"Also urtheilte, nach reifer Erwägung, "und kalter Berathschlagung, die Zunft der "Dichter auf dem Landtage, zwey und siebzig, "achtzehntes Jahrhundert."
Der Anwald stelte die Tafel hin, und sie wurde, wie vordem die Rollen, von Zunft zu Zunft, und zulezt auch zu dem Volke gebracht. Ein Gesez vorschlagen, und die Stimmen über die Aufname oder Verwerfung desselben sammeln geschieht bey uns selten an Einem Tage. Auf andre Sachen wolte man sich, nach diesem vorgeschlagnen Geseze, auch nicht ein- lassen. Die Landgemeine ging daher aus ein- ander. Jch suchte den Ausgang des morgen- den Tages (Wlemar schreibt dieses) aus dem, was den heutigen geschähe, zu errathen. Jch hörte hier und da einige, doch nur behutsame Klagen über die Strenge des neuen Gesezes; aber ein höhrer Ton, der Ton des jezigen Land- tages waltete vor, und diese Klagenden konten wenigstens so gleich nicht aufkommen. Die Ausrufer und Ankündiger hörten nur umher; ihre gewönliche Kühnheit hatte sie verlassen, und sie wusten überhaupt nicht so recht, woran sie wären. Denn es konte ja ihr Ankläger von neuem vorgerufen, und ihrentwegen gar ein Gesez gegeben werden, welches ihr Ansehn und ihre Fähigkeiten in ein sehr genaues Ver-
hält-
„Alſo urtheilte, nach reifer Erwaͤgung, „und kalter Berathſchlagung, die Zunft der „Dichter auf dem Landtage, zwey und ſiebzig, „achtzehntes Jahrhundert.‟
Der Anwald ſtelte die Tafel hin, und ſie wurde, wie vordem die Rollen, von Zunft zu Zunft, und zulezt auch zu dem Volke gebracht. Ein Geſez vorſchlagen, und die Stimmen uͤber die Aufname oder Verwerfung deſſelben ſammeln geſchieht bey uns ſelten an Einem Tage. Auf andre Sachen wolte man ſich, nach dieſem vorgeſchlagnen Geſeze, auch nicht ein- laſſen. Die Landgemeine ging daher aus ein- ander. Jch ſuchte den Ausgang des morgen- den Tages (Wlemar ſchreibt dieſes) aus dem, was den heutigen geſchaͤhe, zu errathen. Jch hoͤrte hier und da einige, doch nur behutſame Klagen uͤber die Strenge des neuen Geſezes; aber ein hoͤhrer Ton, der Ton des jezigen Land- tages waltete vor, und dieſe Klagenden konten wenigſtens ſo gleich nicht aufkommen. Die Ausrufer und Ankuͤndiger hoͤrten nur umher; ihre gewoͤnliche Kuͤhnheit hatte ſie verlaſſen, und ſie wuſten uͤberhaupt nicht ſo recht, woran ſie waͤren. Denn es konte ja ihr Anklaͤger von neuem vorgerufen, und ihrentwegen gar ein Geſez gegeben werden, welches ihr Anſehn und ihre Faͤhigkeiten in ein ſehr genaues Ver-
haͤlt-
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„Alſo urtheilte, nach reifer Erwaͤgung,
„und kalter Berathſchlagung, die Zunft der
„Dichter auf dem Landtage, zwey und ſiebzig,
„achtzehntes Jahrhundert.‟
Der Anwald ſtelte die Tafel hin, und ſie
wurde, wie vordem die Rollen, von Zunft zu
Zunft, und zulezt auch zu dem Volke gebracht.
Ein Geſez vorſchlagen, und die Stimmen uͤber
die Aufname oder Verwerfung deſſelben
ſammeln geſchieht bey uns ſelten an Einem
Tage. Auf andre Sachen wolte man ſich, nach
dieſem vorgeſchlagnen Geſeze, auch nicht ein-
laſſen. Die Landgemeine ging daher aus ein-
ander. Jch ſuchte den Ausgang des morgen-
den Tages (Wlemar ſchreibt dieſes) aus dem,
was den heutigen geſchaͤhe, zu errathen. Jch
hoͤrte hier und da einige, doch nur behutſame
Klagen uͤber die Strenge des neuen Geſezes;
aber ein hoͤhrer Ton, der Ton des jezigen Land-
tages waltete vor, und dieſe Klagenden konten
wenigſtens ſo gleich nicht aufkommen. Die
Ausrufer und Ankuͤndiger hoͤrten nur umher;
ihre gewoͤnliche Kuͤhnheit hatte ſie verlaſſen,
und ſie wuſten uͤberhaupt nicht ſo recht, woran
ſie waͤren. Denn es konte ja ihr Anklaͤger von
neuem vorgerufen, und ihrentwegen gar ein
Geſez gegeben werden, welches ihr Anſehn
und ihre Faͤhigkeiten in ein ſehr genaues Ver-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/315>, abgerufen am 22.11.2024.
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