<lb/> Jch will mich nicht mit Beyſpielen aufhalten.<lb/> Wenn ich das wolte, ſo koͤnt ich, beſonders aus<lb/> Pindarn, und den dithyramhiſchen Fragmenten,<lb/> weil dieſe in ihren Sylbenmaaſſen oft viele Kuͤr-<lb/> zen hinter einander haben, ſehr merkwuͤrdige an-<lb/> fuͤhren. Es iſt genung, wenn ich die Kenner der</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Alten</fw></note><lb/> iſt, als es ſelbſt die beyden alten Sprachen<lb/> ſind.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zwey-</fw><lb/> <note xml:id="fn01b" prev="#fn01a" place="foot" n="(Kuͤrze. Veraͤndrungsſylben. Nebenbegriffe.)">benbegrif zuſammen gehoͤren, ſchlieſſet uͤbrigens<lb/> die andre Bemerkung nicht aus, daß die Ablei-<lb/> tungsſylben, welche auch nur Nebenbegriffe ha-<lb/> ben, oft auch kurz ſind.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0422]
unſre Sprache den Abſichten der Verskunſt ange-
mesner (angemesner)
iſt, als es ſelbſt die beyden alten Sprachen
ſind.
Zwey-
(Kuͤrze. Veraͤndrungsſylben. Nebenbegriffe.)
(angemesner) Wenn man irgend ein Sylben-
maaß annimt, das der Wahl eines Dichters wuͤr-
dig iſt; ſo hat der Erfinder deſſelben Abſichten
bey der Zahl und Vertheilung der Laͤngen und
Kuͤrzen gehabt. Unter andern wolte er den be-
deutendſten Zeitausdruk da haben, wo die Laͤn-
gen ſind. Wenn man nun, nach der Beſchaffen-
heit ſeiner Sprache, gezwungen iſt, (dieß iſt ge-
woͤnlich der Fall der griechiſchen und roͤmiſchen)
die Laͤngen da zu ſezen, wo die Nebenbegriffe,
und die Kuͤrzen, wo die Hauptbegriffe ſind: ſo
erfolgt noch mehr, als Vernichtung jener Abſich-
ten. Denn es gehet nicht etwa nur, (wie ich
ſonſt dachte) das Sylbenmaaß ſeinen Weg, und
die Sprache den ihrigen; ſondern ſie ſind mit ein-
ander in Widerſpruche, ſo daß der Wortſinn
durch den ihm entgegengeſezten Zeitausdruk ge-
ſchwaͤcht wird. Die Leſer der Alten ſind freylich
hieran ſo ſehr verwoͤhnt, daß ſie es nicht mehr
merken; aber die Sache bleibt doch gleichwol, was
ſie iſt. Niemals, ſagt man mir, hat ein Alter
dieſe Anmerkung gemacht; und bedenkt nicht, daß
die Alten noch mehr daran verwoͤhnt ſeyn muſten.
Jch will mich nicht mit Beyſpielen aufhalten.
Wenn ich das wolte, ſo koͤnt ich, beſonders aus
Pindarn, und den dithyramhiſchen Fragmenten,
weil dieſe in ihren Sylbenmaaſſen oft viele Kuͤr-
zen hinter einander haben, ſehr merkwuͤrdige an-
fuͤhren. Es iſt genung, wenn ich die Kenner der
Alten
(Kuͤrze. Veraͤndrungsſylben. Nebenbegriffe.) benbegrif zuſammen gehoͤren, ſchlieſſet uͤbrigens
die andre Bemerkung nicht aus, daß die Ablei-
tungsſylben, welche auch nur Nebenbegriffe ha-
ben, oft auch kurz ſind.
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