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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

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gleich das tz, als etwas, das kein Deutscher ausspre-
chen könte, wenigstens in diesem Jahrhunderte nicht
ausgesprochen hätte, ganz verwürfe. Wer kann
denn settsen oder gar settst aussprechen? Glaubt
es einer zu können; so wird er gefragt: Ob er mag,
und wenn er möchte, darf? Der Einwurf, daß,
wenn man z. E. nicht setzen sondern sezen schriebe,
das e bey der Aussprache gedehnt werden müste,
würd ihm etwa deswegen kein Einwurf zu seyn
scheinen, weil Niemand darauf verfallen wird, das
e da zu dehnen, wo er es nie zu dehnen pflegt, und
weil er es vor der Schreibverkürzung z in set-sen
z. E. sehr gut ungedehnt aussprechen kann; hingegen
aber tsen in set-tsen nicht aussprechen darf, wenn
er es auch könte, oder gar möchte.

So weit ginge etwa einer im Anfange; und an-
dern, die wie er glaubten, daß die Rechtschreibung
ein Ding fürs Ohr, und nicht fürs Auge wäre, über-
liesse er, nach und nach zu versuchen. 1 Mehr
Verdoplungen wegzulassen. (Der versteht nichts
von der Ableitung, welcher glaubt, daß sie bey die-
ser Weglassung leide) 2 F oder v zu wählen, und
das ph nicht mehr zu brauchen. 3 Das q ohne u
zu schreiben, oder es wegzuwerfen, und, wo es dann
nötig wäre, auf das k ein u folgen zu lassen. 4 Das
th und dt wegzuwerfen. 5 Des c und y nicht fer-
ner zu schonen, und 6 ein allgemeines Zeichen der
Dehnung festzusezen. Nachdem wir nun längere
oder kürzere Zeit mit diesen Veränderungen zuge-
bracht hätten, würden wir mit den Franzosen und
Engländern, die etwan auch alsdann noch ihre Aller-
leyzeichen
haben möchten, auch in diesen Nebendin-
gen, die aber gleichwol mit zur Sache gehören,
früher oder später zur Richtigkeit kommen. Ent-

fernt

gleich das tz, als etwas, das kein Deutſcher ausſpre-
chen koͤnte, wenigſtens in dieſem Jahrhunderte nicht
ausgeſprochen haͤtte, ganz verwuͤrfe. Wer kann
denn ſettſen oder gar ſettſt ausſprechen? Glaubt
es einer zu koͤnnen; ſo wird er gefragt: Ob er mag,
und wenn er moͤchte, darf? Der Einwurf, daß,
wenn man z. E. nicht ſetzen ſondern ſezen ſchriebe,
das e bey der Ausſprache gedehnt werden muͤſte,
wuͤrd ihm etwa deswegen kein Einwurf zu ſeyn
ſcheinen, weil Niemand darauf verfallen wird, das
e da zu dehnen, wo er es nie zu dehnen pflegt, und
weil er es vor der Schreibverkuͤrzung z in ſet-ſen
z. E. ſehr gut ungedehnt ausſprechen kann; hingegen
aber tſen in ſet-tſen nicht ausſprechen darf, wenn
er es auch koͤnte, oder gar moͤchte.

So weit ginge etwa einer im Anfange; und an-
dern, die wie er glaubten, daß die Rechtſchreibung
ein Ding fuͤrs Ohr, und nicht fuͤrs Auge waͤre, uͤber-
lieſſe er, nach und nach zu verſuchen. 1 Mehr
Verdoplungen wegzulaſſen. (Der verſteht nichts
von der Ableitung, welcher glaubt, daß ſie bey die-
ſer Weglaſſung leide) 2 F oder v zu waͤhlen, und
das ph nicht mehr zu brauchen. 3 Das q ohne u
zu ſchreiben, oder es wegzuwerfen, und, wo es dann
noͤtig waͤre, auf das k ein u folgen zu laſſen. 4 Das
th und dt wegzuwerfen. 5 Des c und y nicht fer-
ner zu ſchonen, und 6 ein allgemeines Zeichen der
Dehnung feſtzuſezen. Nachdem wir nun laͤngere
oder kuͤrzere Zeit mit dieſen Veraͤnderungen zuge-
bracht haͤtten, wuͤrden wir mit den Franzoſen und
Englaͤndern, die etwan auch alsdann noch ihre Aller-
leyzeichen
haben moͤchten, auch in dieſen Nebendin-
gen, die aber gleichwol mit zur Sache gehoͤren,
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[236/0312] gleich das tz, als etwas, das kein Deutſcher ausſpre- chen koͤnte, wenigſtens in dieſem Jahrhunderte nicht ausgeſprochen haͤtte, ganz verwuͤrfe. Wer kann denn ſettſen oder gar ſettſt ausſprechen? Glaubt es einer zu koͤnnen; ſo wird er gefragt: Ob er mag, und wenn er moͤchte, darf? Der Einwurf, daß, wenn man z. E. nicht ſetzen ſondern ſezen ſchriebe, das e bey der Ausſprache gedehnt werden muͤſte, wuͤrd ihm etwa deswegen kein Einwurf zu ſeyn ſcheinen, weil Niemand darauf verfallen wird, das e da zu dehnen, wo er es nie zu dehnen pflegt, und weil er es vor der Schreibverkuͤrzung z in ſet-ſen z. E. ſehr gut ungedehnt ausſprechen kann; hingegen aber tſen in ſet-tſen nicht ausſprechen darf, wenn er es auch koͤnte, oder gar moͤchte. So weit ginge etwa einer im Anfange; und an- dern, die wie er glaubten, daß die Rechtſchreibung ein Ding fuͤrs Ohr, und nicht fuͤrs Auge waͤre, uͤber- lieſſe er, nach und nach zu verſuchen. 1 Mehr Verdoplungen wegzulaſſen. (Der verſteht nichts von der Ableitung, welcher glaubt, daß ſie bey die- ſer Weglaſſung leide) 2 F oder v zu waͤhlen, und das ph nicht mehr zu brauchen. 3 Das q ohne u zu ſchreiben, oder es wegzuwerfen, und, wo es dann noͤtig waͤre, auf das k ein u folgen zu laſſen. 4 Das th und dt wegzuwerfen. 5 Des c und y nicht fer- ner zu ſchonen, und 6 ein allgemeines Zeichen der Dehnung feſtzuſezen. Nachdem wir nun laͤngere oder kuͤrzere Zeit mit dieſen Veraͤnderungen zuge- bracht haͤtten, wuͤrden wir mit den Franzoſen und Englaͤndern, die etwan auch alsdann noch ihre Aller- leyzeichen haben moͤchten, auch in dieſen Nebendin- gen, die aber gleichwol mit zur Sache gehoͤren, fruͤher oder ſpaͤter zur Richtigkeit kommen. Ent- fernt

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/312>, abgerufen am 25.11.2024.